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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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wirrten Wirbel hinein werfen lassen, wie ich
jetzt alles sehe. Der Künstler wirft oft eine
wunderbare Erleuchtung in unsre Seele, indem
er längst bekannte und oft gesehene Gegenstände
in seinem Gemählde so ordnet und zusammen
stellt, ein eignes Kolorit und seltsame Zufällig-
keiten hinzufügt, daß seine Darstellung eine neue
und wundersame Bedeutung erhält. Aber für
meine Gefühle und Ideen hat die gewöhnliche
Sprache, das fühl' ich, gar keine Worte, ich
müßte eine Art von Gedicht schreiben, um Dich
etwas näher in meine Atmosphäre zu ziehn, so
wie vielleicht alles recht Gute und Verständige
immer ein Gedicht seyn müßte, weil das, was
den Menschen ganz befriedigen soll, sein Gefühl
und seinen Verstand zugleich ausfüllen muß.
Reine Sätze der Vernunft auf die gründlichste
Weise hintereinander gestellt, lassen die größere
Hälfte im Menschen leer, und noch Niemand
ist auf diese Weise geändert oder gebessert wor-
den. Könnt' ich Dir doch, wie durch tausend
Hohlspiegel, das Bild so zuwerfen, wie ich es
vor mir sehe, o William, Du würdest es nicht
der Mühe werth finden zu leben, alles das tief
verachten, was die gewöhnlichen Menschen Fröh-

lichkeit

wirrten Wirbel hinein werfen laſſen, wie ich
jetzt alles ſehe. Der Kuͤnſtler wirft oft eine
wunderbare Erleuchtung in unſre Seele, indem
er laͤngſt bekannte und oft geſehene Gegenſtaͤnde
in ſeinem Gemaͤhlde ſo ordnet und zuſammen
ſtellt, ein eignes Kolorit und ſeltſame Zufaͤllig-
keiten hinzufuͤgt, daß ſeine Darſtellung eine neue
und wunderſame Bedeutung erhaͤlt. Aber fuͤr
meine Gefuͤhle und Ideen hat die gewoͤhnliche
Sprache, das fuͤhl’ ich, gar keine Worte, ich
muͤßte eine Art von Gedicht ſchreiben, um Dich
etwas naͤher in meine Atmosphaͤre zu ziehn, ſo
wie vielleicht alles recht Gute und Verſtaͤndige
immer ein Gedicht ſeyn muͤßte, weil das, was
den Menſchen ganz befriedigen ſoll, ſein Gefuͤhl
und ſeinen Verſtand zugleich ausfuͤllen muß.
Reine Saͤtze der Vernunft auf die gruͤndlichſte
Weiſe hintereinander geſtellt, laſſen die groͤßere
Haͤlfte im Menſchen leer, und noch Niemand
iſt auf dieſe Weiſe geaͤndert oder gebeſſert wor-
den. Koͤnnt’ ich Dir doch, wie durch tauſend
Hohlſpiegel, das Bild ſo zuwerfen, wie ich es
vor mir ſehe, o William, Du wuͤrdeſt es nicht
der Muͤhe werth finden zu leben, alles das tief
verachten, was die gewoͤhnlichen Menſchen Froͤh-

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[224/0230] wirrten Wirbel hinein werfen laſſen, wie ich jetzt alles ſehe. Der Kuͤnſtler wirft oft eine wunderbare Erleuchtung in unſre Seele, indem er laͤngſt bekannte und oft geſehene Gegenſtaͤnde in ſeinem Gemaͤhlde ſo ordnet und zuſammen ſtellt, ein eignes Kolorit und ſeltſame Zufaͤllig- keiten hinzufuͤgt, daß ſeine Darſtellung eine neue und wunderſame Bedeutung erhaͤlt. Aber fuͤr meine Gefuͤhle und Ideen hat die gewoͤhnliche Sprache, das fuͤhl’ ich, gar keine Worte, ich muͤßte eine Art von Gedicht ſchreiben, um Dich etwas naͤher in meine Atmosphaͤre zu ziehn, ſo wie vielleicht alles recht Gute und Verſtaͤndige immer ein Gedicht ſeyn muͤßte, weil das, was den Menſchen ganz befriedigen ſoll, ſein Gefuͤhl und ſeinen Verſtand zugleich ausfuͤllen muß. Reine Saͤtze der Vernunft auf die gruͤndlichſte Weiſe hintereinander geſtellt, laſſen die groͤßere Haͤlfte im Menſchen leer, und noch Niemand iſt auf dieſe Weiſe geaͤndert oder gebeſſert wor- den. Koͤnnt’ ich Dir doch, wie durch tauſend Hohlſpiegel, das Bild ſo zuwerfen, wie ich es vor mir ſehe, o William, Du wuͤrdeſt es nicht der Muͤhe werth finden zu leben, alles das tief verachten, was die gewoͤhnlichen Menſchen Froͤh- lichkeit

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/230>, abgerufen am 23.11.2024.