Sie sind sehr gütig, daß Sie sich meiner noch erinnern -- etwas, das ich aus Ihrem neulichen Briefe nicht schließen konnte. Sie sprechen von Gefahren, und sagten doch selbst, daß sie sich in ei- ner Gefahr befänden, die größer ist, als jede an- dre, die mich vielleicht einst treffen kann. Jene dreiste Zuversicht hat mich nun einmal verlassen und ich weiß nun nicht, wie ich sie wiederbe- kommen soll. Ihr neulicher Brief war auch eben nicht gar zu zuversichtlich -- ein Beweis, daß es leichter sey, einen Rath zu ertheilen, als ihn zu befolgen. Sie tadeln meine Philo- sophie, aber die Ihrige ist mir viel zu spitzfin- dig, als daß sie mir bequem seyn sollte, und ich liebe die Bequemlichkeit so sehr, daß ich sie sogar beym Denken mit in Betrachtung ziehe.
Mögen Sie übrigens diese Erklärung für Scherz nehmen, denn ich glaube sogar, daß wir einen viel zu großen Unterschied zwischen Ernst
und
23. Francesko an Roſa.
Rom.
Sie ſind ſehr guͤtig, daß Sie ſich meiner noch erinnern — etwas, das ich aus Ihrem neulichen Briefe nicht ſchließen konnte. Sie ſprechen von Gefahren, und ſagten doch ſelbſt, daß ſie ſich in ei- ner Gefahr befaͤnden, die groͤßer iſt, als jede an- dre, die mich vielleicht einſt treffen kann. Jene dreiſte Zuverſicht hat mich nun einmal verlaſſen und ich weiß nun nicht, wie ich ſie wiederbe- kommen ſoll. Ihr neulicher Brief war auch eben nicht gar zu zuverſichtlich — ein Beweis, daß es leichter ſey, einen Rath zu ertheilen, als ihn zu befolgen. Sie tadeln meine Philo- ſophie, aber die Ihrige iſt mir viel zu ſpitzfin- dig, als daß ſie mir bequem ſeyn ſollte, und ich liebe die Bequemlichkeit ſo ſehr, daß ich ſie ſogar beym Denken mit in Betrachtung ziehe.
Moͤgen Sie uͤbrigens dieſe Erklaͤrung fuͤr Scherz nehmen, denn ich glaube ſogar, daß wir einen viel zu großen Unterſchied zwiſchen Ernſt
und
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23.
Francesko an Roſa.
Rom.
Sie ſind ſehr guͤtig, daß Sie ſich meiner noch
erinnern — etwas, das ich aus Ihrem neulichen
Briefe nicht ſchließen konnte. Sie ſprechen von
Gefahren, und ſagten doch ſelbſt, daß ſie ſich in ei-
ner Gefahr befaͤnden, die groͤßer iſt, als jede an-
dre, die mich vielleicht einſt treffen kann. Jene
dreiſte Zuverſicht hat mich nun einmal verlaſſen
und ich weiß nun nicht, wie ich ſie wiederbe-
kommen ſoll. Ihr neulicher Brief war auch
eben nicht gar zu zuverſichtlich — ein Beweis,
daß es leichter ſey, einen Rath zu ertheilen,
als ihn zu befolgen. Sie tadeln meine Philo-
ſophie, aber die Ihrige iſt mir viel zu ſpitzfin-
dig, als daß ſie mir bequem ſeyn ſollte, und
ich liebe die Bequemlichkeit ſo ſehr, daß ich ſie
ſogar beym Denken mit in Betrachtung ziehe.
Moͤgen Sie uͤbrigens dieſe Erklaͤrung fuͤr
Scherz nehmen, denn ich glaube ſogar, daß wir
einen viel zu großen Unterſchied zwiſchen Ernſt
und
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/231>, abgerufen am 25.11.2024.
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