Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Der blonde Eckbert. heimniß entdeckte. Der Vogel legte nehmlich anjedem Tage ein Ey, in dem sich eine Perl oder ein Edelstein befand. Ich hatte schon immer bemerkt, daß sie heimlich in dem Käfige wirthschafte, mich aber nie genauer darum bekümmert. Sie trug mir jetzt das Geschäft auf, in ihrer Abwesenheit diese Eyer zu nehmen und in den fremdartigen Gefäßen wohl zu verwahren. Sie ließ mir meine Nahrung zurück und blieb nun länger aus, Wochen, Monathe; mein Rädchen schnurrte, der Hund bellte, der wunder- bare Vogel sang und dabei war alles so still in der Gegend umher, daß ich mich in der ganzen Zeit keines Sturmwindes, keines Gewitters erin- nere. Kein Mensch verirrte sich dorthin, kein Wild kam unserer Behausung nahe, ich war zufrieden und arbeitete mich von einem Tage zum andern hinüber. -- Der Mensch wäre vielleicht recht glück- lich, wenn er so ungestört sein Leben bis ans Ende fortführen könnte. Aus dem wenigen, was ich las bildete ich I. [ 12 ]
Der blonde Eckbert. heimniß entdeckte. Der Vogel legte nehmlich anjedem Tage ein Ey, in dem ſich eine Perl oder ein Edelſtein befand. Ich hatte ſchon immer bemerkt, daß ſie heimlich in dem Kaͤfige wirthſchafte, mich aber nie genauer darum bekuͤmmert. Sie trug mir jetzt das Geſchaͤft auf, in ihrer Abweſenheit dieſe Eyer zu nehmen und in den fremdartigen Gefaͤßen wohl zu verwahren. Sie ließ mir meine Nahrung zuruͤck und blieb nun laͤnger aus, Wochen, Monathe; mein Raͤdchen ſchnurrte, der Hund bellte, der wunder- bare Vogel ſang und dabei war alles ſo ſtill in der Gegend umher, daß ich mich in der ganzen Zeit keines Sturmwindes, keines Gewitters erin- nere. Kein Menſch verirrte ſich dorthin, kein Wild kam unſerer Behauſung nahe, ich war zufrieden und arbeitete mich von einem Tage zum andern hinuͤber. — Der Menſch waͤre vielleicht recht gluͤck- lich, wenn er ſo ungeſtoͤrt ſein Leben bis ans Ende fortfuͤhren koͤnnte. Aus dem wenigen, was ich las bildete ich I. [ 12 ]
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Der blonde Eckbert.
heimniß entdeckte. Der Vogel legte nehmlich an
jedem Tage ein Ey, in dem ſich eine Perl oder ein
Edelſtein befand. Ich hatte ſchon immer bemerkt,
daß ſie heimlich in dem Kaͤfige wirthſchafte, mich aber
nie genauer darum bekuͤmmert. Sie trug mir jetzt
das Geſchaͤft auf, in ihrer Abweſenheit dieſe Eyer
zu nehmen und in den fremdartigen Gefaͤßen wohl
zu verwahren. Sie ließ mir meine Nahrung zuruͤck
und blieb nun laͤnger aus, Wochen, Monathe; mein
Raͤdchen ſchnurrte, der Hund bellte, der wunder-
bare Vogel ſang und dabei war alles ſo ſtill in
der Gegend umher, daß ich mich in der ganzen
Zeit keines Sturmwindes, keines Gewitters erin-
nere. Kein Menſch verirrte ſich dorthin, kein Wild
kam unſerer Behauſung nahe, ich war zufrieden
und arbeitete mich von einem Tage zum andern
hinuͤber. — Der Menſch waͤre vielleicht recht gluͤck-
lich, wenn er ſo ungeſtoͤrt ſein Leben bis ans Ende
fortfuͤhren koͤnnte.
Aus dem wenigen, was ich las bildete ich
mir ganz wunderliche Vorſtellungen von der Welt
und den Menſchen, alles war von mir und meiner
Geſellſchaft hergenommen: wenn von luſtigen Leu-
ten die Rede war, konnte ich ſie mir nicht anders
vorſtellen, wie den kleinen Spitz, praͤchtige Damen
ſahen immer wie der Vogel aus, alle alte Frauen
wie meine wunderliche Alte. Ich hatte auch von
Liebe etwas geleſen, und ſpielte nun in meiner
Phantaſie ſeltſame Geſchichten mit mir ſelber. Ich
dachte mir den ſchoͤnſten Ritter von der Welt, ich
ſchmuͤckte ihn mit allen Vortreflichkeiten aus, ohne
I. [ 12 ]
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