Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Schlaf. Ich wollte, es wäre erst so weit, daß ichmich niederlegen könnte. Hinze tritt auf. Hinze. Wer etwas Wunderbares hören will, der höre mir jetzt zu. Wie ich gelaufen bin! Erst- lich von dem königlichen Pallast zu Gottlieb, zwei- tens mit Gottlieb nach dem Pallast des Popanzes, wo ich ihn draußen im Walde gelassen habe, drit- tens von da wieder zum Könige, viertens lauf ich nun vor dem Wagen des Königes wie ein Laufer her und zeige ihm den Weg. O Beine, o Füße, o Stiefeln, wie viel müßt ihr heut verrichten! -- He! guter Freund! Wirth. Wer ist da? -- Landsmann Ihr müßt wohl fremde seyn, denn die hiesigen Leute wis- sens schon, daß ich um die Zeit kein Bier ver- kaufe, ich brauchs für mich selber; wer solche Ar- beit thut, wie ich, der muß sich auch stärken; es thut mir leid, aber ich kann Euch nicht helfen. Hinze. Ich will kein Bier, ich trinke gar kein Bier, ich will Euch nur ein Paar Worte sagen. Wirth. Ihr müßt wohl ein rechter Tage- dieb seyn, daß Ihr die fleißigen Leute in ihrem Beruf zu stören sucht. Hinze. Ich will Euch nicht stören. Hört nur: der benachbarte König wird hier vorbeifah- ren, er steigt vielleicht aus und erkundigt sich, wem diese Dörfer hier gehören; wenn Euch Euer Leben lieb ist, wenn Ihr nicht gehängt, oder verbrannt Zweite Abtheilung. Schlaf. Ich wollte, es waͤre erſt ſo weit, daß ichmich niederlegen koͤnnte. Hinze tritt auf. Hinze. Wer etwas Wunderbares hoͤren will, der hoͤre mir jetzt zu. Wie ich gelaufen bin! Erſt- lich von dem koͤniglichen Pallaſt zu Gottlieb, zwei- tens mit Gottlieb nach dem Pallaſt des Popanzes, wo ich ihn draußen im Walde gelaſſen habe, drit- tens von da wieder zum Koͤnige, viertens lauf ich nun vor dem Wagen des Koͤniges wie ein Laufer her und zeige ihm den Weg. O Beine, o Fuͤße, o Stiefeln, wie viel muͤßt ihr heut verrichten! — He! guter Freund! Wirth. Wer iſt da? — Landsmann Ihr muͤßt wohl fremde ſeyn, denn die hieſigen Leute wiſ- ſens ſchon, daß ich um die Zeit kein Bier ver- kaufe, ich brauchs fuͤr mich ſelber; wer ſolche Ar- beit thut, wie ich, der muß ſich auch ſtaͤrken; es thut mir leid, aber ich kann Euch nicht helfen. Hinze. Ich will kein Bier, ich trinke gar kein Bier, ich will Euch nur ein Paar Worte ſagen. Wirth. Ihr muͤßt wohl ein rechter Tage- dieb ſeyn, daß Ihr die fleißigen Leute in ihrem Beruf zu ſtoͤren ſucht. Hinze. Ich will Euch nicht ſtoͤren. Hoͤrt nur: der benachbarte Koͤnig wird hier vorbeifah- ren, er ſteigt vielleicht aus und erkundigt ſich, wem dieſe Doͤrfer hier gehoͤren; wenn Euch Euer Leben lieb iſt, wenn Ihr nicht gehaͤngt, oder verbrannt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0237" n="228"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Schlaf. Ich wollte, es waͤre erſt ſo weit, daß ich<lb/> mich niederlegen koͤnnte.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Hinze</hi> tritt auf.</hi> </stage><lb/> <sp who="#HINZE"> <speaker><hi rendition="#g">Hinze</hi>.