Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
8.
Amalie Wilmont an ihren Bruder Karl
Wilmont.


Ich bin gestern in London angekommen, das
Gewühl der Stadt, das Geräusch der Wagen
und die lärmende Munterkeit kontrastirte sehr
mit der Ruhe des Landes, die ich so eben ver-
ließ. -- Es war traurig, wieder in die Straßen
hineinzufahren, die ich so freudig verlassen
hatte, mir war es, als wären es die Mauern
eines großen Gefängnisses.

Seitdem hab' ich oft an Dich und an mei-
nen schönen Aufenthalt in Bonstreet gedacht.
Die Gegend war doch sehr angenehm, die klei-
ne Gesellschaft so zutraulich, man war mit je-
dem Gefühle und Gedanken des andern vertraut,
alle machten gleichsam nur eine Seele, -- und
alles das im Glanze der Frühlingssonne, die so
lieblich auf uns herabschien, -- ach, ich bin
vielleicht in sehr langer Zeit nicht wieder so
vergnügt.


8.
Amalie Wilmont an ihren Bruder Karl
Wilmont.


Ich bin geſtern in London angekommen, das
Gewuͤhl der Stadt, das Geraͤuſch der Wagen
und die laͤrmende Munterkeit kontraſtirte ſehr
mit der Ruhe des Landes, die ich ſo eben ver-
ließ. — Es war traurig, wieder in die Straßen
hineinzufahren, die ich ſo freudig verlaſſen
hatte, mir war es, als waͤren es die Mauern
eines großen Gefaͤngniſſes.

Seitdem hab’ ich oft an Dich und an mei-
nen ſchoͤnen Aufenthalt in Bonſtreet gedacht.
Die Gegend war doch ſehr angenehm, die klei-
ne Geſellſchaft ſo zutraulich, man war mit je-
dem Gefuͤhle und Gedanken des andern vertraut,
alle machten gleichſam nur eine Seele, — und
alles das im Glanze der Fruͤhlingsſonne, die ſo
lieblich auf uns herabſchien, — ach, ich bin
vielleicht in ſehr langer Zeit nicht wieder ſo
vergnuͤgt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0051" n="43[41]"/>
        <div n="2">
          <head>8.<lb/>
Amalie Wilmont an ihren Bruder Karl<lb/>
Wilmont.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">London.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>ch bin ge&#x017F;tern in London angekommen, das<lb/>
Gewu&#x0364;hl der Stadt, das Gera&#x0364;u&#x017F;ch der Wagen<lb/>
und die la&#x0364;rmende Munterkeit kontra&#x017F;tirte &#x017F;ehr<lb/>
mit der Ruhe des Landes, die ich &#x017F;o eben ver-<lb/>
ließ. &#x2014; Es war traurig, wieder in die Straßen<lb/>
hineinzufahren, die ich &#x017F;o freudig verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatte, mir war es, als wa&#x0364;ren es die Mauern<lb/>
eines großen Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;es.</p><lb/>
          <p>Seitdem hab&#x2019; ich oft an Dich und an mei-<lb/>
nen &#x017F;cho&#x0364;nen Aufenthalt in Bon&#x017F;treet gedacht.<lb/>
Die Gegend war doch &#x017F;ehr angenehm, die klei-<lb/>
ne Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;o zutraulich, man war mit je-<lb/>
dem Gefu&#x0364;hle und Gedanken des andern vertraut,<lb/>
alle machten gleich&#x017F;am nur <hi rendition="#g">eine</hi> Seele, &#x2014; und<lb/>
alles das im Glanze der Fru&#x0364;hlings&#x017F;onne, die &#x017F;o<lb/>
lieblich auf uns herab&#x017F;chien, &#x2014; ach, ich bin<lb/>
vielleicht in &#x017F;ehr langer Zeit nicht wieder &#x017F;o<lb/>
vergnu&#x0364;gt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43[41]/0051] 8. Amalie Wilmont an ihren Bruder Karl Wilmont. London. Ich bin geſtern in London angekommen, das Gewuͤhl der Stadt, das Geraͤuſch der Wagen und die laͤrmende Munterkeit kontraſtirte ſehr mit der Ruhe des Landes, die ich ſo eben ver- ließ. — Es war traurig, wieder in die Straßen hineinzufahren, die ich ſo freudig verlaſſen hatte, mir war es, als waͤren es die Mauern eines großen Gefaͤngniſſes. Seitdem hab’ ich oft an Dich und an mei- nen ſchoͤnen Aufenthalt in Bonſtreet gedacht. Die Gegend war doch ſehr angenehm, die klei- ne Geſellſchaft ſo zutraulich, man war mit je- dem Gefuͤhle und Gedanken des andern vertraut, alle machten gleichſam nur eine Seele, — und alles das im Glanze der Fruͤhlingsſonne, die ſo lieblich auf uns herabſchien, — ach, ich bin vielleicht in ſehr langer Zeit nicht wieder ſo vergnuͤgt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/51
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 43[41]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/51>, abgerufen am 21.11.2024.