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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
nen, so hätte die Sache Sinn, aber so ist sie
freilich eine Erscheinung, die im grellsten Wider-
spruche mit der Zeit steht, die dieselben verfolg-
ten Bücher zu achten und zu studiren anfängt.

Im Gegentheil, fuhr Ernst fort, sollten wir
dem gemeinen Manne nicht nur diese Poesien
lassen, sondern ihm auch eine ihm verständliche
Bearbeitung der Niebelungen und der Helden-
bücher in die Hände zu spielen suchen, damit
er sich vor der weichlichen leeren Leserei bewahre,
die auch ihn zu ergreifen und auszuhöhlen droht.
Der Spanier hat, zu unsrer Beschämung, eine
höchst wohlfeile Ausgabe seines vortrefflichen
Don Quixote, mit schlechten Holzschnitten und
auf grobem Papier. Aber bei uns ist es kei-
nem, auch in der ersten Begeisterung eingefallen,
dem deutschen Bauer etwa den Götz von Berli-
chingen so anzubieten. Ließe man doch überhaupt
das Bewachen des Volks, und lernte es erst ken-
nen, wäre dann selber erzogen, um andre zu er-
ziehn, und suchte nicht eine falsche, schwächliche
Bildung Nationen aufzuprägen.

Mit Verlaub, sagte Theodor, daß ich die-
sen Diskurs unterbreche, es wird sonst Mitter-
nacht, ehe wir unsre Vorlesungen geendigt haben.

Er fing an.



Erſte Abtheilung.
nen, ſo haͤtte die Sache Sinn, aber ſo iſt ſie
freilich eine Erſcheinung, die im grellſten Wider-
ſpruche mit der Zeit ſteht, die dieſelben verfolg-
ten Buͤcher zu achten und zu ſtudiren anfaͤngt.

Im Gegentheil, fuhr Ernſt fort, ſollten wir
dem gemeinen Manne nicht nur dieſe Poeſien
laſſen, ſondern ihm auch eine ihm verſtaͤndliche
Bearbeitung der Niebelungen und der Helden-
buͤcher in die Haͤnde zu ſpielen ſuchen, damit
er ſich vor der weichlichen leeren Leſerei bewahre,
die auch ihn zu ergreifen und auszuhoͤhlen droht.
Der Spanier hat, zu unſrer Beſchaͤmung, eine
hoͤchſt wohlfeile Ausgabe ſeines vortrefflichen
Don Quixote, mit ſchlechten Holzſchnitten und
auf grobem Papier. Aber bei uns iſt es kei-
nem, auch in der erſten Begeiſterung eingefallen,
dem deutſchen Bauer etwa den Goͤtz von Berli-
chingen ſo anzubieten. Ließe man doch uͤberhaupt
das Bewachen des Volks, und lernte es erſt ken-
nen, waͤre dann ſelber erzogen, um andre zu er-
ziehn, und ſuchte nicht eine falſche, ſchwaͤchliche
Bildung Nationen aufzupraͤgen.

Mit Verlaub, ſagte Theodor, daß ich die-
ſen Diskurs unterbreche, es wird ſonſt Mitter-
nacht, ehe wir unſre Vorleſungen geendigt haben.

Er fing an.



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[399/0410] Erſte Abtheilung. nen, ſo haͤtte die Sache Sinn, aber ſo iſt ſie freilich eine Erſcheinung, die im grellſten Wider- ſpruche mit der Zeit ſteht, die dieſelben verfolg- ten Buͤcher zu achten und zu ſtudiren anfaͤngt. Im Gegentheil, fuhr Ernſt fort, ſollten wir dem gemeinen Manne nicht nur dieſe Poeſien laſſen, ſondern ihm auch eine ihm verſtaͤndliche Bearbeitung der Niebelungen und der Helden- buͤcher in die Haͤnde zu ſpielen ſuchen, damit er ſich vor der weichlichen leeren Leſerei bewahre, die auch ihn zu ergreifen und auszuhoͤhlen droht. Der Spanier hat, zu unſrer Beſchaͤmung, eine hoͤchſt wohlfeile Ausgabe ſeines vortrefflichen Don Quixote, mit ſchlechten Holzſchnitten und auf grobem Papier. Aber bei uns iſt es kei- nem, auch in der erſten Begeiſterung eingefallen, dem deutſchen Bauer etwa den Goͤtz von Berli- chingen ſo anzubieten. Ließe man doch uͤberhaupt das Bewachen des Volks, und lernte es erſt ken- nen, waͤre dann ſelber erzogen, um andre zu er- ziehn, und ſuchte nicht eine falſche, ſchwaͤchliche Bildung Nationen aufzupraͤgen. Mit Verlaub, ſagte Theodor, daß ich die- ſen Diskurs unterbreche, es wird ſonſt Mitter- nacht, ehe wir unſre Vorleſungen geendigt haben. Er fing an.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/410>, abgerufen am 22.11.2024.