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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Die Elfen.
großes unterirdisches Gemach. Hier lag viel Gold
und Silber, und Edelsteine von allen Farben fun-
kelten dazwischen. Wundersame Gefäße standen an
den Wänden umher, alle schienen mit Kostbarkeiten
angefüllt. Das Gold war in mannichfaltigen Ge-
stalten gearbeitet und schimmerte mit der freund-
lichsten Röthe. Viele kleine Zwerge waren beschäf-
tigt, die Stücke auseinander zu suchen und sie
in die Gefäße zu legen; andre, höckricht und
krummbeinicht, mit langen rothen Nasen, trugen
schwer und vorn über gebückt Säcke herein, so
wie die Müller Getraide, und schütteten die Gold-
körner keuchend auf dem Boden aus. Dann spran-
gen sie ungeschickt rechts und links, und griffen
die rollenden Kugeln, die sich verlaufen wollten,
und es geschah nicht selten, daß einer den andern
im Eifer umstieß, so daß sie schwer und tölpisch
zur Erde fielen. Sie machten verdrüßliche Gesich-
ter und sahen scheel, als Marie über ihre Geber-
den und Häßlichkeit lachte. Hinten saß ein alter
eingeschrumpfter kleiner Mann, welchen Zerina ehr-
erbietig grüßte, und der nur mit ernstem Kopf-
nicken dankte. Er hielt ein Zepter in der Hand
und trug eine Krone auf dem Haupte, alle übri-
gen Zwerge schienen ihn für ihren Herren anzuer-
kennen und seinen Winken zu gehorchen. Was
giebts wieder? fragte er mürrisch, als die Kinder
ihm etwas näher kamen. Marie schwieg furcht-
sam, aber ihre Gespielin antwortete, daß sie nur
gekommen seyen, sich in den Kammern umzuschauen.
Immer die alten Kindereien! sagte der Alte; wird

Die Elfen.
großes unterirdiſches Gemach. Hier lag viel Gold
und Silber, und Edelſteine von allen Farben fun-
kelten dazwiſchen. Wunderſame Gefaͤße ſtanden an
den Waͤnden umher, alle ſchienen mit Koſtbarkeiten
angefuͤllt. Das Gold war in mannichfaltigen Ge-
ſtalten gearbeitet und ſchimmerte mit der freund-
lichſten Roͤthe. Viele kleine Zwerge waren beſchaͤf-
tigt, die Stuͤcke auseinander zu ſuchen und ſie
in die Gefaͤße zu legen; andre, hoͤckricht und
krummbeinicht, mit langen rothen Naſen, trugen
ſchwer und vorn uͤber gebuͤckt Saͤcke herein, ſo
wie die Muͤller Getraide, und ſchuͤtteten die Gold-
koͤrner keuchend auf dem Boden aus. Dann ſpran-
gen ſie ungeſchickt rechts und links, und griffen
die rollenden Kugeln, die ſich verlaufen wollten,
und es geſchah nicht ſelten, daß einer den andern
im Eifer umſtieß, ſo daß ſie ſchwer und toͤlpiſch
zur Erde fielen. Sie machten verdruͤßliche Geſich-
ter und ſahen ſcheel, als Marie uͤber ihre Geber-
den und Haͤßlichkeit lachte. Hinten ſaß ein alter
eingeſchrumpfter kleiner Mann, welchen Zerina ehr-
erbietig gruͤßte, und der nur mit ernſtem Kopf-
nicken dankte. Er hielt ein Zepter in der Hand
und trug eine Krone auf dem Haupte, alle uͤbri-
gen Zwerge ſchienen ihn fuͤr ihren Herren anzuer-
kennen und ſeinen Winken zu gehorchen. Was
giebts wieder? fragte er muͤrriſch, als die Kinder
ihm etwas naͤher kamen. Marie ſchwieg furcht-
ſam, aber ihre Geſpielin antwortete, daß ſie nur
gekommen ſeyen, ſich in den Kammern umzuſchauen.
Immer die alten Kindereien! ſagte der Alte; wird

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[409/0420] Die Elfen. großes unterirdiſches Gemach. Hier lag viel Gold und Silber, und Edelſteine von allen Farben fun- kelten dazwiſchen. Wunderſame Gefaͤße ſtanden an den Waͤnden umher, alle ſchienen mit Koſtbarkeiten angefuͤllt. Das Gold war in mannichfaltigen Ge- ſtalten gearbeitet und ſchimmerte mit der freund- lichſten Roͤthe. Viele kleine Zwerge waren beſchaͤf- tigt, die Stuͤcke auseinander zu ſuchen und ſie in die Gefaͤße zu legen; andre, hoͤckricht und krummbeinicht, mit langen rothen Naſen, trugen ſchwer und vorn uͤber gebuͤckt Saͤcke herein, ſo wie die Muͤller Getraide, und ſchuͤtteten die Gold- koͤrner keuchend auf dem Boden aus. Dann ſpran- gen ſie ungeſchickt rechts und links, und griffen die rollenden Kugeln, die ſich verlaufen wollten, und es geſchah nicht ſelten, daß einer den andern im Eifer umſtieß, ſo daß ſie ſchwer und toͤlpiſch zur Erde fielen. Sie machten verdruͤßliche Geſich- ter und ſahen ſcheel, als Marie uͤber ihre Geber- den und Haͤßlichkeit lachte. Hinten ſaß ein alter eingeſchrumpfter kleiner Mann, welchen Zerina ehr- erbietig gruͤßte, und der nur mit ernſtem Kopf- nicken dankte. Er hielt ein Zepter in der Hand und trug eine Krone auf dem Haupte, alle uͤbri- gen Zwerge ſchienen ihn fuͤr ihren Herren anzuer- kennen und ſeinen Winken zu gehorchen. Was giebts wieder? fragte er muͤrriſch, als die Kinder ihm etwas naͤher kamen. Marie ſchwieg furcht- ſam, aber ihre Geſpielin antwortete, daß ſie nur gekommen ſeyen, ſich in den Kammern umzuſchauen. Immer die alten Kindereien! ſagte der Alte; wird

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/420>, abgerufen am 22.11.2024.