schönste Chaussee von der Welt vor sich! Mein Herr und Herr Rosa bilden sich immer ein, ich verstehe ihre hohen freigeisterischen Reden gar nicht, die sie manchmal führen, wenn ich dabey bin. -- Ach, ich verstehe alles recht gut, wie sie es gerne mögen wollen; wenn man in seinem dummen einfältigen Herzen den Gedanken an Gott, und den Glauben an ihn so recht warm und kräftiglich fühlt, so faßt man auch recht gut den Sinn von all' den irdischen Irrlehrern, die in der Finsterniß wandeln, und da aus den Händen ihre Augen machen müssen. -- -- Aber wir sind besser dran, Thomas, die wir vom Herrn erleuchtet sind, wir sehn mit unsern ei- genen Augen, wir fühlen mit unserm eigenen Herzen, die Gott uns mit auf die Welt gab und seinen Stempel drein setzte: sie haben nach- gemachte Herzen, die im Sturm und Ungewit- ter nicht ausdauern, die in der Hitze zergehen und in der Kälte zusammenschrumpfen. Gott hat mir einen Glauben gegeben, der für alle Tage in der Woche aushält, und des Sonntags schenkt er mir zuweilen noch eine fromme christ- liche Erleuchtung, daß es mir wie ein Magnet durch meine Seele geht und sie wieder jung und
ſchoͤnſte Chauſſee von der Welt vor ſich! Mein Herr und Herr Roſa bilden ſich immer ein, ich verſtehe ihre hohen freigeiſteriſchen Reden gar nicht, die ſie manchmal fuͤhren, wenn ich dabey bin. — Ach, ich verſtehe alles recht gut, wie ſie es gerne moͤgen wollen; wenn man in ſeinem dummen einfaͤltigen Herzen den Gedanken an Gott, und den Glauben an ihn ſo recht warm und kraͤftiglich fuͤhlt, ſo faßt man auch recht gut den Sinn von all’ den irdiſchen Irrlehrern, die in der Finſterniß wandeln, und da aus den Haͤnden ihre Augen machen muͤſſen. — — Aber wir ſind beſſer dran, Thomas, die wir vom Herrn erleuchtet ſind, wir ſehn mit unſern ei- genen Augen, wir fuͤhlen mit unſerm eigenen Herzen, die Gott uns mit auf die Welt gab und ſeinen Stempel drein ſetzte: ſie haben nach- gemachte Herzen, die im Sturm und Ungewit- ter nicht ausdauern, die in der Hitze zergehen und in der Kaͤlte zuſammenſchrumpfen. Gott hat mir einen Glauben gegeben, der fuͤr alle Tage in der Woche aushaͤlt, und des Sonntags ſchenkt er mir zuweilen noch eine fromme chriſt- liche Erleuchtung, daß es mir wie ein Magnet durch meine Seele geht und ſie wieder jung und
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ſchoͤnſte Chauſſee von der Welt vor ſich! Mein
Herr und Herr Roſa bilden ſich immer ein, ich
verſtehe ihre hohen freigeiſteriſchen Reden gar
nicht, die ſie manchmal fuͤhren, wenn ich dabey
bin. — Ach, ich verſtehe alles recht gut, wie
ſie es gerne moͤgen wollen; wenn man in ſeinem
dummen einfaͤltigen Herzen den Gedanken an
Gott, und den Glauben an ihn ſo recht warm
und kraͤftiglich fuͤhlt, ſo faßt man auch recht
gut den Sinn von all’ den irdiſchen Irrlehrern,
die in der Finſterniß wandeln, und da aus den
Haͤnden ihre Augen machen muͤſſen. — — Aber
wir ſind beſſer dran, Thomas, die wir vom
Herrn erleuchtet ſind, wir ſehn mit unſern ei-
genen Augen, wir fuͤhlen mit unſerm eigenen
Herzen, die Gott uns mit auf die Welt gab
und ſeinen Stempel drein ſetzte: ſie haben nach-
gemachte Herzen, die im Sturm und Ungewit-
ter nicht ausdauern, die in der Hitze zergehen
und in der Kaͤlte zuſammenſchrumpfen. Gott
hat mir einen Glauben gegeben, der fuͤr alle
Tage in der Woche aushaͤlt, und des Sonntags
ſchenkt er mir zuweilen noch eine fromme chriſt-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/15>, abgerufen am 21.11.2024.
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