nur die Noth meiner Eltern verstand ich außeror- dentlich gut. Oft saß ich dann im Winkel und füllte meine Vorstellungen damit an, wie ich ihnen helfen wollte, wenn ich plötzlich reich würde, wie ich sie mit Gold und Silber überschütten und mich an ihrem Erstaunen laben möchte, dann sah ich Geister herauf schweben, die mir unterirdische Schätze entdekten, oder mir kleine Kiesel gaben, die sich in Edelsteine verwandelten; kurz, die wun- derbarsten Phantasien beschäftigten mich, und wenn ich nun aufstehn mußte, um irgend etwas zu hel- fen, oder zu tragen, so zeigte ich mich noch viel ungeschickter, weil mir der Kopf von allen den selt- samen Vorstellungen schwindelte.
Mein Vater war immer sehr ergrimmt auf mich, daß ich eine so ganz unnütze Last des Haus- wesens sey, er behandelte mich daher oft ziemlich grausam, und es war selten, daß ich ein freund- liches Wort von ihm vernahm. So war ich unge- fähr acht Jahr alt geworden, und es wurden nun ernstliche Anstalten gemacht, daß ich etwas thun, oder lernen sollte. Mein Vater glaubte, es wäre nur Eigensinn oder Trägheit von mir, um meine Tage in Müssiggang hinzubringen, genug, er setzte mir mit Drohungen unbeschreiblich zu, da diese aber doch nichts fruchteten, züchtigte er mich auf die grausamste Art, und fügte hinzu, daß diese Strafe mit jedem Tage wiederkehren sollte, weil ich doch nur ein unnützes Geschöpf sey.
Die ganze Nacht hindurch weint' ich herzlich, ich fühlte mich so außerordentlich verlassen, ich
Erſte Abtheilung.
nur die Noth meiner Eltern verſtand ich außeror- dentlich gut. Oft ſaß ich dann im Winkel und fuͤllte meine Vorſtellungen damit an, wie ich ihnen helfen wollte, wenn ich ploͤtzlich reich wuͤrde, wie ich ſie mit Gold und Silber uͤberſchuͤtten und mich an ihrem Erſtaunen laben moͤchte, dann ſah ich Geiſter herauf ſchweben, die mir unterirdiſche Schaͤtze entdekten, oder mir kleine Kieſel gaben, die ſich in Edelſteine verwandelten; kurz, die wun- derbarſten Phantaſien beſchaͤftigten mich, und wenn ich nun aufſtehn mußte, um irgend etwas zu hel- fen, oder zu tragen, ſo zeigte ich mich noch viel ungeſchickter, weil mir der Kopf von allen den ſelt- ſamen Vorſtellungen ſchwindelte.
Mein Vater war immer ſehr ergrimmt auf mich, daß ich eine ſo ganz unnuͤtze Laſt des Haus- weſens ſey, er behandelte mich daher oft ziemlich grauſam, und es war ſelten, daß ich ein freund- liches Wort von ihm vernahm. So war ich unge- faͤhr acht Jahr alt geworden, und es wurden nun ernſtliche Anſtalten gemacht, daß ich etwas thun, oder lernen ſollte. Mein Vater glaubte, es waͤre nur Eigenſinn oder Traͤgheit von mir, um meine Tage in Muͤſſiggang hinzubringen, genug, er ſetzte mir mit Drohungen unbeſchreiblich zu, da dieſe aber doch nichts fruchteten, zuͤchtigte er mich auf die grauſamſte Art, und fuͤgte hinzu, daß dieſe Strafe mit jedem Tage wiederkehren ſollte, weil ich doch nur ein unnuͤtzes Geſchoͤpf ſey.
