Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Der gestiefelte Kater.
des Antipode zu seyn, und wenn es selbst der große
Mogul wäre. Er denkt wohl, weil ich mich manch-
mal herab lasse, mit ihm zu disputiren, so werde
ich mir auch alles bieten lassen. Ja, ja, ich sehe,
wer sich zum Schaaf macht, den fressen die Wölfe;
man darf solche Gelehrte nur ein weniges um sich
greifen lassen, so mengen sie nach ihren Systemen
Kraut und Rüben durcheinander, und entblöden
sich nicht, den regierenden Herren selbst unter die
Antipoden zu werfen. Das dergleichen niemals
wieder geschieht!
Leander. Wie Ihro Majestät befehlen.
König. Doch um nicht einseitig bei einem
Gegenstande zu verweilen, so bringt mir nun ein-
mal mein Mikroskop herein! (Leander ab.) Ich muß
Ihnen sagen, meine Herren, daß ich es als eine
Andacht treibe, in das kleine Ding hinein zu kuk-
ken, und daß es mich in der That erbaut, und
mein Herz erhebt, wenn ich sehe, wie ein Wurm
so ungeheuer vergrößert wird, wie eine Made und
Fliege so seltsamlich konstruirt sind, und wie sie
in ihrer Pracht mit einem Könige wetteifern kön-
nen. -- (Leander kommt zurück.) Gebt her! Ist nicht
eine Mücke bei der Hand, ein Gewürm, sei es,
was es sei, um es zu beobachten?
Hanswurst. Sonst findet sich dergleichen
oft, ohne daß mans wünscht, und nun es zur
Geistesbildung dienen soll, läßt sich nichts betref-
fen: aber ich schlage Ihrer Majestät unmaßgeblich
vor, eins von den seltsamen Barthaaren des frem-
Der geſtiefelte Kater.
des Antipode zu ſeyn, und wenn es ſelbſt der große
Mogul waͤre. Er denkt wohl, weil ich mich manch-
mal herab laſſe, mit ihm zu disputiren, ſo werde
ich mir auch alles bieten laſſen. Ja, ja, ich ſehe,
wer ſich zum Schaaf macht, den freſſen die Woͤlfe;
man darf ſolche Gelehrte nur ein weniges um ſich
greifen laſſen, ſo mengen ſie nach ihren Syſtemen
Kraut und Ruͤben durcheinander, und entbloͤden
ſich nicht, den regierenden Herren ſelbſt unter die
Antipoden zu werfen. Das dergleichen niemals
wieder geſchieht!
Leander. Wie Ihro Majeſtaͤt befehlen.
Koͤnig. Doch um nicht einſeitig bei einem
Gegenſtande zu verweilen, ſo bringt mir nun ein-
mal mein Mikroskop herein! (Leander ab.) Ich muß
Ihnen ſagen, meine Herren, daß ich es als eine
Andacht treibe, in das kleine Ding hinein zu kuk-
ken, und daß es mich in der That erbaut, und
mein Herz erhebt, wenn ich ſehe, wie ein Wurm
ſo ungeheuer vergroͤßert wird, wie eine Made und
Fliege ſo ſeltſamlich konſtruirt ſind, und wie ſie
in ihrer Pracht mit einem Koͤnige wetteifern koͤn-
nen. — (Leander kommt zuruͤck.) Gebt her! Iſt nicht
eine Muͤcke bei der Hand, ein Gewuͤrm, ſei es,
was es ſei, um es zu beobachten?
