Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Erste Abtheilung. keit der Trieb nach der Ruhe, der Wunsch zuralten unschuldigen Erde mit ihren dürftigen Freu- den eben so ergriff, wie mich vormals die Sehn- sucht hieher gedrängt hatte. Es zog mich an, wie- der jenes Leben zu leben, das die Menschen in aller Bewußtlosigkeit führen, mit Leiden und ab- wechselnden Freuden, ich war von dem Glanz ge- sättigt und suchte gern die vorige Heimath wieder. Eine unbegreifliche Gnade des Allmächtigen ver- schaffte mir die Rückkehr, ich befand mich plötzlich wieder in der Welt, und denke nun meinen sün- digen Busen vor den Stuhl unsers allerheiligsten Vaters in Rom auszuschütten, daß er mir ver- gebe und ich den übrigen Menschen wieder zuge- zählt werde. -- Der Tannenhäuser schwieg still, und Friedrich Er nahm hierauf den verwirrten Tannenhäuser Erſte Abtheilung. keit der Trieb nach der Ruhe, der Wunſch zuralten unſchuldigen Erde mit ihren duͤrftigen Freu- den eben ſo ergriff, wie mich vormals die Sehn- ſucht hieher gedraͤngt hatte. Es zog mich an, wie- der jenes Leben zu leben, das die Menſchen in aller Bewußtloſigkeit fuͤhren, mit Leiden und ab- wechſelnden Freuden, ich war von dem Glanz ge- ſaͤttigt und ſuchte gern die vorige Heimath wieder. Eine unbegreifliche Gnade des Allmaͤchtigen ver- ſchaffte mir die Ruͤckkehr, ich befand mich ploͤtzlich wieder in der Welt, und denke nun meinen ſuͤn- digen Buſen vor den Stuhl unſers allerheiligſten Vaters in Rom auszuſchuͤtten, daß er mir ver- gebe und ich den uͤbrigen Menſchen wieder zuge- zaͤhlt werde. — Der Tannenhaͤuſer ſchwieg ſtill, und Friedrich Er nahm hierauf den verwirrten Tannenhaͤuſer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0247" n="236"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſte Abtheilung</hi>.</fw><lb/> keit der Trieb nach der Ruhe, der Wunſch zur<lb/> alten unſchuldigen Erde mit ihren duͤrftigen Freu-<lb/> den eben ſo ergriff, wie mich vormals die Sehn-<lb/> ſucht hieher gedraͤngt hatte. Es zog mich an, wie-<lb/> der jenes Leben zu leben, das die Menſchen in<lb/> aller Bewußtloſigkeit fuͤhren, mit Leiden und ab-<lb/> wechſelnden Freuden, ich war von dem Glanz ge-<lb/> ſaͤttigt und ſuchte gern die vorige Heimath wieder.<lb/> Eine unbegreifliche Gnade des Allmaͤchtigen ver-<lb/> ſchaffte mir die Ruͤckkehr, ich befand mich ploͤtzlich<lb/> wieder in der Welt, und denke nun meinen ſuͤn-<lb/> digen Buſen vor den Stuhl unſers allerheiligſten<lb/> Vaters in Rom auszuſchuͤtten, daß er mir ver-<lb/> gebe und ich den uͤbrigen Menſchen wieder zuge-<lb/> zaͤhlt werde. —</p><lb/> <p>Der Tannenhaͤuſer ſchwieg ſtill, und Friedrich<lb/> betrachtete ihn lange mit einem pruͤfenden Blicke,<lb/> dann nahm er die Hand ſeines Freundes und ſagte:<lb/> Immer noch kann ich nicht von meinem Erſtaunen<lb/> zuruͤck kommen, auch kann ich deine Erzaͤhlung<lb/> nicht begreifen, denn es iſt nicht anders moͤglich,<lb/> als daß alles, was du mir vorgetragen haſt, nur<lb/> eine Einbildung von dir ſein muß. Denn noch lebt<lb/> Emma, ſie iſt meine Gattin, und nie haben wir<lb/> gekaͤmpft, oder uns gehaßt, wie du glaubſt, doch<lb/> verſchwandeſt du noch vor unſrer Hochzeit aus der<lb/> Gegend, auch haſt du mir damals nie mit einem<lb/> einzigen Worte geſagt, daß Emma dir lieb ſei.</p><lb/> <p>Er nahm hierauf den verwirrten Tannenhaͤuſer<lb/> bei der Hand und fuͤhrte ihn in ein anderes Zim-<lb/> mer zu ſeiner Gattin, die eben von einem Beſuch<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0247]
Erſte Abtheilung.
keit der Trieb nach der Ruhe, der Wunſch zur
alten unſchuldigen Erde mit ihren duͤrftigen Freu-
den eben ſo ergriff, wie mich vormals die Sehn-
ſucht hieher gedraͤngt hatte. Es zog mich an, wie-
der jenes Leben zu leben, das die Menſchen in
aller Bewußtloſigkeit fuͤhren, mit Leiden und ab-
wechſelnden Freuden, ich war von dem Glanz ge-
ſaͤttigt und ſuchte gern die vorige Heimath wieder.
Eine unbegreifliche Gnade des Allmaͤchtigen ver-
ſchaffte mir die Ruͤckkehr, ich befand mich ploͤtzlich
wieder in der Welt, und denke nun meinen ſuͤn-
digen Buſen vor den Stuhl unſers allerheiligſten
Vaters in Rom auszuſchuͤtten, daß er mir ver-
gebe und ich den uͤbrigen Menſchen wieder zuge-
zaͤhlt werde. —
Der Tannenhaͤuſer ſchwieg ſtill, und Friedrich
betrachtete ihn lange mit einem pruͤfenden Blicke,
dann nahm er die Hand ſeines Freundes und ſagte:
Immer noch kann ich nicht von meinem Erſtaunen
zuruͤck kommen, auch kann ich deine Erzaͤhlung
nicht begreifen, denn es iſt nicht anders moͤglich,
als daß alles, was du mir vorgetragen haſt, nur
eine Einbildung von dir ſein muß. Denn noch lebt
Emma, ſie iſt meine Gattin, und nie haben wir
gekaͤmpft, oder uns gehaßt, wie du glaubſt, doch
verſchwandeſt du noch vor unſrer Hochzeit aus der
Gegend, auch haſt du mir damals nie mit einem
einzigen Worte geſagt, daß Emma dir lieb ſei.
Er nahm hierauf den verwirrten Tannenhaͤuſer
bei der Hand und fuͤhrte ihn in ein anderes Zim-
mer zu ſeiner Gattin, die eben von einem Beſuch
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