Ich habe Dich also doch nun wirklich endlich gesehen, und ich bin nun wieder umgekehrt, und sitze und denke hier in Kensea wieder an Dich, wo ich nach dem Willen meines lieben verstorbenen Herrn als ein Verwalter bleiben soll, bis mein Herr William aus Italien zurückkömmt. Wie ist die Zeit und das menschliche Leben doch so gar flüchtig! Es ist nicht anders, als wenn wir nur solche Bilder wären, die auf den Schießplätzen den Schützen oft vorbeygezogen werden, man sieht sie kaum, so sind sie auch schon wieder weg.
Hier leb' ich nun recht ruhig und von der ganzen Welt abgesondert. Ich denke oft an den guten alten Lord Lovell, der nun auch gestor- ben ist, und an alles, was ich so Zeit meines Lebens erfahren habe. Ich bin innerlich recht zur Ruhe gekommen und es ist mir, als wenn ich mich immerfort im Stillen grämte. Das
34. Willy an ſeinen Bruder Thomas.
Kenſen.
Lieber Bruder.
Ich habe Dich alſo doch nun wirklich endlich geſehen, und ich bin nun wieder umgekehrt, und ſitze und denke hier in Kenſea wieder an Dich, wo ich nach dem Willen meines lieben verſtorbenen Herrn als ein Verwalter bleiben ſoll, bis mein Herr William aus Italien zuruͤckkoͤmmt. Wie iſt die Zeit und das menſchliche Leben doch ſo gar fluͤchtig! Es iſt nicht anders, als wenn wir nur ſolche Bilder waͤren, die auf den Schießplaͤtzen den Schuͤtzen oft vorbeygezogen werden, man ſieht ſie kaum, ſo ſind ſie auch ſchon wieder weg.
Hier leb’ ich nun recht ruhig und von der ganzen Welt abgeſondert. Ich denke oft an den guten alten Lord Lovell, der nun auch geſtor- ben iſt, und an alles, was ich ſo Zeit meines Lebens erfahren habe. Ich bin innerlich recht zur Ruhe gekommen und es iſt mir, als wenn ich mich immerfort im Stillen graͤmte. Das
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0362"n="356"/><divn="2"><head>34.<lb/><hirendition="#g">Willy</hi> an ſeinen Bruder <hirendition="#g">Thomas</hi>.</head><lb/><opener><dateline><placeName><hirendition="#right"><hirendition="#g">Kenſen</hi>.</hi></placeName></dateline><lb/><salute>Lieber Bruder.</salute></opener><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>ch habe Dich alſo doch nun wirklich endlich<lb/>
geſehen, und ich bin nun wieder umgekehrt, und<lb/>ſitze und denke hier in Kenſea wieder an Dich, wo<lb/>
ich nach dem Willen meines lieben verſtorbenen<lb/>
Herrn als ein Verwalter bleiben ſoll, bis mein<lb/>
Herr William aus Italien zuruͤckkoͤmmt. Wie<lb/>
iſt die Zeit und das menſchliche Leben doch ſo<lb/>
gar fluͤchtig! Es iſt nicht anders, als wenn<lb/>
wir nur ſolche Bilder waͤren, die auf den<lb/>
Schießplaͤtzen den Schuͤtzen oft vorbeygezogen<lb/>
werden, man ſieht ſie kaum, ſo ſind ſie auch<lb/>ſchon wieder weg.</p><lb/><p>Hier leb’ ich nun recht ruhig und von der<lb/>
ganzen Welt abgeſondert. Ich denke oft an den<lb/>
guten alten Lord Lovell, der nun auch geſtor-<lb/>
ben iſt, und an alles, was ich ſo Zeit meines<lb/>
Lebens erfahren habe. Ich bin innerlich recht<lb/>
zur Ruhe gekommen und es iſt mir, als wenn<lb/>
ich mich immerfort im Stillen graͤmte. Das<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[356/0362]
34.
Willy an ſeinen Bruder Thomas.
Kenſen.
Lieber Bruder.
Ich habe Dich alſo doch nun wirklich endlich
geſehen, und ich bin nun wieder umgekehrt, und
ſitze und denke hier in Kenſea wieder an Dich, wo
ich nach dem Willen meines lieben verſtorbenen
Herrn als ein Verwalter bleiben ſoll, bis mein
Herr William aus Italien zuruͤckkoͤmmt. Wie
iſt die Zeit und das menſchliche Leben doch ſo
gar fluͤchtig! Es iſt nicht anders, als wenn
wir nur ſolche Bilder waͤren, die auf den
Schießplaͤtzen den Schuͤtzen oft vorbeygezogen
werden, man ſieht ſie kaum, ſo ſind ſie auch
ſchon wieder weg.
Hier leb’ ich nun recht ruhig und von der
ganzen Welt abgeſondert. Ich denke oft an den
guten alten Lord Lovell, der nun auch geſtor-
ben iſt, und an alles, was ich ſo Zeit meines
Lebens erfahren habe. Ich bin innerlich recht
zur Ruhe gekommen und es iſt mir, als wenn
ich mich immerfort im Stillen graͤmte. Das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/362>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.