Der Abend und die Einsamkeit luden zu man- cherlei Träumen ein; ich sah' es, wie Lovell schwer seufzte und ein Geheimniß auf dem Her- zen hatte.
"An diese Abende, fing er endlich an, ich ahnde es itzt, werd' ich in der Zukunft oft mit Schmerzen zurückdenken."
Mit Schmerzen? -- Sie verlassen uns also ungern?
"Und Sie können noch fragen?"
Sie werden neue Freunde und schönere Ge- genden finden, und über die letztern die erstern vergessen.
"Sie quälen mich!" rief er nach einer klei- nen Pause etwas unwillig.
Ich habe Ursache zu klagen; fuhr ich leise fort, um nicht in eine Art von Zank zu fallen, der so leicht langweilig und widrig, selbst für beide Partheien, werden kann, wenn man einer sehr zärtlichen Aussöhnung nicht äußerst gewiß ist; und dies war hier nicht der Fall: -- Ich habe Ursache zu klagen, sagt' ich, denn ich bleibe hier in dieser öden langweiligen Welt zurück, ich verliehre einen Freund, der mir in so kurzer Zeit sehr viel werth geworden ist.
Der Abend und die Einſamkeit luden zu man- cherlei Traͤumen ein; ich ſah’ es, wie Lovell ſchwer ſeufzte und ein Geheimniß auf dem Her- zen hatte.
»An dieſe Abende, fing er endlich an, ich ahnde es itzt, werd’ ich in der Zukunft oft mit Schmerzen zuruͤckdenken.»
Mit Schmerzen? — Sie verlaſſen uns alſo ungern?
»Und Sie koͤnnen noch fragen?»
Sie werden neue Freunde und ſchoͤnere Ge- genden finden, und uͤber die letztern die erſtern vergeſſen.
»Sie quaͤlen mich!» rief er nach einer klei- nen Pauſe etwas unwillig.
Ich habe Urſache zu klagen; fuhr ich leiſe fort, um nicht in eine Art von Zank zu fallen, der ſo leicht langweilig und widrig, ſelbſt fuͤr beide Partheien, werden kann, wenn man einer ſehr zaͤrtlichen Ausſoͤhnung nicht aͤußerſt gewiß iſt; und dies war hier nicht der Fall: — Ich habe Urſache zu klagen, ſagt’ ich, denn ich bleibe hier in dieſer oͤden langweiligen Welt zuruͤck, ich verliehre einen Freund, der mir in ſo kurzer Zeit ſehr viel werth geworden iſt.
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[142[140]/0150]
Der Abend und die Einſamkeit luden zu man-
cherlei Traͤumen ein; ich ſah’ es, wie Lovell
ſchwer ſeufzte und ein Geheimniß auf dem Her-
zen hatte.
»An dieſe Abende, fing er endlich an, ich
ahnde es itzt, werd’ ich in der Zukunft oft
mit Schmerzen zuruͤckdenken.»
Mit Schmerzen? — Sie verlaſſen uns alſo
ungern?
»Und Sie koͤnnen noch fragen?»
Sie werden neue Freunde und ſchoͤnere Ge-
genden finden, und uͤber die letztern die erſtern
vergeſſen.
»Sie quaͤlen mich!» rief er nach einer klei-
nen Pauſe etwas unwillig.
Ich habe Urſache zu klagen; fuhr ich leiſe
fort, um nicht in eine Art von Zank zu fallen,
der ſo leicht langweilig und widrig, ſelbſt fuͤr
beide Partheien, werden kann, wenn man einer
ſehr zaͤrtlichen Ausſoͤhnung nicht aͤußerſt gewiß
iſt; und dies war hier nicht der Fall: — Ich
habe Urſache zu klagen, ſagt’ ich, denn ich bleibe
hier in dieſer oͤden langweiligen Welt zuruͤck,
ich verliehre einen Freund, der mir in ſo kurzer
Zeit ſehr viel werth geworden iſt.
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 142[140]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/150>, abgerufen am 24.11.2024.
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