Mit einer innigen Wehmuth setz' ich mich nieder, um Ihnen zu schreiben; ich hätte Ih- nen so manches zu sagen, so manche Antwort von Ihnen zu erbitten und doch bin ich in Verlegenheit, wie ich es Ihnen sagen soll. So unerwartet ich Sie in London wiedersah, eben so plötzlich sind sie nun wieder abgereist, alle meine Empfindungen, frohe und traurige, wiegen mich in einen Traum, in welchem ich keinen Begriff, kein Gefühl fesseln, nachdenken und empfinden kann. Ach William, in der kurzen Zeit, in welcher ich Sie kannte, hatt' ich mich so frei, so kühn, und (ich weiß nicht, wie ich es nennen soll) so groß gefühlt, daß ich der Zukunft froh und ohne Scheu entgegensah, -- aber itzt beklemmt eine unnennbare Bangigkeit meine Brust, mein Muth verläßt mich, ich fühle mich einsam und verlassen, ich bin wie-
7. Amalie Wilmont an William Lovell
London
Mit einer innigen Wehmuth ſetz’ ich mich nieder, um Ihnen zu ſchreiben; ich haͤtte Ih- nen ſo manches zu ſagen, ſo manche Antwort von Ihnen zu erbitten und doch bin ich in Verlegenheit, wie ich es Ihnen ſagen ſoll. So unerwartet ich Sie in London wiederſah, eben ſo ploͤtzlich ſind ſie nun wieder abgereiſt, alle meine Empfindungen, frohe und traurige, wiegen mich in einen Traum, in welchem ich keinen Begriff, kein Gefuͤhl feſſeln, nachdenken und empfinden kann. Ach William, in der kurzen Zeit, in welcher ich Sie kannte, hatt’ ich mich ſo frei, ſo kuͤhn, und (ich weiß nicht, wie ich es nennen ſoll) ſo groß gefuͤhlt, daß ich der Zukunft froh und ohne Scheu entgegenſah, — aber itzt beklemmt eine unnennbare Bangigkeit meine Bruſt, mein Muth verlaͤßt mich, ich fuͤhle mich einſam und verlaſſen, ich bin wie-
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[109[107]/0117]
7.
Amalie Wilmont an William Lovell
London
Mit einer innigen Wehmuth ſetz’ ich mich
nieder, um Ihnen zu ſchreiben; ich haͤtte Ih-
nen ſo manches zu ſagen, ſo manche Antwort
von Ihnen zu erbitten und doch bin ich in
Verlegenheit, wie ich es Ihnen ſagen ſoll. So
unerwartet ich Sie in London wiederſah, eben
ſo ploͤtzlich ſind ſie nun wieder abgereiſt, alle
meine Empfindungen, frohe und traurige, wiegen
mich in einen Traum, in welchem ich keinen
Begriff, kein Gefuͤhl feſſeln, nachdenken und
empfinden kann. Ach William, in der kurzen
Zeit, in welcher ich Sie kannte, hatt’ ich mich
ſo frei, ſo kuͤhn, und (ich weiß nicht, wie ich
es nennen ſoll) ſo groß gefuͤhlt, daß ich der
Zukunft froh und ohne Scheu entgegenſah, —
aber itzt beklemmt eine unnennbare Bangigkeit
meine Bruſt, mein Muth verlaͤßt mich, ich
fuͤhle mich einſam und verlaſſen, ich bin wie-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 109[107]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/117>, abgerufen am 24.11.2024.
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