wie ein Kind vom Hause, so daß man sich nicht mehr verwunderte, wenn ich zugegen war, und Emma ward mir mit jedem Tage lieber. So ver- gingen mir die Stunden, und eine Zärtlichkeit hatte mein Herz gefangen genommen, ohne daß ich es selber wußte. Meine ganze Bestimmung schien mir nun erfüllt, ich hatte keine andere Wün- sche, als immer wieder zukommen, und wenn ich fortging, dieselbe Aussicht auf den künftigen Tag zu haben.
Um die Zeit ward ein junger Ritter in der Familie bekannt, der auch zugleich ein Freund mei- ner Eltern war, und sich bald eben so, wie ich, an Emma schloß. Ich haßte ihn von diesem Au- genblicke wie meinen Todfeind. Unbeschreiblich aber waren meine Gefühle, als ich wahrzunehmen glaubte, daß Emma seine Gesellschaft der meinigen vorziehe. Von dieser Stunde an war es, als wenn die Musik, die mich bis dahin begleitet hatte, in meinem Busen unterginge. Ich dachte nur Tod und Haß, wilde Gedanken erwachten in meiner Brust, wenn Emma nun auf der Laute die bekann- ten Gesänge sang. Auch verbarg ich meinen Wi- derwillen nicht, und bezeigte mich gegen meine El- tern, die mir Vorwürfe machten, wild und wider- spenstig.
Nun irrte ich in den Wäldern und zwischen Felsen umher, gegen mich selber wüthend: den Tod meines Gegners hatte ich beschlossen. Der junge Ritter hielt nach einigen Monden bei den Eltern um meine Geliebte an, sie wurde ihm zugesagt.
Erſte Abtheilung.
wie ein Kind vom Hauſe, ſo daß man ſich nicht mehr verwunderte, wenn ich zugegen war, und Emma ward mir mit jedem Tage lieber. So ver- gingen mir die Stunden, und eine Zaͤrtlichkeit hatte mein Herz gefangen genommen, ohne daß ich es ſelber wußte. Meine ganze Beſtimmung ſchien mir nun erfuͤllt, ich hatte keine andere Wuͤn- ſche, als immer wieder zukommen, und wenn ich fortging, dieſelbe Ausſicht auf den kuͤnftigen Tag zu haben.
Um die Zeit ward ein junger Ritter in der Familie bekannt, der auch zugleich ein Freund mei- ner Eltern war, und ſich bald eben ſo, wie ich, an Emma ſchloß. Ich haßte ihn von dieſem Au- genblicke wie meinen Todfeind. Unbeſchreiblich aber waren meine Gefuͤhle, als ich wahrzunehmen glaubte, daß Emma ſeine Geſellſchaft der meinigen vorziehe. Von dieſer Stunde an war es, als wenn die Muſik, die mich bis dahin begleitet hatte, in meinem Buſen unterginge. Ich dachte nur Tod und Haß, wilde Gedanken erwachten in meiner Bruſt, wenn Emma nun auf der Laute die bekann- ten Geſaͤnge ſang. Auch verbarg ich meinen Wi- derwillen nicht, und bezeigte mich gegen meine El- tern, die mir Vorwuͤrfe machten, wild und wider- ſpenſtig.
