ders als die Herren zugegen waren, und so viel über Politik und die neusten Weltbegebenheiten sprachen, erschien sie mir etwas zu kindisch.
Es kann wohl nicht anders seyn, erwie- derte Anton, denn gerade das ganz Kindische des Gegenstandes reizte mich, ihn zu bearbeiten. Es schien mir, daß die Parodie der Tragödie hier mit der Tragödie selbst zusammen fallen könne.
Gozzi, sagte Clara, hat einige Gegenstände gewählt, die eben nicht erhabener sind, aber er hat sie pathetischer genommen; unmöglich war die Aufgabe dieser Kinder-Erzählung auf die- sem Wege zu lösen, und dennoch endigt sie tra- gischer, als eins der Gozzischen Mährchen: Wald, Morgen und Abend, frohes Lebensgefühl und schauerliche Ahndung sind die Bestandtheile die- ses Gedichts, und daß es sich in lauter poeti- schen Kindheits-Vorstellungen umtreibt, hat mir gerade gefallen.
In jener Zeit, sagte Lothar, als ich den Gozzi am eifrigsten las, machte ich auch den Versuch, ein Kindermährchen dramatisch zu be- arbeiten, welches, wenn ich mich nicht täusche, doch keine Nachahmung seiner Manier zu nen- nen ist. Die Reihe hat mich getroffen, Ihnen dieses heute vorzutragen. -- Lothar fing an zu lesen. --
Zweite Abtheilung.
ders als die Herren zugegen waren, und ſo viel uͤber Politik und die neuſten Weltbegebenheiten ſprachen, erſchien ſie mir etwas zu kindiſch.
Es kann wohl nicht anders ſeyn, erwie- derte Anton, denn gerade das ganz Kindiſche des Gegenſtandes reizte mich, ihn zu bearbeiten. Es ſchien mir, daß die Parodie der Tragoͤdie hier mit der Tragoͤdie ſelbſt zuſammen fallen koͤnne.
Gozzi, ſagte Clara, hat einige Gegenſtaͤnde gewaͤhlt, die eben nicht erhabener ſind, aber er hat ſie pathetiſcher genommen; unmoͤglich war die Aufgabe dieſer Kinder-Erzaͤhlung auf die- ſem Wege zu loͤſen, und dennoch endigt ſie tra- giſcher, als eins der Gozziſchen Maͤhrchen: Wald, Morgen und Abend, frohes Lebensgefuͤhl und ſchauerliche Ahndung ſind die Beſtandtheile die- ſes Gedichts, und daß es ſich in lauter poeti- ſchen Kindheits-Vorſtellungen umtreibt, hat mir gerade gefallen.
In jener Zeit, ſagte Lothar, als ich den Gozzi am eifrigſten las, machte ich auch den Verſuch, ein Kindermaͤhrchen dramatiſch zu be- arbeiten, welches, wenn ich mich nicht taͤuſche, doch keine Nachahmung ſeiner Manier zu nen- nen iſt. Die Reihe hat mich getroffen, Ihnen dieſes heute vorzutragen. — Lothar fing an zu leſen. —
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Zweite Abtheilung.
ders als die Herren zugegen waren, und ſo viel
uͤber Politik und die neuſten Weltbegebenheiten
ſprachen, erſchien ſie mir etwas zu kindiſch.
Es kann wohl nicht anders ſeyn, erwie-
derte Anton, denn gerade das ganz Kindiſche
des Gegenſtandes reizte mich, ihn zu bearbeiten.
Es ſchien mir, daß die Parodie der Tragoͤdie hier
mit der Tragoͤdie ſelbſt zuſammen fallen koͤnne.
Gozzi, ſagte Clara, hat einige Gegenſtaͤnde
gewaͤhlt, die eben nicht erhabener ſind, aber er
hat ſie pathetiſcher genommen; unmoͤglich war
die Aufgabe dieſer Kinder-Erzaͤhlung auf die-
ſem Wege zu loͤſen, und dennoch endigt ſie tra-
giſcher, als eins der Gozziſchen Maͤhrchen: Wald,
Morgen und Abend, frohes Lebensgefuͤhl und
ſchauerliche Ahndung ſind die Beſtandtheile die-
ſes Gedichts, und daß es ſich in lauter poeti-
ſchen Kindheits-Vorſtellungen umtreibt, hat mir
gerade gefallen.
In jener Zeit, ſagte Lothar, als ich den
Gozzi am eifrigſten las, machte ich auch den
Verſuch, ein Kindermaͤhrchen dramatiſch zu be-
arbeiten, welches, wenn ich mich nicht taͤuſche,
doch keine Nachahmung ſeiner Manier zu nen-
nen iſt. Die Reihe hat mich getroffen, Ihnen
dieſes heute vorzutragen. — Lothar fing an zu
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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