Hanswurſt. Sonſt findet ſich dergleichen
oft, ohne daß mans wuͤnſcht, und nun es zur
Geiſtesbildung dienen ſoll, laͤßt ſich nichts betref-
fen: aber ich ſchlage Ihrer Majeſtaͤt unmaßgeblich
vor, eins von den ſeltſamen Barthaaren des frem-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#KOENIG">
                <p><pb facs="#f0206" n="197"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der ge&#x017F;tiefelte Kater</hi>.</fw><lb/>
des Antipode zu &#x017F;eyn, und wenn es &#x017F;elb&#x017F;t der große<lb/>
Mogul wa&#x0364;re. Er denkt wohl, weil ich mich manch-<lb/>
mal herab la&#x017F;&#x017F;e, mit ihm zu disputiren, &#x017F;o werde<lb/>
ich mir auch alles bieten la&#x017F;&#x017F;en. Ja, ja, ich &#x017F;ehe,<lb/>
wer &#x017F;ich zum Schaaf macht, den fre&#x017F;&#x017F;en die Wo&#x0364;lfe;<lb/>
man darf &#x017F;olche Gelehrte nur ein weniges um &#x017F;ich<lb/>
greifen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o mengen &#x017F;ie nach ihren Sy&#x017F;temen<lb/>
Kraut und Ru&#x0364;ben durcheinander, und entblo&#x0364;den<lb/>
&#x017F;ich nicht, den regierenden Herren &#x017F;elb&#x017F;t unter die<lb/>
Antipoden zu werfen. Das dergleichen niemals<lb/>
wieder ge&#x017F;chieht!</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LEANDER">
                <speaker><hi rendition="#g">Leander</hi>.</speaker>
                <p>Wie Ihro Maje&#x017F;ta&#x0364;t befehlen.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#KOENIG">
                <speaker><hi rendition="#g">Ko&#x0364;nig</hi>.</speaker>
                <p>Doch um nicht ein&#x017F;eitig bei einem<lb/>
Gegen&#x017F;tande zu verweilen, &#x017F;o bringt mir nun ein-<lb/>
mal mein Mikroskop herein! <stage>(Leander ab.)</stage> Ich muß<lb/>
Ihnen &#x017F;agen, meine Herren, daß ich es als eine<lb/>
Andacht treibe, in das kleine Ding hinein zu kuk-<lb/>
ken, und daß es mich in der That erbaut, und<lb/>
mein Herz erhebt, wenn ich &#x017F;ehe, wie ein Wurm<lb/>
&#x017F;o ungeheuer vergro&#x0364;ßert wird, wie eine Made und<lb/>
Fliege &#x017F;o &#x017F;elt&#x017F;amlich kon&#x017F;truirt &#x017F;ind, und wie &#x017F;ie<lb/>
in ihrer Pracht mit einem Ko&#x0364;nige wetteifern ko&#x0364;n-<lb/>
nen. &#x2014; <stage>(<hi rendition="#g">Leander</hi> kommt zuru&#x0364;ck.)</stage> Gebt her! I&#x017F;t nicht<lb/>
eine Mu&#x0364;cke bei der Hand, ein Gewu&#x0364;rm, &#x017F;ei es,<lb/>
was es &#x017F;ei, um es zu beobachten?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#HANSWURST">
                <speaker><hi rendition="#g">Hanswur&#x017F;t</hi>.</speaker>
                <p>Son&#x017F;t findet &#x017F;ich dergleichen<lb/>
oft, ohne daß mans wu&#x0364;n&#x017F;cht, und nun es zur<lb/>
Gei&#x017F;tesbildung dienen &#x017F;oll, la&#x0364;ßt &#x017F;ich nichts betref-<lb/>
fen: aber ich &#x017F;chlage Ihrer Maje&#x017F;ta&#x0364;t unmaßgeblich<lb/>
vor, eins von den &#x017F;elt&#x017F;amen Barthaaren des frem-<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0206] Der geſtiefelte Kater. des Antipode zu ſeyn, und wenn es ſelbſt der große Mogul waͤre. Er denkt wohl, weil ich mich manch- mal herab laſſe, mit ihm zu disputiren, ſo werde ich mir auch alles bieten laſſen. Ja, ja, ich ſehe, wer ſich zum Schaaf macht, den freſſen die Woͤlfe; man darf ſolche Gelehrte nur ein weniges um ſich greifen laſſen, ſo mengen ſie nach ihren Syſtemen Kraut und Ruͤben durcheinander, und entbloͤden ſich nicht, den regierenden Herren ſelbſt unter die Antipoden zu werfen. Das dergleichen niemals wieder geſchieht! Leander. Wie Ihro Majeſtaͤt befehlen. Koͤnig. Doch um nicht einſeitig bei einem Gegenſtande zu verweilen, ſo bringt mir nun ein- mal mein Mikroskop herein! (Leander ab.) Ich muß Ihnen ſagen, meine Herren, daß ich es als eine Andacht treibe, in das kleine Ding hinein zu kuk- ken, und daß es mich in der That erbaut, und mein Herz erhebt, wenn ich ſehe, wie ein Wurm ſo ungeheuer vergroͤßert wird, wie eine Made und Fliege ſo ſeltſamlich konſtruirt ſind, und wie ſie in ihrer Pracht mit einem Koͤnige wetteifern koͤn- nen. — (Leander kommt zuruͤck.) Gebt her! Iſt nicht eine Muͤcke bei der Hand, ein Gewuͤrm, ſei es, was es ſei, um es zu beobachten? Hanswurſt. Sonſt findet ſich dergleichen oft, ohne daß mans wuͤnſcht, und nun es zur Geiſtesbildung dienen ſoll, laͤßt ſich nichts betref- fen: aber ich ſchlage Ihrer Majeſtaͤt unmaßgeblich vor, eins von den ſeltſamen Barthaaren des frem-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/206
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/206>, abgerufen am 21.11.2024.