Die ganze Nacht hindurch weint' ich herzlich, ich fuͤhlte mich ſo außerordentlich verlaſſen, ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0179"n="168"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſte Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
nur die Noth meiner Eltern verſtand ich außeror-<lb/>
dentlich gut. Oft ſaß ich dann im Winkel und<lb/>
fuͤllte meine Vorſtellungen damit an, wie ich ihnen<lb/>
helfen wollte, wenn ich ploͤtzlich reich wuͤrde, wie<lb/>
ich ſie mit Gold und Silber uͤberſchuͤtten und mich<lb/>
an ihrem Erſtaunen laben moͤchte, dann ſah ich<lb/>
Geiſter herauf ſchweben, die mir unterirdiſche<lb/>
Schaͤtze entdekten, oder mir kleine Kieſel gaben,<lb/>
die ſich in Edelſteine verwandelten; kurz, die wun-<lb/>
derbarſten Phantaſien beſchaͤftigten mich, und wenn<lb/>
ich nun aufſtehn mußte, um irgend etwas zu hel-<lb/>
fen, oder zu tragen, ſo zeigte ich mich noch viel<lb/>
ungeſchickter, weil mir der Kopf von allen den ſelt-<lb/>ſamen Vorſtellungen ſchwindelte.</p><lb/><p>Mein Vater war immer ſehr ergrimmt auf<lb/>
mich, daß ich eine ſo ganz unnuͤtze Laſt des Haus-<lb/>
weſens ſey, er behandelte mich daher oft ziemlich<lb/>
grauſam, und es war ſelten, daß ich ein freund-<lb/>
liches Wort von ihm vernahm. So war ich unge-<lb/>
faͤhr acht Jahr alt geworden, und es wurden nun<lb/>
ernſtliche Anſtalten gemacht, daß ich etwas thun,<lb/>
oder lernen ſollte. Mein Vater glaubte, es waͤre<lb/>
nur Eigenſinn oder Traͤgheit von mir, um meine<lb/>
Tage in Muͤſſiggang hinzubringen, genug, er ſetzte<lb/>
mir mit Drohungen unbeſchreiblich zu, da dieſe<lb/>
aber doch nichts fruchteten, zuͤchtigte er mich auf<lb/>
die grauſamſte Art, und fuͤgte hinzu, daß dieſe<lb/>
Strafe mit jedem Tage wiederkehren ſollte, weil<lb/>
ich doch nur ein unnuͤtzes Geſchoͤpf ſey.</p><lb/><p>Die ganze Nacht hindurch weint' ich herzlich,<lb/>
ich fuͤhlte mich ſo außerordentlich verlaſſen, ich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[168/0179]
Erſte Abtheilung.
nur die Noth meiner Eltern verſtand ich außeror-
dentlich gut. Oft ſaß ich dann im Winkel und
fuͤllte meine Vorſtellungen damit an, wie ich ihnen
helfen wollte, wenn ich ploͤtzlich reich wuͤrde, wie
ich ſie mit Gold und Silber uͤberſchuͤtten und mich
an ihrem Erſtaunen laben moͤchte, dann ſah ich
Geiſter herauf ſchweben, die mir unterirdiſche
Schaͤtze entdekten, oder mir kleine Kieſel gaben,
die ſich in Edelſteine verwandelten; kurz, die wun-
derbarſten Phantaſien beſchaͤftigten mich, und wenn
ich nun aufſtehn mußte, um irgend etwas zu hel-
fen, oder zu tragen, ſo zeigte ich mich noch viel
ungeſchickter, weil mir der Kopf von allen den ſelt-
ſamen Vorſtellungen ſchwindelte.
Mein Vater war immer ſehr ergrimmt auf
mich, daß ich eine ſo ganz unnuͤtze Laſt des Haus-
weſens ſey, er behandelte mich daher oft ziemlich
grauſam, und es war ſelten, daß ich ein freund-
liches Wort von ihm vernahm. So war ich unge-
faͤhr acht Jahr alt geworden, und es wurden nun
ernſtliche Anſtalten gemacht, daß ich etwas thun,
oder lernen ſollte. Mein Vater glaubte, es waͤre
nur Eigenſinn oder Traͤgheit von mir, um meine
Tage in Muͤſſiggang hinzubringen, genug, er ſetzte
mir mit Drohungen unbeſchreiblich zu, da dieſe
aber doch nichts fruchteten, zuͤchtigte er mich auf
die grauſamſte Art, und fuͤgte hinzu, daß dieſe
Strafe mit jedem Tage wiederkehren ſollte, weil
ich doch nur ein unnuͤtzes Geſchoͤpf ſey.
Die ganze Nacht hindurch weint' ich herzlich,
ich fuͤhlte mich ſo außerordentlich verlaſſen, ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/179>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.