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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.

Die Damen bezeigten ihren Beifall; nach-
dem man eine Weile über das Schauspiel ge-
sprochen hatte, fragte Clara, woher nur diese
Angewöhnung, ja dieses Gesetz, die dramatischen
Gedichte in fünf Akte abzufassen?

Es ist schwer zu sagen, antwortete Lothar,
warum dieser Gebrauch uns so durchaus noth-
wendig dünkt; bloße Gewohnheit und Conven-
tion ist wohl diese scheinbare Zufälligkeit nicht,
sondern diese Sitte entspringt wohl auch, wie
so manches andre, von dem wir keine Rechen-
schaft geben können, aus einer innern verhüllten
Nothwendigkeit. Ein dramatisches Gedicht von
größerem Umfange muß seine Pausen und Ru-
hepunkte haben, das fühlen und wünschen wir
alle, denn wir wollen die einzelnen Theile be-
merken, aus welchen das Ganze zusammen ge-
setzt ist, um in ihnen das Ganze leichter zu fas-
sen und lebendiger uns vorzustellen. Die Ge-
wohnheit, ein dramatisches Gedicht in fünf Theile
zu zerwerfen, ist schon sehr alt, die Neuern ha-
ben ebenfalls diese Zahl angenommen, außer die
Spanier, welche drei Abschnitte fest gesezt ha-
ben, die man in den meisten ihrer Dramen fin-
det. Shakspear spielte seine Schauspiele wohl
fast alle ohne bedeutende Unterbrechung, doch
läßt sich die Eintheilung in fünf Akte auch bei
ihm nachweisen, und es ist wahrscheinlich, daß
diese Pausen, wenn sie gleich in seinem Theater
Zweite Abtheilung.

Die Damen bezeigten ihren Beifall; nach-
dem man eine Weile uͤber das Schauſpiel ge-
ſprochen hatte, fragte Clara, woher nur dieſe
Angewoͤhnung, ja dieſes Geſetz, die dramatiſchen
Gedichte in fuͤnf Akte abzufaſſen?

Es iſt ſchwer zu ſagen, antwortete Lothar,
warum dieſer Gebrauch uns ſo durchaus noth-
wendig duͤnkt; bloße Gewohnheit und Conven-
tion iſt wohl dieſe ſcheinbare Zufaͤlligkeit nicht,
ſondern dieſe Sitte entſpringt wohl auch, wie
ſo manches andre, von dem wir keine Rechen-
ſchaft geben koͤnnen, aus einer innern verhuͤllten
Nothwendigkeit. Ein dramatiſches Gedicht von
groͤßerem Umfange muß ſeine Pauſen und Ru-
hepunkte haben, das fuͤhlen und wuͤnſchen wir
alle, denn wir wollen die einzelnen Theile be-
merken, aus welchen das Ganze zuſammen ge-
ſetzt iſt, um in ihnen das Ganze leichter zu faſ-
ſen und lebendiger uns vorzuſtellen. Die Ge-
wohnheit, ein dramatiſches Gedicht in fuͤnf Theile
zu zerwerfen, iſt ſchon ſehr alt, die Neuern ha-
ben ebenfalls dieſe Zahl angenommen, außer die
Spanier, welche drei Abſchnitte feſt geſezt ha-
ben, die man in den meiſten ihrer Dramen fin-
det. Shakſpear ſpielte ſeine Schauſpiele wohl
faſt alle ohne bedeutende Unterbrechung, doch
laͤßt ſich die Eintheilung in fuͤnf Akte auch bei
ihm nachweiſen, und es iſt wahrſcheinlich, daß
dieſe Pauſen, wenn ſie gleich in ſeinem Theater
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[136/0145] Zweite Abtheilung. Die Damen bezeigten ihren Beifall; nach- dem man eine Weile uͤber das Schauſpiel ge- ſprochen hatte, fragte Clara, woher nur dieſe Angewoͤhnung, ja dieſes Geſetz, die dramatiſchen Gedichte in fuͤnf Akte abzufaſſen? Es iſt ſchwer zu ſagen, antwortete Lothar, warum dieſer Gebrauch uns ſo durchaus noth- wendig duͤnkt; bloße Gewohnheit und Conven- tion iſt wohl dieſe ſcheinbare Zufaͤlligkeit nicht, ſondern dieſe Sitte entſpringt wohl auch, wie ſo manches andre, von dem wir keine Rechen- ſchaft geben koͤnnen, aus einer innern verhuͤllten Nothwendigkeit. Ein dramatiſches Gedicht von groͤßerem Umfange muß ſeine Pauſen und Ru- hepunkte haben, das fuͤhlen und wuͤnſchen wir alle, denn wir wollen die einzelnen Theile be- merken, aus welchen das Ganze zuſammen ge- ſetzt iſt, um in ihnen das Ganze leichter zu faſ- ſen und lebendiger uns vorzuſtellen. Die Ge- wohnheit, ein dramatiſches Gedicht in fuͤnf Theile zu zerwerfen, iſt ſchon ſehr alt, die Neuern ha- ben ebenfalls dieſe Zahl angenommen, außer die Spanier, welche drei Abſchnitte feſt geſezt ha- ben, die man in den meiſten ihrer Dramen fin- det. Shakſpear ſpielte ſeine Schauſpiele wohl faſt alle ohne bedeutende Unterbrechung, doch laͤßt ſich die Eintheilung in fuͤnf Akte auch bei ihm nachweiſen, und es iſt wahrſcheinlich, daß dieſe Pauſen, wenn ſie gleich in ſeinem Theater

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/145>, abgerufen am 23.11.2024.