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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
zu machen. Jezt müssen sie beide schon geputzt seyn;
diesen Anblick wollen wir nicht versäumen, denn
er ist ohne Zweifel interessant.

Der Trauernde ließ sich von dem schwatzenden
heitern Freunde fortziehn, und sie kamen bald zu
der Hütte. Eben trat der Zug heraus, um sich
nach der Kirche zu begeben. Der junge Knecht
war in seinem gewöhnlichen leinenen Kittel, und
prangte nur mit einem Paar ledernen Beinkleidern,
die er so hell als möglich angestrichen hatte; er
war von einfältiger Miene und schien verlegen.
Die Braut war von der Sonne verbrannt, nur
wenige lezte Spuren der Jugend waren an ihr
sichtbar; sie war grob und arm aber reinlich geklei-
det, einige rothe und blaue seidne Bänder, schon
etwas entfärbt, flatterten von ihrem Mieder, am
meisten aber war sie dadurch entstellt, daß man ihr
die Haare steif mit Fett, Mehl und Nadeln aus
der Stirn gestrichen und oben zusammen geheftet
hatte, auf dieser Spitze des aufgethürmten Haars
stand der Kranz. Sie lächelte und schien frölich,
doch war sie verschämt und blöde. Die alten El-
tern folgten; der Vater war auch nur Knecht auf
dem Hofe, und die Hütte, der Hausrath so wie
die Kleidung, alles verrieth die äußerste Armuth.
Ein schielender schmutziger Musikant folgte dem
Zuge, der greinend auf einer Geige strich und da-
zu schrie, diese war halb aus Pappe und Holz zu-
sammen geleimt, und statt der Saiten mit drei
Bindfäden bezogen. Der Zug machte Halt, als
der neue gnädige Herr zu den Leuten trat. Einige

muth-

Erſte Abtheilung.
zu machen. Jezt muͤſſen ſie beide ſchon geputzt ſeyn;
dieſen Anblick wollen wir nicht verſaͤumen, denn
er iſt ohne Zweifel intereſſant.

Der Trauernde ließ ſich von dem ſchwatzenden
heitern Freunde fortziehn, und ſie kamen bald zu
der Huͤtte. Eben trat der Zug heraus, um ſich
nach der Kirche zu begeben. Der junge Knecht
war in ſeinem gewoͤhnlichen leinenen Kittel, und
prangte nur mit einem Paar ledernen Beinkleidern,
die er ſo hell als moͤglich angeſtrichen hatte; er
war von einfaͤltiger Miene und ſchien verlegen.
Die Braut war von der Sonne verbrannt, nur
wenige lezte Spuren der Jugend waren an ihr
ſichtbar; ſie war grob und arm aber reinlich geklei-
det, einige rothe und blaue ſeidne Baͤnder, ſchon
etwas entfaͤrbt, flatterten von ihrem Mieder, am
meiſten aber war ſie dadurch entſtellt, daß man ihr
die Haare ſteif mit Fett, Mehl und Nadeln aus
der Stirn geſtrichen und oben zuſammen geheftet
hatte, auf dieſer Spitze des aufgethuͤrmten Haars
ſtand der Kranz. Sie laͤchelte und ſchien froͤlich,
doch war ſie verſchaͤmt und bloͤde. Die alten El-
tern folgten; der Vater war auch nur Knecht auf
dem Hofe, und die Huͤtte, der Hausrath ſo wie
die Kleidung, alles verrieth die aͤußerſte Armuth.
Ein ſchielender ſchmutziger Muſikant folgte dem
Zuge, der greinend auf einer Geige ſtrich und da-
zu ſchrie, dieſe war halb aus Pappe und Holz zu-
ſammen geleimt, und ſtatt der Saiten mit drei
Bindfaͤden bezogen. Der Zug machte Halt, als
der neue gnaͤdige Herr zu den Leuten trat. Einige

muth-
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[304/0315] Erſte Abtheilung. zu machen. Jezt muͤſſen ſie beide ſchon geputzt ſeyn; dieſen Anblick wollen wir nicht verſaͤumen, denn er iſt ohne Zweifel intereſſant. Der Trauernde ließ ſich von dem ſchwatzenden heitern Freunde fortziehn, und ſie kamen bald zu der Huͤtte. Eben trat der Zug heraus, um ſich nach der Kirche zu begeben. Der junge Knecht war in ſeinem gewoͤhnlichen leinenen Kittel, und prangte nur mit einem Paar ledernen Beinkleidern, die er ſo hell als moͤglich angeſtrichen hatte; er war von einfaͤltiger Miene und ſchien verlegen. Die Braut war von der Sonne verbrannt, nur wenige lezte Spuren der Jugend waren an ihr ſichtbar; ſie war grob und arm aber reinlich geklei- det, einige rothe und blaue ſeidne Baͤnder, ſchon etwas entfaͤrbt, flatterten von ihrem Mieder, am meiſten aber war ſie dadurch entſtellt, daß man ihr die Haare ſteif mit Fett, Mehl und Nadeln aus der Stirn geſtrichen und oben zuſammen geheftet hatte, auf dieſer Spitze des aufgethuͤrmten Haars ſtand der Kranz. Sie laͤchelte und ſchien froͤlich, doch war ſie verſchaͤmt und bloͤde. Die alten El- tern folgten; der Vater war auch nur Knecht auf dem Hofe, und die Huͤtte, der Hausrath ſo wie die Kleidung, alles verrieth die aͤußerſte Armuth. Ein ſchielender ſchmutziger Muſikant folgte dem Zuge, der greinend auf einer Geige ſtrich und da- zu ſchrie, dieſe war halb aus Pappe und Holz zu- ſammen geleimt, und ſtatt der Saiten mit drei Bindfaͤden bezogen. Der Zug machte Halt, als der neue gnaͤdige Herr zu den Leuten trat. Einige muth-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/315>, abgerufen am 22.11.2024.