Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Der Blaubart. Vorhang mit einer Gewalt, als wenn ich einenRiesen umwerfen wollte, und nun stand ich wieder in dem leeren Gemach. -- O denke dir, Schwester, wenn ich die Nacht über in der Behausung des Jammers hätte bleiben müssen! -- Nun hätte der Mond in die Blutkammer hinein geschienen, -- die Gerippe hätten sich wohl bewegt, oder meine erhitzte Einbildung hätte es mir so vorgestellt, -- ich wäre mit dem Kopf gegen die Mauer gerannt, ich hätte meine wüthenden Arme in die Knochen- gebäude verwickelt, -- ich hätte mich mit dem Tode und Entsetzen wild herum getummelt, -- denke dir, denke dir nur, Schwester, -- o über solche Vorstellungen kann man wahnsinnig werden. Anne. Fasse dich, Agnes, ich halte dich ja hier in meinen Armen. Agnes. Was macht das? -- die Entsetzlich- keit ist doch nicht weit von uns. Du darfst nur zu jener Thür hinaus treten, so liegt die andre vor dir, -- o Schwester! welch ein Schloß ist dies! ein Schlachthaus! Anne. Kind, wir müssen fort, unsre Brü- der müssen uns schützen. -- Wenn nur die Alte nicht wäre. Agnes. Sie hilft uns vielleicht. Anne. Armes Kind! sie ist gewiß mit dem Bösewicht einverstanden. Agnes. Gott, und sie ist so alt! Anne. Unglückliche Schwester! -- Agnes. Aber er kömmt vielleicht nicht wie- der! du machtest mich neulich noch mit diesem Ge- II. [ 8 ]
Der Blaubart. Vorhang mit einer Gewalt, als wenn ich einenRieſen umwerfen wollte, und nun ſtand ich wieder in dem leeren Gemach. — O denke dir, Schweſter, wenn ich die Nacht uͤber in der Behauſung des Jammers haͤtte bleiben muͤſſen! — Nun haͤtte der Mond in die Blutkammer hinein geſchienen, — die Gerippe haͤtten ſich wohl bewegt, oder meine erhitzte Einbildung haͤtte es mir ſo vorgeſtellt, — ich waͤre mit dem Kopf gegen die Mauer gerannt, ich haͤtte meine wuͤthenden Arme in die Knochen- gebaͤude verwickelt, — ich haͤtte mich mit dem Tode und Entſetzen wild herum getummelt, — denke dir, denke dir nur, Schweſter, — o uͤber ſolche Vorſtellungen kann man wahnſinnig werden. Anne. Faſſe dich, Agnes, ich halte dich ja hier in meinen Armen. Agnes. Was macht das? — die Entſetzlich- keit iſt doch nicht weit von uns. Du darfſt nur zu jener Thuͤr hinaus treten, ſo liegt die andre vor dir, — o Schweſter! welch ein Schloß iſt dies! ein Schlachthaus! Anne. Kind, wir muͤſſen fort, unſre Bruͤ- der muͤſſen uns ſchuͤtzen. — Wenn nur die Alte nicht waͤre. Agnes. Sie hilft uns vielleicht. Anne. Armes Kind! ſie iſt gewiß mit dem Boͤſewicht einverſtanden. Agnes. Gott, und ſie iſt ſo alt! Anne. Ungluͤckliche Schweſter! — Agnes. Aber er koͤmmt vielleicht nicht wie- der! du machteſt mich neulich noch mit dieſem Ge- II. [ 8 ]
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Der Blaubart.
Vorhang mit einer Gewalt, als wenn ich einen
Rieſen umwerfen wollte, und nun ſtand ich wieder
in dem leeren Gemach. — O denke dir, Schweſter,
wenn ich die Nacht uͤber in der Behauſung des
Jammers haͤtte bleiben muͤſſen! — Nun haͤtte
der Mond in die Blutkammer hinein geſchienen, —
die Gerippe haͤtten ſich wohl bewegt, oder meine
erhitzte Einbildung haͤtte es mir ſo vorgeſtellt, —
ich waͤre mit dem Kopf gegen die Mauer gerannt,
ich haͤtte meine wuͤthenden Arme in die Knochen-
gebaͤude verwickelt, — ich haͤtte mich mit dem
Tode und Entſetzen wild herum getummelt, —
denke dir, denke dir nur, Schweſter, — o uͤber
ſolche Vorſtellungen kann man wahnſinnig werden.
Anne. Faſſe dich, Agnes, ich halte dich ja
hier in meinen Armen.
Agnes. Was macht das? — die Entſetzlich-
keit iſt doch nicht weit von uns. Du darfſt nur
zu jener Thuͤr hinaus treten, ſo liegt die andre
vor dir, — o Schweſter! welch ein Schloß iſt
dies! ein Schlachthaus!
Anne. Kind, wir muͤſſen fort, unſre Bruͤ-
der muͤſſen uns ſchuͤtzen. — Wenn nur die Alte
nicht waͤre.
Agnes. Sie hilft uns vielleicht.
Anne. Armes Kind! ſie iſt gewiß mit dem
Boͤſewicht einverſtanden.
Agnes. Gott, und ſie iſt ſo alt!
Anne. Ungluͤckliche Schweſter! —
Agnes. Aber er koͤmmt vielleicht nicht wie-
der! du machteſt mich neulich noch mit dieſem Ge-
II. [ 8 ]
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