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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Der Pokal.
waren, beschrieb er wieder die Kreise um den Rand,
die Musik sank wieder zurück und wurde leiser und
leiser, bis sie nicht mehr zu vernehmen war, das
leuchtende Netz zitterte wie beängstiget. Es brach
im zunehmenden Schwanken, und die Stralen reg-
neten tropfend in den Kelch, doch aus den nieder-
tropfenden erhob sich wie eine röthliche Wolke, die
sich in sich selbst in vielfachen Kreisen bewegte, und
wie Schaum über der Mündung schwebte. Ein
hellerer Punkt schwang sich mit der größten Schnel-
ligkeit durch die wolkigen Kreise. Da stand das
Gebild, und wie ein Auge schaute es plötzlich aus
dem Duft, wie goldene Locken floß und ringelte
es oben, und alsbald ging ein sanftes Erröthen in
dem wankenden Schatten auf und ab, und Ferdi-
nand erkannte das lächelnde Angesicht seiner Ge-
liebten, die blauen Augen, die zarten Wangen,
den lieblich rothen Mund. Das Haupt schwankte
hin und her, hob sich deutlicher und sichtbarer auf
dem schlanken weißen Halse hervor und neigte sich
zu dem entzückten Jünglinge hin. Der Alte be-
schrieb immer noch die Kreise um den Becher, und
heraus traten die glänzenden Schultern, und so
wie sich die liebliche Bildung aus dem goldenen
Bett mehr hervor drängte und holdselig hin und
wieder wiegte, so erschienen nun die beiden zarten,
gewölbten und getrennten Brüste, auf deren Spitze
die feinste Rosenknospe mit süß verhüllter Röthe
schimmerte. Ferdinand glaubte den Athem zu füh-
len, indem das geliebte Bild wogend zu ihm neigte,
und ihn fast mit den brennenden Lippen berührte;

Der Pokal.
waren, beſchrieb er wieder die Kreiſe um den Rand,
die Muſik ſank wieder zuruͤck und wurde leiſer und
leiſer, bis ſie nicht mehr zu vernehmen war, das
leuchtende Netz zitterte wie beaͤngſtiget. Es brach
im zunehmenden Schwanken, und die Stralen reg-
neten tropfend in den Kelch, doch aus den nieder-
tropfenden erhob ſich wie eine roͤthliche Wolke, die
ſich in ſich ſelbſt in vielfachen Kreiſen bewegte, und
wie Schaum uͤber der Muͤndung ſchwebte. Ein
hellerer Punkt ſchwang ſich mit der groͤßten Schnel-
ligkeit durch die wolkigen Kreiſe. Da ſtand das
Gebild, und wie ein Auge ſchaute es ploͤtzlich aus
dem Duft, wie goldene Locken floß und ringelte
es oben, und alsbald ging ein ſanftes Erroͤthen in
dem wankenden Schatten auf und ab, und Ferdi-
nand erkannte das laͤchelnde Angeſicht ſeiner Ge-
liebten, die blauen Augen, die zarten Wangen,
den lieblich rothen Mund. Das Haupt ſchwankte
hin und her, hob ſich deutlicher und ſichtbarer auf
dem ſchlanken weißen Halſe hervor und neigte ſich
zu dem entzuͤckten Juͤnglinge hin. Der Alte be-
ſchrieb immer noch die Kreiſe um den Becher, und
heraus traten die glaͤnzenden Schultern, und ſo
wie ſich die liebliche Bildung aus dem goldenen
Bett mehr hervor draͤngte und holdſelig hin und
wieder wiegte, ſo erſchienen nun die beiden zarten,
gewoͤlbten und getrennten Bruͤſte, auf deren Spitze
die feinſte Roſenknospe mit ſuͤß verhuͤllter Roͤthe
ſchimmerte. Ferdinand glaubte den Athem zu fuͤh-
len, indem das geliebte Bild wogend zu ihm neigte,
und ihn faſt mit den brennenden Lippen beruͤhrte;

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[439/0450] Der Pokal. waren, beſchrieb er wieder die Kreiſe um den Rand, die Muſik ſank wieder zuruͤck und wurde leiſer und leiſer, bis ſie nicht mehr zu vernehmen war, das leuchtende Netz zitterte wie beaͤngſtiget. Es brach im zunehmenden Schwanken, und die Stralen reg- neten tropfend in den Kelch, doch aus den nieder- tropfenden erhob ſich wie eine roͤthliche Wolke, die ſich in ſich ſelbſt in vielfachen Kreiſen bewegte, und wie Schaum uͤber der Muͤndung ſchwebte. Ein hellerer Punkt ſchwang ſich mit der groͤßten Schnel- ligkeit durch die wolkigen Kreiſe. Da ſtand das Gebild, und wie ein Auge ſchaute es ploͤtzlich aus dem Duft, wie goldene Locken floß und ringelte es oben, und alsbald ging ein ſanftes Erroͤthen in dem wankenden Schatten auf und ab, und Ferdi- nand erkannte das laͤchelnde Angeſicht ſeiner Ge- liebten, die blauen Augen, die zarten Wangen, den lieblich rothen Mund. Das Haupt ſchwankte hin und her, hob ſich deutlicher und ſichtbarer auf dem ſchlanken weißen Halſe hervor und neigte ſich zu dem entzuͤckten Juͤnglinge hin. Der Alte be- ſchrieb immer noch die Kreiſe um den Becher, und heraus traten die glaͤnzenden Schultern, und ſo wie ſich die liebliche Bildung aus dem goldenen Bett mehr hervor draͤngte und holdſelig hin und wieder wiegte, ſo erſchienen nun die beiden zarten, gewoͤlbten und getrennten Bruͤſte, auf deren Spitze die feinſte Roſenknospe mit ſuͤß verhuͤllter Roͤthe ſchimmerte. Ferdinand glaubte den Athem zu fuͤh- len, indem das geliebte Bild wogend zu ihm neigte, und ihn faſt mit den brennenden Lippen beruͤhrte;

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/450>, abgerufen am 22.11.2024.