Wie geht es Ihnen, lieber Mortimer? Ich habe lange keine Nachrichten von Ihnen bekom- men. -- Der alte Sir Ralph mit seiner Toch- ter, von denen Sie mir jetzt schreiben, wohnt jetzt in meiner Gegend, und er scheint sich in seinem einsamen Hause recht wohl zu befinden. -- Es ist eine Erquickung meines Herzens, es ist eine Schuld, die ich abbezahle, wenn ich diesen Leuten wohl thue. Ich besuche sie oft, und ich muß Ihnen gestehn, daß ihr Umgang mich fast am meisten getröstet hat.
Der alte Mann, der gut erzogen war, und nun am Rande des Grabes in die schrecklichste Armuth versinkt, halb blind, mit allen Bequem- lichkeiten des Lebens vertraut, und nun plötz- lich von allem entblößt, der gern ein Stricker seyn möchte, wenn er nur könnte, der sein Elend so innig fühlt und sich doch, so sehr er Hülfe wünscht, davon zu sprechen schämt: er
12. Eduard Burton an Mortimer.
Bonſtreet.
Wie geht es Ihnen, lieber Mortimer? Ich habe lange keine Nachrichten von Ihnen bekom- men. — Der alte Sir Ralph mit ſeiner Toch- ter, von denen Sie mir jetzt ſchreiben, wohnt jetzt in meiner Gegend, und er ſcheint ſich in ſeinem einſamen Hauſe recht wohl zu befinden. — Es iſt eine Erquickung meines Herzens, es iſt eine Schuld, die ich abbezahle, wenn ich dieſen Leuten wohl thue. Ich beſuche ſie oft, und ich muß Ihnen geſtehn, daß ihr Umgang mich faſt am meiſten getroͤſtet hat.
Der alte Mann, der gut erzogen war, und nun am Rande des Grabes in die ſchrecklichſte Armuth verſinkt, halb blind, mit allen Bequem- lichkeiten des Lebens vertraut, und nun ploͤtz- lich von allem entbloͤßt, der gern ein Stricker ſeyn moͤchte, wenn er nur koͤnnte, der ſein Elend ſo innig fuͤhlt und ſich doch, ſo ſehr er Huͤlfe wuͤnſcht, davon zu ſprechen ſchaͤmt: er
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12.
Eduard Burton an Mortimer.
Bonſtreet.
Wie geht es Ihnen, lieber Mortimer? Ich
habe lange keine Nachrichten von Ihnen bekom-
men. — Der alte Sir Ralph mit ſeiner Toch-
ter, von denen Sie mir jetzt ſchreiben, wohnt
jetzt in meiner Gegend, und er ſcheint ſich in
ſeinem einſamen Hauſe recht wohl zu befinden.
— Es iſt eine Erquickung meines Herzens, es
iſt eine Schuld, die ich abbezahle, wenn ich
dieſen Leuten wohl thue. Ich beſuche ſie oft,
und ich muß Ihnen geſtehn, daß ihr Umgang
mich faſt am meiſten getroͤſtet hat.
Der alte Mann, der gut erzogen war, und
nun am Rande des Grabes in die ſchrecklichſte
Armuth verſinkt, halb blind, mit allen Bequem-
lichkeiten des Lebens vertraut, und nun ploͤtz-
lich von allem entbloͤßt, der gern ein Stricker
ſeyn moͤchte, wenn er nur koͤnnte, der ſein
Elend ſo innig fuͤhlt und ſich doch, ſo ſehr er
Huͤlfe wuͤnſcht, davon zu ſprechen ſchaͤmt: er
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/204>, abgerufen am 22.11.2024.
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