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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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12.
Karl Willmont an Emilie Burton.


Erschrecken Sie nicht, ums Himmels willen
nicht, theuerste Freundinn, wenn Sie diesen
Brief eröffnen und die Unterschrift gewahr wer-
den; lesen Sie ihn lieber zu Ende, und thun
Sie, als wüßten Sie nicht von wem er käme;
o erstaunen Sie wenigstens so sehr, daß Sie in
Gedanken immer weiter lesen, und sich nur
beym Schlusse von Ihrer Verwunderung erho-
len können. Hören Sie mich wider Ihren Wil-
len, so wie ich wider meinen Willen unaufhör-
lich an Sie denken muß. -- Und doch, --
was werde ich Ihnen nun sagen? -- Meine
Feder und mein Kopf stockt; ich hatte keine
Ruhe, ich wurde hin- und hergetrieben, und
eine unbekannte Gewalt mahnte mich, an Sie
zu schreiben, -- nun gut, und hier sitze ich,
und weiß wahrhaftig nicht eine Sylbe, nach-
dem ich den Anfang niedergeschrieben habe. --

Meine Gedanken wandern von Osten nach
Westen und von Süden nach Norden, und gehn

12.
Karl Willmont an Emilie Burton.


Erſchrecken Sie nicht, ums Himmels willen
nicht, theuerſte Freundinn, wenn Sie dieſen
Brief eroͤffnen und die Unterſchrift gewahr wer-
den; leſen Sie ihn lieber zu Ende, und thun
Sie, als wuͤßten Sie nicht von wem er kaͤme;
o erſtaunen Sie wenigſtens ſo ſehr, daß Sie in
Gedanken immer weiter leſen, und ſich nur
beym Schluſſe von Ihrer Verwunderung erho-
len koͤnnen. Hoͤren Sie mich wider Ihren Wil-
len, ſo wie ich wider meinen Willen unaufhoͤr-
lich an Sie denken muß. — Und doch, —
was werde ich Ihnen nun ſagen? — Meine
Feder und mein Kopf ſtockt; ich hatte keine
Ruhe, ich wurde hin- und hergetrieben, und
eine unbekannte Gewalt mahnte mich, an Sie
zu ſchreiben, — nun gut, und hier ſitze ich,
und weiß wahrhaftig nicht eine Sylbe, nach-
dem ich den Anfang niedergeſchrieben habe. —

Meine Gedanken wandern von Oſten nach
Weſten und von Suͤden nach Norden, und gehn

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[271/0277] 12. Karl Willmont an Emilie Burton. Roger—place. Erſchrecken Sie nicht, ums Himmels willen nicht, theuerſte Freundinn, wenn Sie dieſen Brief eroͤffnen und die Unterſchrift gewahr wer- den; leſen Sie ihn lieber zu Ende, und thun Sie, als wuͤßten Sie nicht von wem er kaͤme; o erſtaunen Sie wenigſtens ſo ſehr, daß Sie in Gedanken immer weiter leſen, und ſich nur beym Schluſſe von Ihrer Verwunderung erho- len koͤnnen. Hoͤren Sie mich wider Ihren Wil- len, ſo wie ich wider meinen Willen unaufhoͤr- lich an Sie denken muß. — Und doch, — was werde ich Ihnen nun ſagen? — Meine Feder und mein Kopf ſtockt; ich hatte keine Ruhe, ich wurde hin- und hergetrieben, und eine unbekannte Gewalt mahnte mich, an Sie zu ſchreiben, — nun gut, und hier ſitze ich, und weiß wahrhaftig nicht eine Sylbe, nach- dem ich den Anfang niedergeſchrieben habe. — Meine Gedanken wandern von Oſten nach Weſten und von Suͤden nach Norden, und gehn

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/277>, abgerufen am 21.11.2024.