daß der Alte im Rufe eines Goldmachers stand. Eine Laute lag auf dem Tische, welche seltsam mit Perlmutter und farbigen Hölzern ausgelegt war und in glänzenden Gestalten Vögel und Blu- men darstellte; der Stern in der Mitte war ein großes Stück Perlmutter, auf das kunstreichste in vielen durchbrochenen Zirkelfiguren, fast wie die Fensterrose einer gothischen Kirche, ausgearbeitet. Ihr betrachtet da mein Instrument, sagte Albert, welcher zurück kehrte, es ist schon zweihundert Jahr alt, und ich habe es als ein Andenken meiner Reise aus Spanien mitgebracht. Doch laßt das alles und setzt euch jetzt.
Sie setzten sich an den Tisch, der ebenfalls mit einem rothen Teppiche bedeckt war, und der Alte stellte etwas Verhülltes auf die Tafel. Aus Mitleid gegen eure Jugend, fing er an, habe ich euch neulich versprochen, euch zu wahrsagen, ob ihr glücklich werden könnt oder nicht, und dieses Versprechen will ich in gegenwärtiger Stunde lö- sen, ob ihr gleich die Sache neulich nur für einen Scherz halten wolltet. Ihr dürft euch nicht ent- setzen, denn was ich vorhabe, kann ohne Gefahr geschehn, und weder furchtbare Citationen sollen von mir vorgenommen werden, noch soll euch eine gräßliche Erscheinung erschrecken. Die Sache, die ich versuchen will, kann in zweien Fällen mißlin- gen: wenn ihr nehmlich nicht so wahrhaft liebt, als ihr mich habt wollen glauben machen, denn alsdann ist meine Bemühung umsonst und es zeigt sich gar nichts; oder daß ihr das Orakel stört und
Erſte Abtheilung.
daß der Alte im Rufe eines Goldmachers ſtand. Eine Laute lag auf dem Tiſche, welche ſeltſam mit Perlmutter und farbigen Hoͤlzern ausgelegt war und in glaͤnzenden Geſtalten Voͤgel und Blu- men darſtellte; der Stern in der Mitte war ein großes Stuͤck Perlmutter, auf das kunſtreichſte in vielen durchbrochenen Zirkelfiguren, faſt wie die Fenſterroſe einer gothiſchen Kirche, ausgearbeitet. Ihr betrachtet da mein Inſtrument, ſagte Albert, welcher zuruͤck kehrte, es iſt ſchon zweihundert Jahr alt, und ich habe es als ein Andenken meiner Reiſe aus Spanien mitgebracht. Doch laßt das alles und ſetzt euch jetzt.
Sie ſetzten ſich an den Tiſch, der ebenfalls mit einem rothen Teppiche bedeckt war, und der Alte ſtellte etwas Verhuͤlltes auf die Tafel. Aus Mitleid gegen eure Jugend, fing er an, habe ich euch neulich verſprochen, euch zu wahrſagen, ob ihr gluͤcklich werden koͤnnt oder nicht, und dieſes Verſprechen will ich in gegenwaͤrtiger Stunde loͤ- ſen, ob ihr gleich die Sache neulich nur fuͤr einen Scherz halten wolltet. Ihr duͤrft euch nicht ent- ſetzen, denn was ich vorhabe, kann ohne Gefahr geſchehn, und weder furchtbare Citationen ſollen von mir vorgenommen werden, noch ſoll euch eine graͤßliche Erſcheinung erſchrecken. Die Sache, die ich verſuchen will, kann in zweien Faͤllen mißlin- gen: wenn ihr nehmlich nicht ſo wahrhaft liebt, als ihr mich habt wollen glauben machen, denn alsdann iſt meine Bemuͤhung umſonſt und es zeigt ſich gar nichts; oder daß ihr das Orakel ſtoͤrt und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0447"n="436"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſte Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
daß der Alte im Rufe eines Goldmachers ſtand.<lb/>
Eine Laute lag auf dem Tiſche, welche ſeltſam<lb/>
