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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
König. Ich liebe in der schönen Natur die
freien Aussichten.
Prinzessin. Sieht man weit?
König. O ja, und wenn mir die fatalen
Berge hier nicht vor der Nase ständen, so würde
ich noch weiter sehn. -- O weh! der Baum ist
voller Raupen.
(er steigt wieder hinunter.)
Prinzessin. Das macht, es ist eine Na-
tur, die noch nicht idealisirt ist, die Phantasie muß
sie erst veredeln.
König. Ich wollte, du könntest mir mit der
Phantasie die Raupen abnehmen. -- Aber steig'
ein, wir wollen weiter fahren.
Prinzessin. Lebe wohl, guter unschuldiger
Landmann.
(sie steigen ein, der Wagen fährt weiter.)
Wirth. Wie die Welt sich umgekehrt hat! --
Wenn man so in alten Büchern liest, oder alte
Leute erzählen hört, so kriegte man immer Gold-
stücke, oder herrliche Kostbarkeiten, wenn man mit
einem Könige oder Prinzen sprach. Aber jetzt! --
Wie soll man noch sein Glück unverhoffter Weise
machen, wenn es sogar mit den Königen nichts
mehr ist? Wenn ich ein König wäre, ich unter-
stände mir nicht, den Mund aufzuthun, wenn ich
den Leuten nicht erst Geld in die Hand gesteckt
hätte. -- Unschuldiger Landmann! Wollte Gott,
ich wäre nichts schuldig. -- Aber das machen die
neuen empfindsamen Schilderungen vom Landleben.
So ein König ist kapabel und beneidet unser einen
noch. -- Ich muß nur Gott danken, daß er mich
nicht gehängt hat. Der fremde Jäger war am
Zweite Abtheilung.
Koͤnig. Ich liebe in der ſchoͤnen Natur die
freien Ausſichten.
Prinzeſſin. Sieht man weit?
Koͤnig. O ja, und wenn mir die fatalen
Berge hier nicht vor der Naſe ſtaͤnden, ſo wuͤrde
ich noch weiter ſehn. — O weh! der Baum iſt
voller Raupen.
(er ſteigt wieder hinunter.)
Prinzeſſin. Das macht, es iſt eine Na-
tur, die noch nicht idealiſirt iſt, die Phantaſie muß
ſie erſt veredeln.
Koͤnig. Ich wollte, du koͤnnteſt mir mit der
Phantaſie die Raupen abnehmen. — Aber ſteig'
ein, wir wollen weiter fahren.
Prinzeſſin. Lebe wohl, guter unſchuldiger
Landmann.
(ſie ſteigen ein, der Wagen faͤhrt weiter.)
Wirth. Wie die Welt ſich umgekehrt hat! —
Wenn man ſo in alten Buͤchern lieſt, oder alte
Leute erzaͤhlen hoͤrt, ſo kriegte man immer Gold-
ſtuͤcke, oder herrliche Koſtbarkeiten, wenn man mit
einem Koͤnige oder Prinzen ſprach. Aber jetzt! —
Wie ſoll man noch ſein Gluͤck unverhoffter Weiſe
machen, wenn es ſogar mit den Koͤnigen nichts
mehr iſt? Wenn ich ein Koͤnig waͤre, ich unter-
ſtaͤnde mir nicht, den Mund aufzuthun, wenn ich
den Leuten nicht erſt Geld in die Hand geſteckt
haͤtte. — Unſchuldiger Landmann! Wollte Gott,
ich waͤre nichts ſchuldig. — Aber das machen die
neuen empfindſamen Schilderungen vom Landleben.
So ein Koͤnig iſt kapabel und beneidet unſer einen
noch. — Ich muß nur Gott danken, daß er mich
nicht gehaͤngt hat. Der fremde Jaͤger war am
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[230/0239] Zweite Abtheilung. Koͤnig. Ich liebe in der ſchoͤnen Natur die freien Ausſichten. Prinzeſſin. Sieht man weit? Koͤnig. O ja, und wenn mir die fatalen Berge hier nicht vor der Naſe ſtaͤnden, ſo wuͤrde ich noch weiter ſehn. — O weh! der Baum iſt voller Raupen. (er ſteigt wieder hinunter.) Prinzeſſin. Das macht, es iſt eine Na- tur, die noch nicht idealiſirt iſt, die Phantaſie muß ſie erſt veredeln. Koͤnig. Ich wollte, du koͤnnteſt mir mit der Phantaſie die Raupen abnehmen. — Aber ſteig' ein, wir wollen weiter fahren. Prinzeſſin. Lebe wohl, guter unſchuldiger Landmann. (ſie ſteigen ein, der Wagen faͤhrt weiter.) Wirth. Wie die Welt ſich umgekehrt hat! — Wenn man ſo in alten Buͤchern lieſt, oder alte Leute erzaͤhlen hoͤrt, ſo kriegte man immer Gold- ſtuͤcke, oder herrliche Koſtbarkeiten, wenn man mit einem Koͤnige oder Prinzen ſprach. Aber jetzt! — Wie ſoll man noch ſein Gluͤck unverhoffter Weiſe machen, wenn es ſogar mit den Koͤnigen nichts mehr iſt? Wenn ich ein Koͤnig waͤre, ich unter- ſtaͤnde mir nicht, den Mund aufzuthun, wenn ich den Leuten nicht erſt Geld in die Hand geſteckt haͤtte. — Unſchuldiger Landmann! Wollte Gott, ich waͤre nichts ſchuldig. — Aber das machen die neuen empfindſamen Schilderungen vom Landleben. So ein Koͤnig iſt kapabel und beneidet unſer einen noch. — Ich muß nur Gott danken, daß er mich nicht gehaͤngt hat. Der fremde Jaͤger war am

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/239>, abgerufen am 24.11.2024.