aber indem flog der Bolzen ab, und Walther stürzte nieder.
Eckbert fühlte sich leicht und beruhigt, und doch trieb ihn ein Schauder nach seiner Burg zu- rück; er hatte einen großen Weg zu machen, denn er war weit hinein in die Wälder verirrt. -- Als er ankam, war Bertha schon gestorben; sie hatte vor ihrem Tode noch viel von Walther und der Alten gesprochen.
Eckbert lebte nun eine lange Zeit in der größ- ten Einsamkeit; er war schon sonst immer schwer- müthig gewesen, weil ihn die seltsame Geschichte seiner Gattin beunruhigte, und er irgend einen unglücklichen Vorfall, der sich ereignen könnte, befürchtete: aber jetzt war er ganz mit sich zerfal- len. Die Ermordung seines Freundes stand ihm unaufhörlich vor Augen, er lebte unter ewigen innern Vorwürfen.
Um sich zu zerstreuen, begab er sich zuweilen nach der nächsten großen Stadt, wo er Gesellschaf- ten und Feste besuchte. Er wünschte durch irgend einen Freund die Leere in seiner Seele auszufül- len, und wenn er dann wieder an Walther zurück dachte, so erschrack er vor dem Gedanken, einen Freund zu finden, denn er war überzeugt, daß er nur unglücklich mit jedweden Freunde sein könne. Er hatte so lange mit Bertha in einer schönen Ruhe gelebt, die Freundschaft Walthers hatte ihn so manches Jahr hindurch beglückt, und jetzt waren beide so plötzlich dahin gerafft, daß ihm sein Leben
Erſte Abtheilung.
aber indem flog der Bolzen ab, und Walther ſtuͤrzte nieder.
Eckbert fuͤhlte ſich leicht und beruhigt, und doch trieb ihn ein Schauder nach ſeiner Burg zu- ruͤck; er hatte einen großen Weg zu machen, denn er war weit hinein in die Waͤlder verirrt. — Als er ankam, war Bertha ſchon geſtorben; ſie hatte vor ihrem Tode noch viel von Walther und der Alten geſprochen.
Eckbert lebte nun eine lange Zeit in der groͤß- ten Einſamkeit; er war ſchon ſonſt immer ſchwer- muͤthig geweſen, weil ihn die ſeltſame Geſchichte ſeiner Gattin beunruhigte, und er irgend einen ungluͤcklichen Vorfall, der ſich ereignen koͤnnte, befuͤrchtete: aber jetzt war er ganz mit ſich zerfal- len. Die Ermordung ſeines Freundes ſtand ihm unaufhoͤrlich vor Augen, er lebte unter ewigen innern Vorwuͤrfen.
Um ſich zu zerſtreuen, begab er ſich zuweilen nach der naͤchſten großen Stadt, wo er Geſellſchaf- ten und Feſte beſuchte. Er wuͤnſchte durch irgend einen Freund die Leere in ſeiner Seele auszufuͤl- len, und wenn er dann wieder an Walther zuruͤck dachte, ſo erſchrack er vor dem Gedanken, einen Freund zu finden, denn er war uͤberzeugt, daß er nur ungluͤcklich mit jedweden Freunde ſein koͤnne. Er hatte ſo lange mit Bertha in einer ſchoͤnen Ruhe gelebt, die Freundſchaft Walthers hatte ihn ſo manches Jahr hindurch begluͤckt, und jetzt waren beide ſo ploͤtzlich dahin gerafft, daß ihm ſein Leben
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[188/0199]
Erſte Abtheilung.
aber indem flog der Bolzen ab, und Walther ſtuͤrzte
nieder.
Eckbert fuͤhlte ſich leicht und beruhigt, und
doch trieb ihn ein Schauder nach ſeiner Burg zu-
ruͤck; er hatte einen großen Weg zu machen, denn
er war weit hinein in die Waͤlder verirrt. — Als
er ankam, war Bertha ſchon geſtorben; ſie hatte
vor ihrem Tode noch viel von Walther und der
Alten geſprochen.
Eckbert lebte nun eine lange Zeit in der groͤß-
ten Einſamkeit; er war ſchon ſonſt immer ſchwer-
muͤthig geweſen, weil ihn die ſeltſame Geſchichte
ſeiner Gattin beunruhigte, und er irgend einen
ungluͤcklichen Vorfall, der ſich ereignen koͤnnte,
befuͤrchtete: aber jetzt war er ganz mit ſich zerfal-
len. Die Ermordung ſeines Freundes ſtand ihm
unaufhoͤrlich vor Augen, er lebte unter ewigen
innern Vorwuͤrfen.
Um ſich zu zerſtreuen, begab er ſich zuweilen
nach der naͤchſten großen Stadt, wo er Geſellſchaf-
ten und Feſte beſuchte. Er wuͤnſchte durch irgend
einen Freund die Leere in ſeiner Seele auszufuͤl-
len, und wenn er dann wieder an Walther zuruͤck
dachte, ſo erſchrack er vor dem Gedanken, einen
Freund zu finden, denn er war uͤberzeugt, daß er
nur ungluͤcklich mit jedweden Freunde ſein koͤnne.
Er hatte ſo lange mit Bertha in einer ſchoͤnen
Ruhe gelebt, die Freundſchaft Walthers hatte ihn
ſo manches Jahr hindurch begluͤckt, und jetzt waren
beide ſo ploͤtzlich dahin gerafft, daß ihm ſein Leben
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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