ne ging sehr schön unter und ich ließ den Wa- gen fahren, um durch einen Umweg nach dem Thore zu kommen. Ich gehe seitwärts und ent- ferne mich immer mehr von der großen Straße; plötzlich seh ich in einiger Entfernung von mir zwey Gestalten in einem tiefen Gespräche vor- übergehn, -- o Eduard! und ich wünschte, der Boden möchte unter mir brechen, -- es war Rosa, Rosa am Arme jenes fürchterlichen Un- geheuers! jenes entsetzlichen Gespenstes, das hohl und leise hinter mir geht und sich der Fäden bemeistert hat, an denen es mein Schicksal lenkt. -- Es ist kein Mensch, Eduard, denn so hat noch nie ein Mensch ausgesehn, -- und Rosa, Rosa der Vertraute meines Herzens, dem ich meine Seele aufzubewahren gegeben hatte, an seinem Arme! Im vertrauten freund- lichen Gespräche mit ihm! -- Meine Liebe und mein Abscheu gehn mir Arm in Arm vorüber und die Zukunft öffnet sich mir, wie mit einem gewal- tigen Risse und ich sehe tief, tief hinunter nichts als Unglück und Gräßlichkeiten.
O Eduard! wer könnte dabei kalt und ge- lassen bleiben? Von diesem Augenblicke ist mir Rosa ein fremdes Wesen geworden, Rom ist
Y 2
ne ging ſehr ſchoͤn unter und ich ließ den Wa- gen fahren, um durch einen Umweg nach dem Thore zu kommen. Ich gehe ſeitwaͤrts und ent- ferne mich immer mehr von der großen Straße; ploͤtzlich ſeh ich in einiger Entfernung von mir zwey Geſtalten in einem tiefen Geſpraͤche vor- uͤbergehn, — o Eduard! und ich wuͤnſchte, der Boden moͤchte unter mir brechen, — es war Roſa, Roſa am Arme jenes fuͤrchterlichen Un- geheuers! jenes entſetzlichen Geſpenſtes, das hohl und leiſe hinter mir geht und ſich der Faͤden bemeiſtert hat, an denen es mein Schickſal lenkt. — Es iſt kein Menſch, Eduard, denn ſo hat noch nie ein Menſch ausgeſehn, — und Roſa, Roſa der Vertraute meines Herzens, dem ich meine Seele aufzubewahren gegeben hatte, an ſeinem Arme! Im vertrauten freund- lichen Geſpraͤche mit ihm! — Meine Liebe und mein Abſcheu gehn mir Arm in Arm voruͤber und die Zukunft oͤffnet ſich mir, wie mit einem gewal- tigen Riſſe und ich ſehe tief, tief hinunter nichts als Ungluͤck und Graͤßlichkeiten.
O Eduard! wer koͤnnte dabei kalt und ge- laſſen bleiben? Von dieſem Augenblicke iſt mir Roſa ein fremdes Weſen geworden, Rom iſt
Y 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0347"n="339[337]"/>
ne ging ſehr ſchoͤn unter und ich ließ den Wa-<lb/>
gen fahren, um durch einen Umweg nach dem<lb/>
Thore zu kommen. Ich gehe ſeitwaͤrts und ent-<lb/>
ferne mich immer mehr von der großen Straße;<lb/>
ploͤtzlich ſeh ich in einiger Entfernung von mir<lb/>
zwey Geſtalten in einem tiefen Geſpraͤche vor-<lb/>
uͤbergehn, — o Eduard! und ich wuͤnſchte, der<lb/>
Boden moͤchte unter mir brechen, — es war<lb/>
Roſa, <hirendition="#g">Roſa</hi> am Arme jenes fuͤrchterlichen Un-<lb/>
geheuers! jenes entſetzlichen Geſpenſtes, das hohl<lb/>
und leiſe hinter mir geht und ſich der Faͤden<lb/>
bemeiſtert hat, an denen es mein Schickſal<lb/>
lenkt. — Es iſt kein Menſch, Eduard, denn <hirendition="#g">ſo</hi><lb/>
hat noch nie ein Menſch ausgeſehn, — und<lb/><hirendition="#g">Roſa, Roſa</hi> der Vertraute meines Herzens,<lb/>
dem ich meine Seele aufzubewahren gegeben<lb/>
hatte, an ſeinem Arme! Im vertrauten freund-<lb/>
lichen Geſpraͤche mit ihm! — Meine Liebe und<lb/>
mein Abſcheu gehn mir Arm in Arm voruͤber und<lb/>
die Zukunft oͤffnet ſich mir, wie mit einem gewal-<lb/>
tigen Riſſe und ich ſehe tief, tief hinunter nichts<lb/>
als Ungluͤck und Graͤßlichkeiten.</p><lb/><p>O Eduard! wer koͤnnte dabei kalt und ge-<lb/>
laſſen bleiben? Von dieſem Augenblicke iſt mir<lb/>
Roſa ein fremdes Weſen geworden, Rom iſt<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[339[337]/0347]
ne ging ſehr ſchoͤn unter und ich ließ den Wa-
gen fahren, um durch einen Umweg nach dem
Thore zu kommen. Ich gehe ſeitwaͤrts und ent-
ferne mich immer mehr von der großen Straße;
ploͤtzlich ſeh ich in einiger Entfernung von mir
zwey Geſtalten in einem tiefen Geſpraͤche vor-
uͤbergehn, — o Eduard! und ich wuͤnſchte, der
Boden moͤchte unter mir brechen, — es war
Roſa, Roſa am Arme jenes fuͤrchterlichen Un-
geheuers! jenes entſetzlichen Geſpenſtes, das hohl
und leiſe hinter mir geht und ſich der Faͤden
bemeiſtert hat, an denen es mein Schickſal
lenkt. — Es iſt kein Menſch, Eduard, denn ſo
hat noch nie ein Menſch ausgeſehn, — und
Roſa, Roſa der Vertraute meines Herzens,
dem ich meine Seele aufzubewahren gegeben
hatte, an ſeinem Arme! Im vertrauten freund-
lichen Geſpraͤche mit ihm! — Meine Liebe und
mein Abſcheu gehn mir Arm in Arm voruͤber und
die Zukunft oͤffnet ſich mir, wie mit einem gewal-
tigen Riſſe und ich ſehe tief, tief hinunter nichts
als Ungluͤck und Graͤßlichkeiten.
O Eduard! wer koͤnnte dabei kalt und ge-
laſſen bleiben? Von dieſem Augenblicke iſt mir
Roſa ein fremdes Weſen geworden, Rom iſt
Y 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 339[337]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/347>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.