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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
hielten sich männlich. Peter war ungeduldig und
einer der ersten, welche aufzogen. Er hielt sich so
wacker, daß er viele Ritter, von ihren Rossen
stach, unter andern auch den Herrn Heinrich. Ma-
gelone stand oben auf dem Altane, und wurde vor
Furcht und herzinnigen Wünschen bald roth und
bald blaß. Gegen Peter stellte sich endlich sein
Oheim, der ihn nicht kannte; aber Peter kannte
ihn gar wohl, er rief deshalb den Herold zu sich,
und schickte ihn mit diesen Worten an seinen Vet-
ter: er habe ihm einst in der Ritterschaft einen
großen Dienst erwiesen, deshalb möchte er nicht
gegen ihn rennen, sondern er erkenne ihn ohnedies
für den besseren Ritter. Aber der alte Ritters-
mann ward über den Antrag zornig, und sagte:
habe ich ihm je einen Dienst erwiesen, so sollte
er um so lieber eine Lanze mit mir brechen, um
auch mir zu Gefallen zu leben; meint er denn,
daß ich seiner nicht werth sey. Denn er wird hier
für einen überaus tapfern Ritter geachtet, wie auch
seine Thaten genugsam an den Tag legen, daß dem
wirklich so sey. Blieb also mit seinem Rosse auf
der Bahn stehn, und dem jungen Ritter ward
vom Herolde die zornige Antwort überbracht. Sie
rannten gegen einander, aber Peter trug seine
Lanze in der Quere, um seinen Verwandten nicht
zu verletzen. Jener, Herr Jakob genannt, rannte
den Peter so an, daß die Lanze zersplitterte, und
er selber fast bügellos wurde. Alle verwunderten
sich und die beiden Gegner maßen noch einmal die
Bahn zurück, dann ritten sie wieder gegen einan-

Erſte Abtheilung.
hielten ſich maͤnnlich. Peter war ungeduldig und
einer der erſten, welche aufzogen. Er hielt ſich ſo
wacker, daß er viele Ritter, von ihren Roſſen
ſtach, unter andern auch den Herrn Heinrich. Ma-
gelone ſtand oben auf dem Altane, und wurde vor
Furcht und herzinnigen Wuͤnſchen bald roth und
bald blaß. Gegen Peter ſtellte ſich endlich ſein
Oheim, der ihn nicht kannte; aber Peter kannte
ihn gar wohl, er rief deshalb den Herold zu ſich,
und ſchickte ihn mit dieſen Worten an ſeinen Vet-
ter: er habe ihm einſt in der Ritterſchaft einen
großen Dienſt erwieſen, deshalb moͤchte er nicht
gegen ihn rennen, ſondern er erkenne ihn ohnedies
fuͤr den beſſeren Ritter. Aber der alte Ritters-
mann ward uͤber den Antrag zornig, und ſagte:
habe ich ihm je einen Dienſt erwieſen, ſo ſollte
er um ſo lieber eine Lanze mit mir brechen, um
auch mir zu Gefallen zu leben; meint er denn,
daß ich ſeiner nicht werth ſey. Denn er wird hier
fuͤr einen uͤberaus tapfern Ritter geachtet, wie auch
ſeine Thaten genugſam an den Tag legen, daß dem
wirklich ſo ſey. Blieb alſo mit ſeinem Roſſe auf
der Bahn ſtehn, und dem jungen Ritter ward
vom Herolde die zornige Antwort uͤberbracht. Sie
rannten gegen einander, aber Peter trug ſeine
Lanze in der Quere, um ſeinen Verwandten nicht
zu verletzen. Jener, Herr Jakob genannt, rannte
den Peter ſo an, daß die Lanze zerſplitterte, und
er ſelber faſt buͤgellos wurde. Alle verwunderten
ſich und die beiden Gegner maßen noch einmal die
Bahn zuruͤck, dann ritten ſie wieder gegen einan-

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[356/0367] Erſte Abtheilung. hielten ſich maͤnnlich. Peter war ungeduldig und einer der erſten, welche aufzogen. Er hielt ſich ſo wacker, daß er viele Ritter, von ihren Roſſen ſtach, unter andern auch den Herrn Heinrich. Ma- gelone ſtand oben auf dem Altane, und wurde vor Furcht und herzinnigen Wuͤnſchen bald roth und bald blaß. Gegen Peter ſtellte ſich endlich ſein Oheim, der ihn nicht kannte; aber Peter kannte ihn gar wohl, er rief deshalb den Herold zu ſich, und ſchickte ihn mit dieſen Worten an ſeinen Vet- ter: er habe ihm einſt in der Ritterſchaft einen großen Dienſt erwieſen, deshalb moͤchte er nicht gegen ihn rennen, ſondern er erkenne ihn ohnedies fuͤr den beſſeren Ritter. Aber der alte Ritters- mann ward uͤber den Antrag zornig, und ſagte: habe ich ihm je einen Dienſt erwieſen, ſo ſollte er um ſo lieber eine Lanze mit mir brechen, um auch mir zu Gefallen zu leben; meint er denn, daß ich ſeiner nicht werth ſey. Denn er wird hier fuͤr einen uͤberaus tapfern Ritter geachtet, wie auch ſeine Thaten genugſam an den Tag legen, daß dem wirklich ſo ſey. Blieb alſo mit ſeinem Roſſe auf der Bahn ſtehn, und dem jungen Ritter ward vom Herolde die zornige Antwort uͤberbracht. Sie rannten gegen einander, aber Peter trug ſeine Lanze in der Quere, um ſeinen Verwandten nicht zu verletzen. Jener, Herr Jakob genannt, rannte den Peter ſo an, daß die Lanze zerſplitterte, und er ſelber faſt buͤgellos wurde. Alle verwunderten ſich und die beiden Gegner maßen noch einmal die Bahn zuruͤck, dann ritten ſie wieder gegen einan-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/367>, abgerufen am 22.11.2024.