34. Amalie Wilmont an ihre Freundinn Emilie Burton.
London.
Mein Schicksal ist entschieden! -- William hat dem Vater seine Liebe entdeckt, und -- ach, Emilie, Thränen sind auf diese Stelle hinabge- fallen, die deutlich genug sprechen. -- Ein kal- ter Schauder überfällt mich, wenn ich daran denke, daß es nun entschieden ist; ent- schieden was ich immer fürchtete, aber das Endurtheil immer noch weit, weit, von einem Monathe zum andern hinausschob. Nun ist endlich so plötzlich die Stunde hereingebrochen, die unbarmherzig alles zu Boden schlägt und auch keiner einzigen Hofnung Raum zum Wach- sen übrig läßt. -- Ach Emilie, Freundinn! -- Keinen Trost, denn ich verstehe ihn nicht, da Sie nicht meinen Schmerz verstehn, schenken Sie mir eine Thräne und mehr will ich nicht. -- Sehn Sie, daß Sie Unrecht thaten, mir zuweilen meine schwarzen Ahndungen abzuläug- nen! O meine Liebe sah über die Zukunft hin-
34. Amalie Wilmont an ihre Freundinn Emilie Burton.
London.
Mein Schickſal iſt entſchieden! — William hat dem Vater ſeine Liebe entdeckt, und — ach, Emilie, Thraͤnen ſind auf dieſe Stelle hinabge- fallen, die deutlich genug ſprechen. — Ein kal- ter Schauder uͤberfaͤllt mich, wenn ich daran denke, daß es nun entſchieden iſt; ent- ſchieden was ich immer fuͤrchtete, aber das Endurtheil immer noch weit, weit, von einem Monathe zum andern hinausſchob. Nun iſt endlich ſo ploͤtzlich die Stunde hereingebrochen, die unbarmherzig alles zu Boden ſchlaͤgt und auch keiner einzigen Hofnung Raum zum Wach- ſen uͤbrig laͤßt. — Ach Emilie, Freundinn! — Keinen Troſt, denn ich verſtehe ihn nicht, da Sie nicht meinen Schmerz verſtehn, ſchenken Sie mir eine Thraͤne und mehr will ich nicht. — Sehn Sie, daß Sie Unrecht thaten, mir zuweilen meine ſchwarzen Ahndungen abzulaͤug- nen! O meine Liebe ſah uͤber die Zukunft hin-
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34.
Amalie Wilmont an ihre Freundinn
Emilie Burton.
London.
Mein Schickſal iſt entſchieden! — William
hat dem Vater ſeine Liebe entdeckt, und — ach,
Emilie, Thraͤnen ſind auf dieſe Stelle hinabge-
fallen, die deutlich genug ſprechen. — Ein kal-
ter Schauder uͤberfaͤllt mich, wenn ich daran
denke, daß es nun entſchieden iſt; ent-
ſchieden was ich immer fuͤrchtete, aber das
Endurtheil immer noch weit, weit, von einem
Monathe zum andern hinausſchob. Nun iſt
endlich ſo ploͤtzlich die Stunde hereingebrochen,
die unbarmherzig alles zu Boden ſchlaͤgt und
auch keiner einzigen Hofnung Raum zum Wach-
ſen uͤbrig laͤßt. — Ach Emilie, Freundinn! —
Keinen Troſt, denn ich verſtehe ihn nicht, da
Sie nicht meinen Schmerz verſtehn, ſchenken
Sie mir eine Thraͤne und mehr will ich nicht.
— Sehn Sie, daß Sie Unrecht thaten, mir
zuweilen meine ſchwarzen Ahndungen abzulaͤug-
nen! O meine Liebe ſah uͤber die Zukunft hin-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 356[354]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/364>, abgerufen am 24.11.2024.
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