Nun irrte ich in den Waͤldern und zwiſchen Felſen umher, gegen mich ſelber wuͤthend: den Tod meines Gegners hatte ich beſchloſſen. Der junge Ritter hielt nach einigen Monden bei den Eltern um meine Geliebte an, ſie wurde ihm zugeſagt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0239"n="228"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſte Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
wie ein Kind vom Hauſe, ſo daß man ſich nicht<lb/>
mehr verwunderte, wenn ich zugegen war, und<lb/>
Emma ward mir mit jedem Tage lieber. So ver-<lb/>
gingen mir die Stunden, und eine Zaͤrtlichkeit<lb/>
hatte mein Herz gefangen genommen, ohne daß<lb/>
ich es ſelber wußte. Meine ganze Beſtimmung<lb/>ſchien mir nun erfuͤllt, ich hatte keine andere Wuͤn-<lb/>ſche, als immer wieder zukommen, und wenn ich<lb/>
fortging, dieſelbe Ausſicht auf den kuͤnftigen Tag<lb/>
zu haben.</p><lb/><p>Um die Zeit ward ein junger Ritter in der<lb/>
Familie bekannt, der auch zugleich ein Freund mei-<lb/>
ner Eltern war, und ſich bald eben ſo, wie ich,<lb/>
an Emma ſchloß. Ich haßte ihn von dieſem Au-<lb/>
genblicke wie meinen Todfeind. Unbeſchreiblich aber<lb/>
waren meine Gefuͤhle, als ich wahrzunehmen<lb/>
glaubte, daß Emma ſeine Geſellſchaft der meinigen<lb/>
vorziehe. Von dieſer Stunde an war es, als wenn<lb/>
die Muſik, die mich bis dahin begleitet hatte, in<lb/>
meinem Buſen unterginge. Ich dachte nur Tod<lb/>
und Haß, wilde Gedanken erwachten in meiner<lb/>
Bruſt, wenn Emma nun auf der Laute die bekann-<lb/>
ten Geſaͤnge ſang. Auch verbarg ich meinen Wi-<lb/>
derwillen nicht, und bezeigte mich gegen meine El-<lb/>
tern, die mir Vorwuͤrfe machten, wild und wider-<lb/>ſpenſtig.</p><lb/><p>Nun irrte ich in den Waͤldern und zwiſchen<lb/>
Felſen umher, gegen mich ſelber wuͤthend: den Tod<lb/>
meines Gegners hatte ich beſchloſſen. Der junge<lb/>
Ritter hielt nach einigen Monden bei den Eltern<lb/>
um meine Geliebte an, ſie wurde ihm zugeſagt.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[228/0239]
Erſte Abtheilung.
wie ein Kind vom Hauſe, ſo daß man ſich nicht
mehr verwunderte, wenn ich zugegen war, und
Emma ward mir mit jedem Tage lieber. So ver-
gingen mir die Stunden, und eine Zaͤrtlichkeit
hatte mein Herz gefangen genommen, ohne daß
ich es ſelber wußte. Meine ganze Beſtimmung
ſchien mir nun erfuͤllt, ich hatte keine andere Wuͤn-
ſche, als immer wieder zukommen, und wenn ich
fortging, dieſelbe Ausſicht auf den kuͤnftigen Tag
zu haben.
Um die Zeit ward ein junger Ritter in der
Familie bekannt, der auch zugleich ein Freund mei-
ner Eltern war, und ſich bald eben ſo, wie ich,
an Emma ſchloß. Ich haßte ihn von dieſem Au-
genblicke wie meinen Todfeind. Unbeſchreiblich aber
waren meine Gefuͤhle, als ich wahrzunehmen
glaubte, daß Emma ſeine Geſellſchaft der meinigen
vorziehe. Von dieſer Stunde an war es, als wenn
die Muſik, die mich bis dahin begleitet hatte, in
meinem Buſen unterginge. Ich dachte nur Tod
und Haß, wilde Gedanken erwachten in meiner
Bruſt, wenn Emma nun auf der Laute die bekann-
ten Geſaͤnge ſang. Auch verbarg ich meinen Wi-
derwillen nicht, und bezeigte mich gegen meine El-
tern, die mir Vorwuͤrfe machten, wild und wider-
ſpenſtig.
Nun irrte ich in den Waͤldern und zwiſchen
Felſen umher, gegen mich ſelber wuͤthend: den Tod
meines Gegners hatte ich beſchloſſen. Der junge
Ritter hielt nach einigen Monden bei den Eltern
um meine Geliebte an, ſie wurde ihm zugeſagt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/239>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.