Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Als ich mich etwas genauer umsah, entdeck-
te ich bald mehrere Bekannte, die mit mir
Nächte durchschwärmt, oder beym Spiele durch-
wacht hatten. Sie kennen ja auch den launi-
gen witzigen Francesco, der uns mit seinen
Einfällen so oft unterhalten hat, aber in dieser
Gesellschaft war es mir nicht möglich, über ihn
zu lachen, oder einen Spaß von ihm zu fordern,
so ernst und ehrwürdig saß er unter den übri-
gen, von denen manche ihm aufmerksam zuhör-
ten. Adriano, an dessen Einfalt wir uns so
oft belustigt haben, hatte einen großen Zirkel
um sich her versammelt und sprach mit großem
Enthusiasmus und eben so vielem Verstande;
ich konnte nicht müde werden ihn anzuhören,
und mich über meinen bisherigen Irrthum zu
verwundern. Es war mir, als wäre ich plötz-
lich in die Gesellschaft von abgeschiedenen Gei-
stern entrückt, die im Tode alles Irrdische von
sich werfen, und selbst ihren Brüdern unkennt-
lich sind. -- Alle begegneten dem alten Andrea
mit der ausgezeichnetsten Achtung, alle beugten
sich vor ihm, wie vor einem höheren Wesen,
und meine Ehrfurcht vor meinem alten Freun-
de ward dadurch nur um so größer.


Es

Als ich mich etwas genauer umſah, entdeck-
te ich bald mehrere Bekannte, die mit mir
Naͤchte durchſchwaͤrmt, oder beym Spiele durch-
wacht hatten. Sie kennen ja auch den launi-
gen witzigen Francesco, der uns mit ſeinen
Einfaͤllen ſo oft unterhalten hat, aber in dieſer
Geſellſchaft war es mir nicht moͤglich, uͤber ihn
zu lachen, oder einen Spaß von ihm zu fordern,
ſo ernſt und ehrwuͤrdig ſaß er unter den uͤbri-
gen, von denen manche ihm aufmerkſam zuhoͤr-
ten. Adriano, an deſſen Einfalt wir uns ſo
oft beluſtigt haben, hatte einen großen Zirkel
um ſich her verſammelt und ſprach mit großem
Enthuſiasmus und eben ſo vielem Verſtande;
ich konnte nicht muͤde werden ihn anzuhoͤren,
und mich uͤber meinen bisherigen Irrthum zu
verwundern. Es war mir, als waͤre ich ploͤtz-
lich in die Geſellſchaft von abgeſchiedenen Gei-
ſtern entruͤckt, die im Tode alles Irrdiſche von
ſich werfen, und ſelbſt ihren Bruͤdern unkennt-
lich ſind. — Alle begegneten dem alten Andrea
mit der ausgezeichnetſten Achtung, alle beugten
ſich vor ihm, wie vor einem hoͤheren Weſen,
und meine Ehrfurcht vor meinem alten Freun-
de ward dadurch nur um ſo groͤßer.


Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0310" n="304"/>
          <p>Als ich mich etwas genauer um&#x017F;ah, entdeck-<lb/>
te ich bald mehrere Bekannte, die mit mir<lb/>
Na&#x0364;chte durch&#x017F;chwa&#x0364;rmt, oder beym Spiele durch-<lb/>
wacht hatten. Sie kennen ja auch den launi-<lb/>
gen witzigen <hi rendition="#g">Francesco</hi>, der uns mit &#x017F;einen<lb/>
Einfa&#x0364;llen &#x017F;o oft unterhalten hat, aber in die&#x017F;er<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft war es mir nicht mo&#x0364;glich, u&#x0364;ber ihn<lb/>
zu lachen, oder einen Spaß von ihm zu fordern,<lb/>
&#x017F;o ern&#x017F;t und ehrwu&#x0364;rdig &#x017F;aß er unter den u&#x0364;bri-<lb/>
gen, <choice><sic>vou</sic><corr>von</corr></choice> denen manche ihm aufmerk&#x017F;am zuho&#x0364;r-<lb/>
ten. <hi rendition="#g">Adriano</hi>, an de&#x017F;&#x017F;en Einfalt wir uns &#x017F;o<lb/>
oft belu&#x017F;tigt haben, hatte einen großen Zirkel<lb/>
um &#x017F;ich her ver&#x017F;ammelt und &#x017F;prach mit großem<lb/>
Enthu&#x017F;iasmus und eben &#x017F;o vielem Ver&#x017F;tande;<lb/>
ich konnte nicht mu&#x0364;de werden ihn anzuho&#x0364;ren,<lb/>
und mich u&#x0364;ber meinen bisherigen Irrthum zu<lb/>
verwundern. Es war mir, als wa&#x0364;re ich plo&#x0364;tz-<lb/>
lich in die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von abge&#x017F;chiedenen Gei-<lb/>
&#x017F;tern entru&#x0364;ckt, die im Tode alles Irrdi&#x017F;che von<lb/>
&#x017F;ich werfen, und &#x017F;elb&#x017F;t ihren Bru&#x0364;dern unkennt-<lb/>
lich &#x017F;ind. &#x2014; Alle begegneten dem alten Andrea<lb/>
mit der ausgezeichnet&#x017F;ten Achtung, alle beugten<lb/>
&#x017F;ich vor ihm, wie vor einem ho&#x0364;heren We&#x017F;en,<lb/>
und meine Ehrfurcht vor meinem alten Freun-<lb/>
de ward dadurch nur um &#x017F;o gro&#x0364;ßer.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0310] Als ich mich etwas genauer umſah, entdeck- te ich bald mehrere Bekannte, die mit mir Naͤchte durchſchwaͤrmt, oder beym Spiele durch- wacht hatten. Sie kennen ja auch den launi- gen witzigen Francesco, der uns mit ſeinen Einfaͤllen ſo oft unterhalten hat, aber in dieſer Geſellſchaft war es mir nicht moͤglich, uͤber ihn zu lachen, oder einen Spaß von ihm zu fordern, ſo ernſt und ehrwuͤrdig ſaß er unter den uͤbri- gen, von denen manche ihm aufmerkſam zuhoͤr- ten. Adriano, an deſſen Einfalt wir uns ſo oft beluſtigt haben, hatte einen großen Zirkel um ſich her verſammelt und ſprach mit großem Enthuſiasmus und eben ſo vielem Verſtande; ich konnte nicht muͤde werden ihn anzuhoͤren, und mich uͤber meinen bisherigen Irrthum zu verwundern. Es war mir, als waͤre ich ploͤtz- lich in die Geſellſchaft von abgeſchiedenen Gei- ſtern entruͤckt, die im Tode alles Irrdiſche von ſich werfen, und ſelbſt ihren Bruͤdern unkennt- lich ſind. — Alle begegneten dem alten Andrea mit der ausgezeichnetſten Achtung, alle beugten ſich vor ihm, wie vor einem hoͤheren Weſen, und meine Ehrfurcht vor meinem alten Freun- de ward dadurch nur um ſo groͤßer. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/310
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/310>, abgerufen am 16.06.2024.