ren zu wollen, am Ende von selbst wieder in das Gewöhnliche zurück.
Damit ich euch scheinbar kreuze, fiel Man- fred ein, so bleiben nach meinem Gefühl Witz und Scherz immer etwas sehr Nüchternes, wenn sie nicht unter ihrer Verhüllung eine Wahrheit aussprechen können, so wie ich auch glaube, daß es keine Wahrheit giebt, der Witz und Scherz nicht das Lächerliche abgewinnen mögen. La- chen wir doch auch nur recht herzlich und gemüth- lich, und wahrhaft nur ganz unschuldig, über unsre Freunde die wir lieben, und derjenige, der sich noch nicht seinem Freunde zum Scherze gern hingegeben hat, hat noch keinen Freund recht von ganzer Seele geliebt; ja aus Aufopferungs- sucht hilft der Liebende selbst dem Spotte nach, und enthüllt freiwillig das Lächerliche in sich, um sich gleichsam dem Freunde zu vernichten; denn, um es heraus zu sagen, das Lachen ist den Thränen wohl näher verwandt, als die mei- sten glauben, endigt es doch auch, wie die Rüh- rung, mit diesen.
Ernst fuhr fort: der Satz, den wir so oft haben wiederholen hören: daß die Menschen die Lächerlichkeit fürchten, und daß deshalb der komi- sche Dichter, oder Satiriker, oder wie sie ihn nennen mögen, diese allgemeine höchste Reizbar- keit der Menschen benutzen müsse, um sie zu bessern; dieser Satz ist gewiß in der Anwendung falsch, und an sich selbst nur einseitig wahr.
Einleitung.
ren zu wollen, am Ende von ſelbſt wieder in das Gewoͤhnliche zuruͤck.
Damit ich euch ſcheinbar kreuze, fiel Man- fred ein, ſo bleiben nach meinem Gefuͤhl Witz und Scherz immer etwas ſehr Nuͤchternes, wenn ſie nicht unter ihrer Verhuͤllung eine Wahrheit ausſprechen koͤnnen, ſo wie ich auch glaube, daß es keine Wahrheit giebt, der Witz und Scherz nicht das Laͤcherliche abgewinnen moͤgen. La- chen wir doch auch nur recht herzlich und gemuͤth- lich, und wahrhaft nur ganz unſchuldig, uͤber unſre Freunde die wir lieben, und derjenige, der ſich noch nicht ſeinem Freunde zum Scherze gern hingegeben hat, hat noch keinen Freund recht von ganzer Seele geliebt; ja aus Aufopferungs- ſucht hilft der Liebende ſelbſt dem Spotte nach, und enthuͤllt freiwillig das Laͤcherliche in ſich, um ſich gleichſam dem Freunde zu vernichten; denn, um es heraus zu ſagen, das Lachen iſt den Thraͤnen wohl naͤher verwandt, als die mei- ſten glauben, endigt es doch auch, wie die Ruͤh- rung, mit dieſen.
Ernſt fuhr fort: der Satz, den wir ſo oft haben wiederholen hoͤren: daß die Menſchen die Laͤcherlichkeit fuͤrchten, und daß deshalb der komi- ſche Dichter, oder Satiriker, oder wie ſie ihn nennen moͤgen, dieſe allgemeine hoͤchſte Reizbar- keit der Menſchen benutzen muͤſſe, um ſie zu beſſern; dieſer Satz iſt gewiß in der Anwendung falſch, und an ſich ſelbſt nur einſeitig wahr.
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Einleitung.
ren zu wollen, am Ende von ſelbſt wieder in
das Gewoͤhnliche zuruͤck.
Damit ich euch ſcheinbar kreuze, fiel Man-
fred ein, ſo bleiben nach meinem Gefuͤhl Witz
und Scherz immer etwas ſehr Nuͤchternes, wenn
ſie nicht unter ihrer Verhuͤllung eine Wahrheit
ausſprechen koͤnnen, ſo wie ich auch glaube, daß
es keine Wahrheit giebt, der Witz und Scherz
nicht das Laͤcherliche abgewinnen moͤgen. La-
chen wir doch auch nur recht herzlich und gemuͤth-
lich, und wahrhaft nur ganz unſchuldig, uͤber
unſre Freunde die wir lieben, und derjenige, der
ſich noch nicht ſeinem Freunde zum Scherze gern
hingegeben hat, hat noch keinen Freund recht
von ganzer Seele geliebt; ja aus Aufopferungs-
ſucht hilft der Liebende ſelbſt dem Spotte nach,
und enthuͤllt freiwillig das Laͤcherliche in ſich,
um ſich gleichſam dem Freunde zu vernichten;
denn, um es heraus zu ſagen, das Lachen iſt
den Thraͤnen wohl naͤher verwandt, als die mei-
ſten glauben, endigt es doch auch, wie die Ruͤh-
rung, mit dieſen.
Ernſt fuhr fort: der Satz, den wir ſo oft
haben wiederholen hoͤren: daß die Menſchen die
Laͤcherlichkeit fuͤrchten, und daß deshalb der komi-
ſche Dichter, oder Satiriker, oder wie ſie ihn
nennen moͤgen, dieſe allgemeine hoͤchſte Reizbar-
keit der Menſchen benutzen muͤſſe, um ſie zu
beſſern; dieſer Satz iſt gewiß in der Anwendung
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/122>, abgerufen am 21.11.2024.
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