als es ihm vorgeschrieben war. Diese schnelle Langsamkeit schien mir gerade zu meinem End- zwecke am dienlichsten. Ich nahm ihn zu mir, und lehrte ihn den Genuß eines freyeren Lebens kennen; er ward nach und nach meine haupt- sächlichste Maschine, denn man darf einem jun- gen lebhaften Menschen nur die Aussicht auf ein angenehmes, unthätiges Leben geben, so kann man ihn zu allem bewegen. Rosa ist ein ganz erträglicher Mensch, sein größter Fehler ist, daß er seinen Leichtsinn für Verstand hält; er hat gerade soviel Scharfsinn, um einzusehn, daß er einer Stütze bedarf, an der er sich fest- halten kann. Ich konnte ihn recht gut gebrau- chen, nur war er thöricht genug, daß er zu- weilen seine Aufträge zu gut besorgen wollte. So hatte er den Gedanken, den jungen Valois in unsre Gesellschaft zu ziehn, um das Ver- mögen der Blainville hieher zu bekommen, er hatte sich mit einem Narren eingelassen, der mit sich selbst nicht fertig werden konnte, noch weniger mit der Welt, und der sich am Ende erschießen mußte, um nur irgend einen Schluß, eine Art von vollendeter Handlung in seinen Le[b]enslauf zu bringen.
als es ihm vorgeſchrieben war. Dieſe ſchnelle Langſamkeit ſchien mir gerade zu meinem End- zwecke am dienlichſten. Ich nahm ihn zu mir, und lehrte ihn den Genuß eines freyeren Lebens kennen; er ward nach und nach meine haupt- ſaͤchlichſte Maſchine, denn man darf einem jun- gen lebhaften Menſchen nur die Ausſicht auf ein angenehmes, unthaͤtiges Leben geben, ſo kann man ihn zu allem bewegen. Roſa iſt ein ganz ertraͤglicher Menſch, ſein groͤßter Fehler iſt, daß er ſeinen Leichtſinn fuͤr Verſtand haͤlt; er hat gerade ſoviel Scharfſinn, um einzuſehn, daß er einer Stuͤtze bedarf, an der er ſich feſt- halten kann. Ich konnte ihn recht gut gebrau- chen, nur war er thoͤricht genug, daß er zu- weilen ſeine Auftraͤge zu gut beſorgen wollte. So hatte er den Gedanken, den jungen Valois in unſre Geſellſchaft zu ziehn, um das Ver- moͤgen der Blainville hieher zu bekommen, er hatte ſich mit einem Narren eingelaſſen, der mit ſich ſelbſt nicht fertig werden konnte, noch weniger mit der Welt, und der ſich am Ende erſchießen mußte, um nur irgend einen Schluß, eine Art von vollendeter Handlung in ſeinen Le[b]enslauf zu bringen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0457"n="450"/>
als es ihm vorgeſchrieben war. Dieſe ſchnelle<lb/>
Langſamkeit ſchien mir gerade zu meinem End-<lb/>
zwecke am dienlichſten. Ich nahm ihn zu mir,<lb/>
und lehrte ihn den Genuß eines freyeren Lebens<lb/>
kennen; er ward nach und nach meine haupt-<lb/>ſaͤchlichſte Maſchine, denn man darf einem jun-<lb/>
gen lebhaften Menſchen nur die Ausſicht auf<lb/>
ein angenehmes, unthaͤtiges Leben geben, ſo<lb/>
kann man ihn zu allem bewegen. Roſa iſt ein<lb/>
ganz ertraͤglicher Menſch, ſein groͤßter Fehler<lb/>
iſt, daß er ſeinen Leichtſinn fuͤr Verſtand haͤlt;<lb/>
er hat gerade ſoviel Scharfſinn, um einzuſehn,<lb/>
daß er einer Stuͤtze bedarf, an der er ſich feſt-<lb/>
halten kann. Ich konnte ihn recht gut gebrau-<lb/>
chen, nur war er thoͤricht genug, daß er zu-<lb/>
weilen ſeine Auftraͤge zu gut beſorgen wollte.<lb/>
So hatte er den Gedanken, den jungen <hirendition="#g">Valois</hi><lb/>
in unſre Geſellſchaft zu ziehn, um das Ver-<lb/>
moͤgen der Blainville hieher zu bekommen, er<lb/>
hatte ſich mit einem Narren eingelaſſen, der<lb/>
mit ſich ſelbſt nicht fertig werden konnte, noch<lb/>
weniger mit der Welt, und der ſich am Ende<lb/>
erſchießen mußte, um nur irgend einen Schluß,<lb/>
eine Art von vollendeter Handlung in ſeinen<lb/>
Le<supplied>b</supplied>enslauf zu bringen.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[450/0457]
als es ihm vorgeſchrieben war. Dieſe ſchnelle
Langſamkeit ſchien mir gerade zu meinem End-
zwecke am dienlichſten. Ich nahm ihn zu mir,
und lehrte ihn den Genuß eines freyeren Lebens
kennen; er ward nach und nach meine haupt-
ſaͤchlichſte Maſchine, denn man darf einem jun-
gen lebhaften Menſchen nur die Ausſicht auf
ein angenehmes, unthaͤtiges Leben geben, ſo
kann man ihn zu allem bewegen. Roſa iſt ein
ganz ertraͤglicher Menſch, ſein groͤßter Fehler
iſt, daß er ſeinen Leichtſinn fuͤr Verſtand haͤlt;
er hat gerade ſoviel Scharfſinn, um einzuſehn,
daß er einer Stuͤtze bedarf, an der er ſich feſt-
halten kann. Ich konnte ihn recht gut gebrau-
chen, nur war er thoͤricht genug, daß er zu-
weilen ſeine Auftraͤge zu gut beſorgen wollte.
So hatte er den Gedanken, den jungen Valois
in unſre Geſellſchaft zu ziehn, um das Ver-
moͤgen der Blainville hieher zu bekommen, er
hatte ſich mit einem Narren eingelaſſen, der
mit ſich ſelbſt nicht fertig werden konnte, noch
weniger mit der Welt, und der ſich am Ende
erſchießen mußte, um nur irgend einen Schluß,
eine Art von vollendeter Handlung in ſeinen
Lebenslauf zu bringen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/457>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.