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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
Zimmer seiner Gattin, und die Weiber stürzten
ihm mit Geheul entgegen; der Tannenhäuser war
hier früh am Tage herein gedrungen und hatte die
Worte gesagt: diese soll mich nicht in meinem Laufe
stören! Man fand Emma ermordet.

Noch konnte sich Friedrich nicht besinnen, als
es ihn wie Entsetzen befiel; er konnte nicht ruhn,
er rannte ins Freie. Man wollte ihn zurück hal-
ten, aber er erzählte, wie ihm der Pilgrim einen
Kuß auf die Lippen gegeben habe, und wie dieser
Kuß ihn brenne, bis er jenen wieder gefunden. So
rannte er in unbegreiflicher Eile fort, den wunder-
lichen Berg und den Tannenhäuser zu suchen, und
man sah ihn seitdem nicht mehr. Die Leute sag-
ten, wer einen Kuß von einem aus dem Berge
bekommen, der könne der Lockung nicht widerstehn,
die ihn auch mit Zauber-Gewalt in die unterirdi-
schen Klüfte reiße. --



Alle waren nach geendigter Erzählung still
und in sich gekehrt, worauf Manfred sagte: ohne
alle Vorbereitung und einleitende Vorrede will
ich sogleich die Vorlesung meines Werkes begin-
nen, das, wie ich wohl nicht erst zu versichern
brauche, Original und eigne Erfindung ist. Da
unsre schöne Clara auf die Originalität so viel
giebt, so hoffe ich, daß sie auch diesem Mähr-
chen ihren Beifall nicht wird versagen können.
Er las hierauf folgende Erzählung.


Erſte Abtheilung.
Zimmer ſeiner Gattin, und die Weiber ſtuͤrzten
ihm mit Geheul entgegen; der Tannenhaͤuſer war
hier fruͤh am Tage herein gedrungen und hatte die
Worte geſagt: dieſe ſoll mich nicht in meinem Laufe
ſtoͤren! Man fand Emma ermordet.

Noch konnte ſich Friedrich nicht beſinnen, als
es ihn wie Entſetzen befiel; er konnte nicht ruhn,
er rannte ins Freie. Man wollte ihn zuruͤck hal-
ten, aber er erzaͤhlte, wie ihm der Pilgrim einen
Kuß auf die Lippen gegeben habe, und wie dieſer
Kuß ihn brenne, bis er jenen wieder gefunden. So
rannte er in unbegreiflicher Eile fort, den wunder-
lichen Berg und den Tannenhaͤuſer zu ſuchen, und
man ſah ihn ſeitdem nicht mehr. Die Leute ſag-
ten, wer einen Kuß von einem aus dem Berge
bekommen, der koͤnne der Lockung nicht widerſtehn,
die ihn auch mit Zauber-Gewalt in die unterirdi-
ſchen Kluͤfte reiße. —



Alle waren nach geendigter Erzaͤhlung ſtill
und in ſich gekehrt, worauf Manfred ſagte: ohne
alle Vorbereitung und einleitende Vorrede will
ich ſogleich die Vorleſung meines Werkes begin-
nen, das, wie ich wohl nicht erſt zu verſichern
brauche, Original und eigne Erfindung iſt. Da
unſre ſchoͤne Clara auf die Originalitaͤt ſo viel
giebt, ſo hoffe ich, daß ſie auch dieſem Maͤhr-
chen ihren Beifall nicht wird verſagen koͤnnen.
Er las hierauf folgende Erzaͤhlung.


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[238/0249] Erſte Abtheilung. Zimmer ſeiner Gattin, und die Weiber ſtuͤrzten ihm mit Geheul entgegen; der Tannenhaͤuſer war hier fruͤh am Tage herein gedrungen und hatte die Worte geſagt: dieſe ſoll mich nicht in meinem Laufe ſtoͤren! Man fand Emma ermordet. Noch konnte ſich Friedrich nicht beſinnen, als es ihn wie Entſetzen befiel; er konnte nicht ruhn, er rannte ins Freie. Man wollte ihn zuruͤck hal- ten, aber er erzaͤhlte, wie ihm der Pilgrim einen Kuß auf die Lippen gegeben habe, und wie dieſer Kuß ihn brenne, bis er jenen wieder gefunden. So rannte er in unbegreiflicher Eile fort, den wunder- lichen Berg und den Tannenhaͤuſer zu ſuchen, und man ſah ihn ſeitdem nicht mehr. Die Leute ſag- ten, wer einen Kuß von einem aus dem Berge bekommen, der koͤnne der Lockung nicht widerſtehn, die ihn auch mit Zauber-Gewalt in die unterirdi- ſchen Kluͤfte reiße. — Alle waren nach geendigter Erzaͤhlung ſtill und in ſich gekehrt, worauf Manfred ſagte: ohne alle Vorbereitung und einleitende Vorrede will ich ſogleich die Vorleſung meines Werkes begin- nen, das, wie ich wohl nicht erſt zu verſichern brauche, Original und eigne Erfindung iſt. Da unſre ſchoͤne Clara auf die Originalitaͤt ſo viel giebt, ſo hoffe ich, daß ſie auch dieſem Maͤhr- chen ihren Beifall nicht wird verſagen koͤnnen. Er las hierauf folgende Erzaͤhlung.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/249>, abgerufen am 21.11.2024.