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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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ander, und meine Augen wurden müde sie zu
bemerken, um dasjenige was ich erwartete,
herauszufinden. Endlich erschien die Dame die
ich für Amalien hielt, und in einem Augenblicke
schoß mir die Ueberzeugung durch den Kopf,
daß sie es auch wirklich sey. -- Und bey Gott
sie war es! -- Hundert Menschen liefen mir
vor und wieder zurück, es war mir unmöglich
näher zu kommen. Man stieß und drängte mich
und ich stieß und drängte ebenfalls, und die
Gestalt war verschwunden. Meine Augen fan-
den sie nachher nicht wieder.

Es muß Amalia gewesen seyn, es ist nicht
anders möglich. Ihre Schleppe, und der
Saum ihres Kleides war mir in dem Momente
heilig, als ich ihm nachzufolgen strebte. Ich
haßte die Menschen recht innig, die mich durch
ihr wildes widriges Gedränge hinderten ihr zu
folgen.

Ich kann es nicht unterlassen ganz gegen
Sie aufrichtig zu seyn, weil ich es gegen irgend
jemand seyn muß. Und kann ich für meine
Empfindungen, die mich unwillkührlich ergrei-
fen und quälen, und beseeligen?

Lovell. 3r Bd. B

ander, und meine Augen wurden muͤde ſie zu
bemerken, um dasjenige was ich erwartete,
herauszufinden. Endlich erſchien die Dame die
ich fuͤr Amalien hielt, und in einem Augenblicke
ſchoß mir die Ueberzeugung durch den Kopf,
daß ſie es auch wirklich ſey. — Und bey Gott
ſie war es! — Hundert Menſchen liefen mir
vor und wieder zuruͤck, es war mir unmoͤglich
naͤher zu kommen. Man ſtieß und draͤngte mich
und ich ſtieß und draͤngte ebenfalls, und die
Geſtalt war verſchwunden. Meine Augen fan-
den ſie nachher nicht wieder.

Es muß Amalia geweſen ſeyn, es iſt nicht
anders moͤglich. Ihre Schleppe, und der
Saum ihres Kleides war mir in dem Momente
heilig, als ich ihm nachzufolgen ſtrebte. Ich
haßte die Menſchen recht innig, die mich durch
ihr wildes widriges Gedraͤnge hinderten ihr zu
folgen.

Ich kann es nicht unterlaſſen ganz gegen
Sie aufrichtig zu ſeyn, weil ich es gegen irgend
jemand ſeyn muß. Und kann ich fuͤr meine
Empfindungen, die mich unwillkuͤhrlich ergrei-
fen und quaͤlen, und beſeeligen?

Lovell. 3r Bd. B
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[17/0024] ander, und meine Augen wurden muͤde ſie zu bemerken, um dasjenige was ich erwartete, herauszufinden. Endlich erſchien die Dame die ich fuͤr Amalien hielt, und in einem Augenblicke ſchoß mir die Ueberzeugung durch den Kopf, daß ſie es auch wirklich ſey. — Und bey Gott ſie war es! — Hundert Menſchen liefen mir vor und wieder zuruͤck, es war mir unmoͤglich naͤher zu kommen. Man ſtieß und draͤngte mich und ich ſtieß und draͤngte ebenfalls, und die Geſtalt war verſchwunden. Meine Augen fan- den ſie nachher nicht wieder. Es muß Amalia geweſen ſeyn, es iſt nicht anders moͤglich. Ihre Schleppe, und der Saum ihres Kleides war mir in dem Momente heilig, als ich ihm nachzufolgen ſtrebte. Ich haßte die Menſchen recht innig, die mich durch ihr wildes widriges Gedraͤnge hinderten ihr zu folgen. Ich kann es nicht unterlaſſen ganz gegen Sie aufrichtig zu ſeyn, weil ich es gegen irgend jemand ſeyn muß. Und kann ich fuͤr meine Empfindungen, die mich unwillkuͤhrlich ergrei- fen und quaͤlen, und beſeeligen? Lovell. 3r Bd. B

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/24>, abgerufen am 23.11.2024.