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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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als es ihm vorgeschrieben war. Diese schnelle
Langsamkeit schien mir gerade zu meinem End-
zwecke am dienlichsten. Ich nahm ihn zu mir,
und lehrte ihn den Genuß eines freyeren Lebens
kennen; er ward nach und nach meine haupt-
sächlichste Maschine, denn man darf einem jun-
gen lebhaften Menschen nur die Aussicht auf
ein angenehmes, unthätiges Leben geben, so
kann man ihn zu allem bewegen. Rosa ist ein
ganz erträglicher Mensch, sein größter Fehler
ist, daß er seinen Leichtsinn für Verstand hält;
er hat gerade soviel Scharfsinn, um einzusehn,
daß er einer Stütze bedarf, an der er sich fest-
halten kann. Ich konnte ihn recht gut gebrau-
chen, nur war er thöricht genug, daß er zu-
weilen seine Aufträge zu gut besorgen wollte.
So hatte er den Gedanken, den jungen Valois
in unsre Gesellschaft zu ziehn, um das Ver-
mögen der Blainville hieher zu bekommen, er
hatte sich mit einem Narren eingelassen, der
mit sich selbst nicht fertig werden konnte, noch
weniger mit der Welt, und der sich am Ende
erschießen mußte, um nur irgend einen Schluß,
eine Art von vollendeter Handlung in seinen
Le[b]enslauf zu bringen.

als es ihm vorgeſchrieben war. Dieſe ſchnelle
Langſamkeit ſchien mir gerade zu meinem End-
zwecke am dienlichſten. Ich nahm ihn zu mir,
und lehrte ihn den Genuß eines freyeren Lebens
kennen; er ward nach und nach meine haupt-
ſaͤchlichſte Maſchine, denn man darf einem jun-
gen lebhaften Menſchen nur die Ausſicht auf
ein angenehmes, unthaͤtiges Leben geben, ſo
kann man ihn zu allem bewegen. Roſa iſt ein
ganz ertraͤglicher Menſch, ſein groͤßter Fehler
iſt, daß er ſeinen Leichtſinn fuͤr Verſtand haͤlt;
er hat gerade ſoviel Scharfſinn, um einzuſehn,
daß er einer Stuͤtze bedarf, an der er ſich feſt-
halten kann. Ich konnte ihn recht gut gebrau-
chen, nur war er thoͤricht genug, daß er zu-
weilen ſeine Auftraͤge zu gut beſorgen wollte.
So hatte er den Gedanken, den jungen Valois
in unſre Geſellſchaft zu ziehn, um das Ver-
moͤgen der Blainville hieher zu bekommen, er
hatte ſich mit einem Narren eingelaſſen, der
mit ſich ſelbſt nicht fertig werden konnte, noch
weniger mit der Welt, und der ſich am Ende
erſchießen mußte, um nur irgend einen Schluß,
eine Art von vollendeter Handlung in ſeinen
Le[b]enslauf zu bringen.

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[450/0457] als es ihm vorgeſchrieben war. Dieſe ſchnelle Langſamkeit ſchien mir gerade zu meinem End- zwecke am dienlichſten. Ich nahm ihn zu mir, und lehrte ihn den Genuß eines freyeren Lebens kennen; er ward nach und nach meine haupt- ſaͤchlichſte Maſchine, denn man darf einem jun- gen lebhaften Menſchen nur die Ausſicht auf ein angenehmes, unthaͤtiges Leben geben, ſo kann man ihn zu allem bewegen. Roſa iſt ein ganz ertraͤglicher Menſch, ſein groͤßter Fehler iſt, daß er ſeinen Leichtſinn fuͤr Verſtand haͤlt; er hat gerade ſoviel Scharfſinn, um einzuſehn, daß er einer Stuͤtze bedarf, an der er ſich feſt- halten kann. Ich konnte ihn recht gut gebrau- chen, nur war er thoͤricht genug, daß er zu- weilen ſeine Auftraͤge zu gut beſorgen wollte. So hatte er den Gedanken, den jungen Valois in unſre Geſellſchaft zu ziehn, um das Ver- moͤgen der Blainville hieher zu bekommen, er hatte ſich mit einem Narren eingelaſſen, der mit ſich ſelbſt nicht fertig werden konnte, noch weniger mit der Welt, und der ſich am Ende erſchießen mußte, um nur irgend einen Schluß, eine Art von vollendeter Handlung in ſeinen Lebenslauf zu bringen.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/457>, abgerufen am 04.12.2024.