festzuhalten. So ist meine Reise eine ununter- brochene Trunkenheit, alle meine Sinne sind be- ständig berauscht, -- o dies rasche Wandeln durch die schöne Welt gewährt einen hohen Ge- nuß, man lebt hier in einem Tage oft mehr als in der engen, häuslichen Eingeschränktheit in einem Monathe. Schon als Kind, wenn ich vor dem Landhause meines Vaters stand und über die fernen Berge hinwegsah und ganz am Ende des blauen Horizontes eine Windmühle entdeckte: so war mir's, als wenn sie mich mit ihrer Bewegung zu sich winkte, das Blut strömte mir schneller zum Herzen, mein Geist flog zur fernen Gegend hin, eine fremde Sehn- sucht füllte oft mein Auge mit Thränen. -- Wie schlug mir dann das Herz, wenn ein Post- horn über den Wald ertönte und ein Wagen vom Abhange des Berges fuhr! -- Am Abend ging ich traurig und mit trüber Seele in mein Zimmer zurück; meine Gedanken kehrten ungern aus den fernen, fremden Gegenden wieder, die bekannte Heimath umher drückte meinen Geist zu Boden. Wenn ich an jene Empfindungen meiner Kindheit zurückdenke, so empfind' ich meine itzige glückliche Lage um so lebhafter; ich
feſtzuhalten. So iſt meine Reiſe eine ununter- brochene Trunkenheit, alle meine Sinne ſind be- ſtaͤndig berauſcht, — o dies raſche Wandeln durch die ſchoͤne Welt gewaͤhrt einen hohen Ge- nuß, man lebt hier in einem Tage oft mehr als in der engen, haͤuslichen Eingeſchraͤnktheit in einem Monathe. Schon als Kind, wenn ich vor dem Landhauſe meines Vaters ſtand und uͤber die fernen Berge hinwegſah und ganz am Ende des blauen Horizontes eine Windmuͤhle entdeckte: ſo war mir’s, als wenn ſie mich mit ihrer Bewegung zu ſich winkte, das Blut ſtroͤmte mir ſchneller zum Herzen, mein Geiſt flog zur fernen Gegend hin, eine fremde Sehn- ſucht fuͤllte oft mein Auge mit Thraͤnen. — Wie ſchlug mir dann das Herz, wenn ein Poſt- horn uͤber den Wald ertoͤnte und ein Wagen vom Abhange des Berges fuhr! — Am Abend ging ich traurig und mit truͤber Seele in mein Zimmer zuruͤck; meine Gedanken kehrten ungern aus den fernen, fremden Gegenden wieder, die bekannte Heimath umher druͤckte meinen Geiſt zu Boden. Wenn ich an jene Empfindungen meiner Kindheit zuruͤckdenke, ſo empfind’ ich meine itzige gluͤckliche Lage um ſo lebhafter; ich
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[230[228]/0238]
feſtzuhalten. So iſt meine Reiſe eine ununter-
brochene Trunkenheit, alle meine Sinne ſind be-
ſtaͤndig berauſcht, — o dies raſche Wandeln
durch die ſchoͤne Welt gewaͤhrt einen hohen Ge-
nuß, man lebt hier in einem Tage oft mehr
als in der engen, haͤuslichen Eingeſchraͤnktheit
in einem Monathe. Schon als Kind, wenn ich
vor dem Landhauſe meines Vaters ſtand und
uͤber die fernen Berge hinwegſah und ganz am
Ende des blauen Horizontes eine Windmuͤhle
entdeckte: ſo war mir’s, als wenn ſie mich mit
ihrer Bewegung zu ſich winkte, das Blut
ſtroͤmte mir ſchneller zum Herzen, mein Geiſt
flog zur fernen Gegend hin, eine fremde Sehn-
ſucht fuͤllte oft mein Auge mit Thraͤnen. —
Wie ſchlug mir dann das Herz, wenn ein Poſt-
horn uͤber den Wald ertoͤnte und ein Wagen
vom Abhange des Berges fuhr! — Am Abend
ging ich traurig und mit truͤber Seele in mein
Zimmer zuruͤck; meine Gedanken kehrten ungern
aus den fernen, fremden Gegenden wieder, die
bekannte Heimath umher druͤckte meinen Geiſt
zu Boden. Wenn ich an jene Empfindungen
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meine itzige gluͤckliche Lage um ſo lebhafter; ich
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 230[228]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/238>, abgerufen am 21.11.2024.
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