mit Perlmutter und farbigen Hoͤlzern ausgelegt<lb/>
war und in glaͤnzenden Geſtalten Voͤgel und Blu-<lb/>
men darſtellte; der Stern in der Mitte war ein<lb/>
großes Stuͤck Perlmutter, auf das kunſtreichſte in<lb/>
vielen durchbrochenen Zirkelfiguren, faſt wie die<lb/>
Fenſterroſe einer gothiſchen Kirche, ausgearbeitet.<lb/>
Ihr betrachtet da mein Inſtrument, ſagte Albert,<lb/>
welcher zuruͤck kehrte, es iſt ſchon zweihundert Jahr<lb/>
alt, und ich habe es als ein Andenken meiner Reiſe<lb/>
aus Spanien mitgebracht. Doch laßt das alles<lb/>
und ſetzt euch jetzt.</p><lb/><p>Sie ſetzten ſich an den Tiſch, der ebenfalls<lb/>
mit einem rothen Teppiche bedeckt war, und der<lb/>
Alte ſtellte etwas Verhuͤlltes auf die Tafel. Aus<lb/>
Mitleid gegen eure Jugend, fing er an, habe ich<lb/>
euch neulich verſprochen, euch zu wahrſagen, ob<lb/>
ihr gluͤcklich werden koͤnnt oder nicht, und dieſes<lb/>
Verſprechen will ich in gegenwaͤrtiger Stunde loͤ-<lb/>ſen, ob ihr gleich die Sache neulich nur fuͤr einen<lb/>
Scherz halten wolltet. Ihr duͤrft euch nicht ent-<lb/>ſetzen, denn was ich vorhabe, kann ohne Gefahr<lb/>
geſchehn, und weder furchtbare Citationen ſollen<lb/>
von mir vorgenommen werden, noch ſoll euch eine<lb/>
graͤßliche Erſcheinung erſchrecken. Die Sache, die<lb/>
ich verſuchen will, kann in zweien Faͤllen mißlin-<lb/>
gen: wenn ihr nehmlich nicht ſo wahrhaft liebt,<lb/>
als ihr mich habt wollen glauben machen, denn<lb/>
alsdann iſt meine Bemuͤhung umſonſt und es zeigt<lb/>ſich gar nichts; oder daß ihr das Orakel ſtoͤrt und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[436/0447]
Erſte Abtheilung.
daß der Alte im Rufe eines Goldmachers ſtand.
Eine Laute lag auf dem Tiſche, welche ſeltſam
mit Perlmutter und farbigen Hoͤlzern ausgelegt
war und in glaͤnzenden Geſtalten Voͤgel und Blu-
men darſtellte; der Stern in der Mitte war ein
großes Stuͤck Perlmutter, auf das kunſtreichſte in
vielen durchbrochenen Zirkelfiguren, faſt wie die
Fenſterroſe einer gothiſchen Kirche, ausgearbeitet.
Ihr betrachtet da mein Inſtrument, ſagte Albert,
welcher zuruͤck kehrte, es iſt ſchon zweihundert Jahr
alt, und ich habe es als ein Andenken meiner Reiſe
aus Spanien mitgebracht. Doch laßt das alles
und ſetzt euch jetzt.
Sie ſetzten ſich an den Tiſch, der ebenfalls
mit einem rothen Teppiche bedeckt war, und der
Alte ſtellte etwas Verhuͤlltes auf die Tafel. Aus
Mitleid gegen eure Jugend, fing er an, habe ich
euch neulich verſprochen, euch zu wahrſagen, ob
ihr gluͤcklich werden koͤnnt oder nicht, und dieſes
Verſprechen will ich in gegenwaͤrtiger Stunde loͤ-
ſen, ob ihr gleich die Sache neulich nur fuͤr einen
Scherz halten wolltet. Ihr duͤrft euch nicht ent-
ſetzen, denn was ich vorhabe, kann ohne Gefahr
geſchehn, und weder furchtbare Citationen ſollen
von mir vorgenommen werden, noch ſoll euch eine
graͤßliche Erſcheinung erſchrecken. Die Sache, die
ich verſuchen will, kann in zweien Faͤllen mißlin-
gen: wenn ihr nehmlich nicht ſo wahrhaft liebt,
als ihr mich habt wollen glauben machen, denn
alsdann iſt meine Bemuͤhung umſonſt und es zeigt
ſich gar nichts; oder daß ihr das Orakel ſtoͤrt und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/447>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.