nes hören, und ihm mit meinem Troste den Gram etwas aus seinem düstern Angesichte schmeicheln.
Niemand kennt ihn hier und Niemand weiß daß ich ihn kenne, ich muß Ihnen seinen Nah- men auch noch verhehlen, weil es sein Wille so ist und weil er gegründete Ursachen dazu hat.
Es ist so etwas Wunderbares um ihn her, daß man sich in seiner Gegenwart wie in eine andre Welt entrückt fühlt. Alle, selbst die all- täglichsten Ideen, erhebt er zur höchsten Poesie, so daß er wie ein fremder Geist auf dieser Er- de wandelt. Wenn ich dabey an sein Unglück denke, so kann ich nicht müde werden, von ihm zu sprechen, mich freut es, daß er mich seine Freundinn nennt, da ihn kein Wesen auf dieser Erde weiter liebt. -- O, denken Sie sich den schrecklichen Gedanken: ich bin das ein- zige Geschöpf, das sich für ihn interessirt!
Wozu sind die Millionen Menschen auf die- ser Erde, da so wenige nur Einen finden, der sie liebt! -- Ach, sie kömmt mir wüst und ent- völkert vor, wenn ich daran recht lebhaft den- ke, sie ist nur eine große Erdmasse, voller stum- men Leichen, die in und auf ihr sind. Sind
nes hoͤren, und ihm mit meinem Troſte den Gram etwas aus ſeinem duͤſtern Angeſichte ſchmeicheln.
Niemand kennt ihn hier und Niemand weiß daß ich ihn kenne, ich muß Ihnen ſeinen Nah- men auch noch verhehlen, weil es ſein Wille ſo iſt und weil er gegruͤndete Urſachen dazu hat.
Es iſt ſo etwas Wunderbares um ihn her, daß man ſich in ſeiner Gegenwart wie in eine andre Welt entruͤckt fuͤhlt. Alle, ſelbſt die all- taͤglichſten Ideen, erhebt er zur hoͤchſten Poeſie, ſo daß er wie ein fremder Geiſt auf dieſer Er- de wandelt. Wenn ich dabey an ſein Ungluͤck denke, ſo kann ich nicht muͤde werden, von ihm zu ſprechen, mich freut es, daß er mich ſeine Freundinn nennt, da ihn kein Weſen auf dieſer Erde weiter liebt. — O, denken Sie ſich den ſchrecklichen Gedanken: ich bin das ein- zige Geſchoͤpf, das ſich fuͤr ihn intereſſirt!
Wozu ſind die Millionen Menſchen auf die- ſer Erde, da ſo wenige nur Einen finden, der ſie liebt! — Ach, ſie koͤmmt mir wuͤſt und ent- voͤlkert vor, wenn ich daran recht lebhaft den- ke, ſie iſt nur eine große Erdmaſſe, voller ſtum- men Leichen, die in und auf ihr ſind. Sind
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0046"n="39"/>
nes hoͤren, und ihm mit meinem Troſte den<lb/>
Gram etwas aus ſeinem duͤſtern Angeſichte<lb/>ſchmeicheln.</p><lb/><p>Niemand kennt ihn hier und Niemand weiß<lb/>
daß ich ihn kenne, ich muß Ihnen ſeinen Nah-<lb/>
men auch noch verhehlen, weil es ſein Wille ſo<lb/>
iſt und weil er gegruͤndete Urſachen dazu hat.</p><lb/><p>Es iſt ſo etwas Wunderbares um ihn her,<lb/>
daß man ſich in ſeiner Gegenwart wie in eine<lb/>
andre Welt entruͤckt fuͤhlt. Alle, ſelbſt die all-<lb/>
taͤglichſten Ideen, erhebt er zur hoͤchſten Poeſie,<lb/>ſo daß er wie ein fremder Geiſt auf dieſer Er-<lb/>
de wandelt. Wenn ich dabey an ſein Ungluͤck<lb/>
denke, ſo kann ich nicht muͤde werden, von<lb/>
ihm zu ſprechen, mich freut es, daß er mich<lb/>ſeine Freundinn nennt, da ihn kein Weſen auf<lb/>
dieſer Erde weiter liebt. — O, denken Sie<lb/>ſich den ſchrecklichen Gedanken: ich bin das ein-<lb/>
zige Geſchoͤpf, das ſich fuͤr ihn intereſſirt!</p><lb/><p>Wozu ſind die Millionen Menſchen auf die-<lb/>ſer Erde, da ſo wenige nur Einen finden, der<lb/>ſie liebt! — Ach, ſie koͤmmt mir wuͤſt und ent-<lb/>
voͤlkert vor, wenn ich daran recht lebhaft den-<lb/>
ke, ſie iſt nur eine große Erdmaſſe, voller ſtum-<lb/>
men Leichen, die in und auf ihr ſind. Sind<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[39/0046]
nes hoͤren, und ihm mit meinem Troſte den
Gram etwas aus ſeinem duͤſtern Angeſichte
ſchmeicheln.
Niemand kennt ihn hier und Niemand weiß
daß ich ihn kenne, ich muß Ihnen ſeinen Nah-
men auch noch verhehlen, weil es ſein Wille ſo
iſt und weil er gegruͤndete Urſachen dazu hat.
Es iſt ſo etwas Wunderbares um ihn her,
daß man ſich in ſeiner Gegenwart wie in eine
andre Welt entruͤckt fuͤhlt. Alle, ſelbſt die all-
taͤglichſten Ideen, erhebt er zur hoͤchſten Poeſie,
ſo daß er wie ein fremder Geiſt auf dieſer Er-
de wandelt. Wenn ich dabey an ſein Ungluͤck
denke, ſo kann ich nicht muͤde werden, von
ihm zu ſprechen, mich freut es, daß er mich
ſeine Freundinn nennt, da ihn kein Weſen auf
dieſer Erde weiter liebt. — O, denken Sie
ſich den ſchrecklichen Gedanken: ich bin das ein-
zige Geſchoͤpf, das ſich fuͤr ihn intereſſirt!
Wozu ſind die Millionen Menſchen auf die-
ſer Erde, da ſo wenige nur Einen finden, der
ſie liebt! — Ach, ſie koͤmmt mir wuͤſt und ent-
voͤlkert vor, wenn ich daran recht lebhaft den-
ke, ſie iſt nur eine große Erdmaſſe, voller ſtum-
men Leichen, die in und auf ihr ſind. Sind
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/46>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.