Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

An A. W. Schlegel.

(Anstatt einer Vorrede.)



Es war eine schöne Zeit meines Lebens, als
ich Dich und Deinen Bruder Friederich zuerst
kennen lernte; eine noch schönere als wir und
Novalis für Kunst und Wissenschaft vereinigt
lebten, und uns in mannichfaltigen Bestre-
bungen begegneten. Jetzt hat uns das Schick-
sal schon seit vielen Jahren getrennt. Ich
verfehlte Dich in Rom, und eben so später
in Wien und München, und fortdauernde
Krankheit hielt mich ab, Dich an dem Orte
Deines Aufenthaltes aufzusuchen; ich konnte
nur im Geist und in der Erinnerung mit
Dir leben.

Von verschiedenen Seiten aufgefordert,
war ich schon seit einiger Zeit entschlossen,
meine jugendlichen Versuche, die sich zerstreut
haben, zu sammeln, diejenigen hinzuzufügen,
welche bis jetzt noch ungedruckt waren, und
andre zu vollenden und auszuarbeiten, die
ich schon vor Jahren angefangen, oder ent-
worfen hatte. Diese Mährchen, Schauspiele
und Erzählungen, welche alle eine frühere


An A. W. Schlegel.

(Anſtatt einer Vorrede.)



Es war eine ſchoͤne Zeit meines Lebens, als
ich Dich und Deinen Bruder Friederich zuerſt
kennen lernte; eine noch ſchoͤnere als wir und
Novalis fuͤr Kunſt und Wiſſenſchaft vereinigt
lebten, und uns in mannichfaltigen Beſtre-
bungen begegneten. Jetzt hat uns das Schick-
ſal ſchon ſeit vielen Jahren getrennt. Ich
verfehlte Dich in Rom, und eben ſo ſpaͤter
in Wien und Muͤnchen, und fortdauernde
Krankheit hielt mich ab, Dich an dem Orte
Deines Aufenthaltes aufzuſuchen; ich konnte
nur im Geiſt und in der Erinnerung mit
Dir leben.

Von verſchiedenen Seiten aufgefordert,
war ich ſchon ſeit einiger Zeit entſchloſſen,
meine jugendlichen Verſuche, die ſich zerſtreut
haben, zu ſammeln, diejenigen hinzuzufuͤgen,
welche bis jetzt noch ungedruckt waren, und
andre zu vollenden und auszuarbeiten, die
ich ſchon vor Jahren angefangen, oder ent-
worfen hatte. Dieſe Maͤhrchen, Schauſpiele
und Erzaͤhlungen, welche alle eine fruͤhere

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0010"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div type="preface" n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">An</hi> A. W. <hi rendition="#g">Schlegel</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>(<hi rendition="#g">An&#x017F;tatt einer Vorrede</hi>.)</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s war eine &#x017F;cho&#x0364;ne Zeit meines Lebens, als<lb/>
ich Dich und Deinen Bruder Friederich zuer&#x017F;t<lb/>
kennen lernte; eine noch &#x017F;cho&#x0364;nere als wir und<lb/>
Novalis fu&#x0364;r Kun&#x017F;t und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft vereinigt<lb/>
lebten, und uns in mannichfaltigen Be&#x017F;tre-<lb/>
bungen begegneten. Jetzt hat uns das Schick-<lb/>
&#x017F;al &#x017F;chon &#x017F;eit vielen Jahren getrennt. Ich<lb/>
verfehlte Dich in Rom, und eben &#x017F;o &#x017F;pa&#x0364;ter<lb/>
in Wien und Mu&#x0364;nchen, und fortdauernde<lb/>
Krankheit hielt mich ab, Dich an dem Orte<lb/>
Deines Aufenthaltes aufzu&#x017F;uchen; ich konnte<lb/>
nur im Gei&#x017F;t und in der Erinnerung mit<lb/>
Dir leben.</p><lb/>
        <p>Von ver&#x017F;chiedenen Seiten aufgefordert,<lb/>
war ich &#x017F;chon &#x017F;eit einiger Zeit ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
meine jugendlichen Ver&#x017F;uche, die &#x017F;ich zer&#x017F;treut<lb/>
haben, zu &#x017F;ammeln, diejenigen hinzuzufu&#x0364;gen,<lb/>
welche bis jetzt noch ungedruckt waren, und<lb/>
andre zu vollenden und auszuarbeiten, die<lb/>
ich &#x017F;chon vor Jahren angefangen, oder ent-<lb/>
worfen hatte. Die&#x017F;e Ma&#x0364;hrchen, Schau&#x017F;piele<lb/>
und Erza&#x0364;hlungen, welche alle eine fru&#x0364;here<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0010] An A. W. Schlegel. (Anſtatt einer Vorrede.) Es war eine ſchoͤne Zeit meines Lebens, als ich Dich und Deinen Bruder Friederich zuerſt kennen lernte; eine noch ſchoͤnere als wir und Novalis fuͤr Kunſt und Wiſſenſchaft vereinigt lebten, und uns in mannichfaltigen Beſtre- bungen begegneten. Jetzt hat uns das Schick- ſal ſchon ſeit vielen Jahren getrennt. Ich verfehlte Dich in Rom, und eben ſo ſpaͤter in Wien und Muͤnchen, und fortdauernde Krankheit hielt mich ab, Dich an dem Orte Deines Aufenthaltes aufzuſuchen; ich konnte nur im Geiſt und in der Erinnerung mit Dir leben. Von verſchiedenen Seiten aufgefordert, war ich ſchon ſeit einiger Zeit entſchloſſen, meine jugendlichen Verſuche, die ſich zerſtreut haben, zu ſammeln, diejenigen hinzuzufuͤgen, welche bis jetzt noch ungedruckt waren, und andre zu vollenden und auszuarbeiten, die ich ſchon vor Jahren angefangen, oder ent- worfen hatte. Dieſe Maͤhrchen, Schauſpiele und Erzaͤhlungen, welche alle eine fruͤhere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/10
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/10>, abgerufen am 21.11.2024.