</speaker> <p>Wer etwas Wunderbares hoͤren will,<lb/> der hoͤre mir jetzt zu. Wie ich gelaufen bin! Erſt-<lb/> lich von dem koͤniglichen Pallaſt zu Gottlieb, zwei-<lb/> tens mit Gottlieb nach dem Pallaſt des Popanzes,<lb/> wo ich ihn draußen im Walde gelaſſen habe, drit-<lb/> tens von da wieder zum Koͤnige, viertens lauf ich<lb/> nun vor dem Wagen des Koͤniges wie ein Laufer<lb/> her und zeige ihm den Weg. O Beine, o Fuͤße,<lb/> o Stiefeln, wie viel muͤßt ihr heut verrichten! —<lb/> He! guter Freund!</p> </sp><lb/> <sp who="#WIRTH"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Wer iſt da? — Landsmann Ihr<lb/> muͤßt wohl fremde ſeyn, denn die hieſigen Leute wiſ-<lb/> ſens ſchon, daß ich um die Zeit kein Bier ver-<lb/> kaufe, ich brauchs fuͤr mich ſelber; wer ſolche Ar-<lb/> beit thut, wie ich, der muß ſich auch ſtaͤrken; es<lb/> thut mir leid, aber ich kann Euch nicht helfen.</p> </sp><lb/> <sp who="#HINZE"> <speaker><hi rendition="#g">Hinze</hi>.</speaker> <p>Ich will kein Bier, ich trinke gar<lb/> kein Bier, ich will Euch nur ein Paar Worte<lb/> ſagen.</p> </sp><lb/> <sp who="#WIRTH"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Ihr muͤßt wohl ein rechter Tage-<lb/> dieb ſeyn, daß Ihr die fleißigen Leute in ihrem<lb/> Beruf zu ſtoͤren ſucht.</p> </sp><lb/> <sp who="#HINZE"> <speaker><hi rendition="#g">Hinze</hi>.</speaker> <p>Ich will Euch nicht ſtoͤren. Hoͤrt<lb/> nur: der benachbarte Koͤnig wird hier vorbeifah-<lb/> ren, er ſteigt vielleicht aus und erkundigt ſich, wem<lb/> dieſe Doͤrfer hier gehoͤren; wenn Euch Euer Leben<lb/> lieb iſt, wenn Ihr nicht gehaͤngt, oder verbrannt<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228/0237]
Zweite Abtheilung.
Schlaf. Ich wollte, es waͤre erſt ſo weit, daß ich
mich niederlegen koͤnnte.
Hinze tritt auf.
Hinze. Wer etwas Wunderbares hoͤren will,
der hoͤre mir jetzt zu. Wie ich gelaufen bin! Erſt-
lich von dem koͤniglichen Pallaſt zu Gottlieb, zwei-
tens mit Gottlieb nach dem Pallaſt des Popanzes,
wo ich ihn draußen im Walde gelaſſen habe, drit-
tens von da wieder zum Koͤnige, viertens lauf ich
nun vor dem Wagen des Koͤniges wie ein Laufer
her und zeige ihm den Weg. O Beine, o Fuͤße,
o Stiefeln, wie viel muͤßt ihr heut verrichten! —
He! guter Freund!
Wirth. Wer iſt da? — Landsmann Ihr
muͤßt wohl fremde ſeyn, denn die hieſigen Leute wiſ-
ſens ſchon, daß ich um die Zeit kein Bier ver-
kaufe, ich brauchs fuͤr mich ſelber; wer ſolche Ar-
beit thut, wie ich, der muß ſich auch ſtaͤrken; es
thut mir leid, aber ich kann Euch nicht helfen.
Hinze. Ich will kein Bier, ich trinke gar
kein Bier, ich will Euch nur ein Paar Worte
ſagen.
Wirth. Ihr muͤßt wohl ein rechter Tage-
dieb ſeyn, daß Ihr die fleißigen Leute in ihrem
Beruf zu ſtoͤren ſucht.
Hinze. Ich will Euch nicht ſtoͤren. Hoͤrt
nur: der benachbarte Koͤnig wird hier vorbeifah-
ren, er ſteigt vielleicht aus und erkundigt ſich, wem
dieſe Doͤrfer hier gehoͤren; wenn Euch Euer Leben
lieb iſt, wenn Ihr nicht gehaͤngt, oder verbrannt
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