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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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25.
Rosa an William Lopell.


Sie haben zum Theil recht, lieber Freund.
Ihre Gefühle kann ich auf keine Weise tadeln,
denn ich bin zu gut mit diesen bekannt, aber
lieber Freund, kann denn der große Mensch
nicht das Gröste und Kleinste in sich vereinigen
und liegt nicht eben darinn seine höchste Größe?
Doch ich will lieber abbrechen, denn wir strei-
ten beyde am Ende nur über Worte.

Manche Ihrer Gedanken über Andrea sind
mir aus der Seele geschrieben, in seiner Ge-
genwart fühle ich mich immer wie in der Nähe
eines Ueberirrdischen. Auch manches ist mir be-
gegnet, was ich mir auf keine Art zu erklären
weiß. Als ich neulich mit ihm hier in Tivoli
war, waren wir fast täglich zusammen und un-
ser Gespräch fiel vorzüglich auf den Aberglau-
ben und die wunderbare Welt, vor der unser
Geist so oft steht, und dringend Einlaß begehrt.
Meine Phantasie ward mit jedem Tage mehr
erhitzt, alle meine bisherigen Zweifel verlohren
immer mehr von ihrem Gewicht; Sie können sich

25.
Roſa an William Lopell.


Sie haben zum Theil recht, lieber Freund.
Ihre Gefuͤhle kann ich auf keine Weiſe tadeln,
denn ich bin zu gut mit dieſen bekannt, aber
lieber Freund, kann denn der große Menſch
nicht das Groͤſte und Kleinſte in ſich vereinigen
und liegt nicht eben darinn ſeine hoͤchſte Groͤße?
Doch ich will lieber abbrechen, denn wir ſtrei-
ten beyde am Ende nur uͤber Worte.

Manche Ihrer Gedanken uͤber Andrea ſind
mir aus der Seele geſchrieben, in ſeiner Ge-
genwart fuͤhle ich mich immer wie in der Naͤhe
eines Ueberirrdiſchen. Auch manches iſt mir be-
gegnet, was ich mir auf keine Art zu erklaͤren
weiß. Als ich neulich mit ihm hier in Tivoli
war, waren wir faſt taͤglich zuſammen und un-
ſer Geſpraͤch fiel vorzuͤglich auf den Aberglau-
ben und die wunderbare Welt, vor der unſer
Geiſt ſo oft ſteht, und dringend Einlaß begehrt.
Meine Phantaſie ward mit jedem Tage mehr
erhitzt, alle meine bisherigen Zweifel verlohren
immer mehr von ihrem Gewicht; Sie koͤnnen ſich

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[315/0321] 25. Roſa an William Lopell. Tivoli. Sie haben zum Theil recht, lieber Freund. Ihre Gefuͤhle kann ich auf keine Weiſe tadeln, denn ich bin zu gut mit dieſen bekannt, aber lieber Freund, kann denn der große Menſch nicht das Groͤſte und Kleinſte in ſich vereinigen und liegt nicht eben darinn ſeine hoͤchſte Groͤße? Doch ich will lieber abbrechen, denn wir ſtrei- ten beyde am Ende nur uͤber Worte. Manche Ihrer Gedanken uͤber Andrea ſind mir aus der Seele geſchrieben, in ſeiner Ge- genwart fuͤhle ich mich immer wie in der Naͤhe eines Ueberirrdiſchen. Auch manches iſt mir be- gegnet, was ich mir auf keine Art zu erklaͤren weiß. Als ich neulich mit ihm hier in Tivoli war, waren wir faſt taͤglich zuſammen und un- ſer Geſpraͤch fiel vorzuͤglich auf den Aberglau- ben und die wunderbare Welt, vor der unſer Geiſt ſo oft ſteht, und dringend Einlaß begehrt. Meine Phantaſie ward mit jedem Tage mehr erhitzt, alle meine bisherigen Zweifel verlohren immer mehr von ihrem Gewicht; Sie koͤnnen ſich

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/321>, abgerufen am 22.11.2024.