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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
nur die Noth meiner Eltern verstand ich außeror-
dentlich gut. Oft saß ich dann im Winkel und
füllte meine Vorstellungen damit an, wie ich ihnen
helfen wollte, wenn ich plötzlich reich würde, wie
ich sie mit Gold und Silber überschütten und mich
an ihrem Erstaunen laben möchte, dann sah ich
Geister herauf schweben, die mir unterirdische
Schätze entdekten, oder mir kleine Kiesel gaben,
die sich in Edelsteine verwandelten; kurz, die wun-
derbarsten Phantasien beschäftigten mich, und wenn
ich nun aufstehn mußte, um irgend etwas zu hel-
fen, oder zu tragen, so zeigte ich mich noch viel
ungeschickter, weil mir der Kopf von allen den selt-
samen Vorstellungen schwindelte.

Mein Vater war immer sehr ergrimmt auf
mich, daß ich eine so ganz unnütze Last des Haus-
wesens sey, er behandelte mich daher oft ziemlich
grausam, und es war selten, daß ich ein freund-
liches Wort von ihm vernahm. So war ich unge-
fähr acht Jahr alt geworden, und es wurden nun
ernstliche Anstalten gemacht, daß ich etwas thun,
oder lernen sollte. Mein Vater glaubte, es wäre
nur Eigensinn oder Trägheit von mir, um meine
Tage in Müssiggang hinzubringen, genug, er setzte
mir mit Drohungen unbeschreiblich zu, da diese
aber doch nichts fruchteten, züchtigte er mich auf
die grausamste Art, und fügte hinzu, daß diese
Strafe mit jedem Tage wiederkehren sollte, weil
ich doch nur ein unnützes Geschöpf sey.

Die ganze Nacht hindurch weint' ich herzlich,
ich fühlte mich so außerordentlich verlassen, ich

Erſte Abtheilung.
nur die Noth meiner Eltern verſtand ich außeror-
dentlich gut. Oft ſaß ich dann im Winkel und
fuͤllte meine Vorſtellungen damit an, wie ich ihnen
helfen wollte, wenn ich ploͤtzlich reich wuͤrde, wie
ich ſie mit Gold und Silber uͤberſchuͤtten und mich
an ihrem Erſtaunen laben moͤchte, dann ſah ich
Geiſter herauf ſchweben, die mir unterirdiſche
Schaͤtze entdekten, oder mir kleine Kieſel gaben,
die ſich in Edelſteine verwandelten; kurz, die wun-
derbarſten Phantaſien beſchaͤftigten mich, und wenn
ich nun aufſtehn mußte, um irgend etwas zu hel-
fen, oder zu tragen, ſo zeigte ich mich noch viel
ungeſchickter, weil mir der Kopf von allen den ſelt-
ſamen Vorſtellungen ſchwindelte.

Mein Vater war immer ſehr ergrimmt auf
mich, daß ich eine ſo ganz unnuͤtze Laſt des Haus-
weſens ſey, er behandelte mich daher oft ziemlich
grauſam, und es war ſelten, daß ich ein freund-
liches Wort von ihm vernahm. So war ich unge-
faͤhr acht Jahr alt geworden, und es wurden nun
ernſtliche Anſtalten gemacht, daß ich etwas thun,
oder lernen ſollte. Mein Vater glaubte, es waͤre
nur Eigenſinn oder Traͤgheit von mir, um meine
Tage in Muͤſſiggang hinzubringen, genug, er ſetzte
mir mit Drohungen unbeſchreiblich zu, da dieſe
aber doch nichts fruchteten, zuͤchtigte er mich auf
die grauſamſte Art, und fuͤgte hinzu, daß dieſe
Strafe mit jedem Tage wiederkehren ſollte, weil
ich doch nur ein unnuͤtzes Geſchoͤpf ſey.

Die ganze Nacht hindurch weint' ich herzlich,
ich fuͤhlte mich ſo außerordentlich verlaſſen, ich

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[168/0179] Erſte Abtheilung. nur die Noth meiner Eltern verſtand ich außeror- dentlich gut. Oft ſaß ich dann im Winkel und fuͤllte meine Vorſtellungen damit an, wie ich ihnen helfen wollte, wenn ich ploͤtzlich reich wuͤrde, wie ich ſie mit Gold und Silber uͤberſchuͤtten und mich an ihrem Erſtaunen laben moͤchte, dann ſah ich Geiſter herauf ſchweben, die mir unterirdiſche Schaͤtze entdekten, oder mir kleine Kieſel gaben, die ſich in Edelſteine verwandelten; kurz, die wun- derbarſten Phantaſien beſchaͤftigten mich, und wenn ich nun aufſtehn mußte, um irgend etwas zu hel- fen, oder zu tragen, ſo zeigte ich mich noch viel ungeſchickter, weil mir der Kopf von allen den ſelt- ſamen Vorſtellungen ſchwindelte. Mein Vater war immer ſehr ergrimmt auf mich, daß ich eine ſo ganz unnuͤtze Laſt des Haus- weſens ſey, er behandelte mich daher oft ziemlich grauſam, und es war ſelten, daß ich ein freund- liches Wort von ihm vernahm. So war ich unge- faͤhr acht Jahr alt geworden, und es wurden nun ernſtliche Anſtalten gemacht, daß ich etwas thun, oder lernen ſollte. Mein Vater glaubte, es waͤre nur Eigenſinn oder Traͤgheit von mir, um meine Tage in Muͤſſiggang hinzubringen, genug, er ſetzte mir mit Drohungen unbeſchreiblich zu, da dieſe aber doch nichts fruchteten, zuͤchtigte er mich auf die grauſamſte Art, und fuͤgte hinzu, daß dieſe Strafe mit jedem Tage wiederkehren ſollte, weil ich doch nur ein unnuͤtzes Geſchoͤpf ſey. Die ganze Nacht hindurch weint' ich herzlich, ich fuͤhlte mich ſo außerordentlich verlaſſen, ich

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/179>, abgerufen am 24.11.2024.