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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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einem Zugpferde die Augen zu beiden Seiten
bedeckt, und ich kann immer nur die gebahn-
te Straße vor mir sehen. Dränge mein Blick in
die ungeheuren Abgründe der Zweifelsucht, die
neben meinem Wege liegen, und sähe er seit-
wärts die unübersteiglichen Gebirge, so würde
ich vielleicht scheu werden, und mein wilder
Geist über unebene Wege mit mir davon rennen,
um sich in die Abgründe zu stürzen.

Ich fand daher die Zweifelsucht, als die
erste Veranlassung des Denkens sehr ehrwürdig,
aber ich erschrak vor dem Gedanken immer nur
zweifeln zu können, keine Wahrheit, keine
Ueberzeugung aus dem großen Chaos der
kämpfenden Gedanken zu erringen. Wenn der
Geist zweifeln muß, und sich auf dieses Be-
dürfniß die wahre Verehrung des Skeptizismus
gründet, so verlangt eben dieser Geist auch end-
lich einen Ruhepunkt, eine Ueberzeugung und ich
kann also darauf auch die Nothwendigkeit der
Ueberzeugungen gründen.

Sollten wir denn auch die trostlose Aus-
sicht haben, unser Leben hindurch zu denken,
Gedanken gegen Gedanken und Zweifel gegen
Zweifel unaufhörlich abzuwägen, indeß die Wa-

einem Zugpferde die Augen zu beiden Seiten
bedeckt, und ich kann immer nur die gebahn-
te Straße vor mir ſehen. Draͤnge mein Blick in
die ungeheuren Abgruͤnde der Zweifelſucht, die
neben meinem Wege liegen, und ſaͤhe er ſeit-
waͤrts die unuͤberſteiglichen Gebirge, ſo wuͤrde
ich vielleicht ſcheu werden, und mein wilder
Geiſt uͤber unebene Wege mit mir davon rennen,
um ſich in die Abgruͤnde zu ſtuͤrzen.

Ich fand daher die Zweifelſucht, als die
erſte Veranlaſſung des Denkens ſehr ehrwuͤrdig,
aber ich erſchrak vor dem Gedanken immer nur
zweifeln zu koͤnnen, keine Wahrheit, keine
Ueberzeugung aus dem großen Chaos der
kaͤmpfenden Gedanken zu erringen. Wenn der
Geiſt zweifeln muß, und ſich auf dieſes Be-
duͤrfniß die wahre Verehrung des Skeptizismus
gruͤndet, ſo verlangt eben dieſer Geiſt auch end-
lich einen Ruhepunkt, eine Ueberzeugung und ich
kann alſo darauf auch die Nothwendigkeit der
Ueberzeugungen gruͤnden.

Sollten wir denn auch die troſtloſe Aus-
ſicht haben, unſer Leben hindurch zu denken,
Gedanken gegen Gedanken und Zweifel gegen
Zweifel unaufhoͤrlich abzuwaͤgen, indeß die Wa-

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[167/0174] einem Zugpferde die Augen zu beiden Seiten bedeckt, und ich kann immer nur die gebahn- te Straße vor mir ſehen. Draͤnge mein Blick in die ungeheuren Abgruͤnde der Zweifelſucht, die neben meinem Wege liegen, und ſaͤhe er ſeit- waͤrts die unuͤberſteiglichen Gebirge, ſo wuͤrde ich vielleicht ſcheu werden, und mein wilder Geiſt uͤber unebene Wege mit mir davon rennen, um ſich in die Abgruͤnde zu ſtuͤrzen. Ich fand daher die Zweifelſucht, als die erſte Veranlaſſung des Denkens ſehr ehrwuͤrdig, aber ich erſchrak vor dem Gedanken immer nur zweifeln zu koͤnnen, keine Wahrheit, keine Ueberzeugung aus dem großen Chaos der kaͤmpfenden Gedanken zu erringen. Wenn der Geiſt zweifeln muß, und ſich auf dieſes Be- duͤrfniß die wahre Verehrung des Skeptizismus gruͤndet, ſo verlangt eben dieſer Geiſt auch end- lich einen Ruhepunkt, eine Ueberzeugung und ich kann alſo darauf auch die Nothwendigkeit der Ueberzeugungen gruͤnden. Sollten wir denn auch die troſtloſe Aus- ſicht haben, unſer Leben hindurch zu denken, Gedanken gegen Gedanken und Zweifel gegen Zweifel unaufhoͤrlich abzuwaͤgen, indeß die Wa-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/174>, abgerufen am 21.11.2024.