Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Er ist nemlich eine Person, die Bücher in denDruck giebt, und ich bin derjenige, der sie nachher lesen muß. Nun find' ich es sehr natürlich, daß ich zu ihm sagen kann: seht, mein Herr, so und so müßt Ihr die Bücher einrichten, dann gefallen sie mir beim Lesen. Und das will er nicht. Skaramuz. Aber, Kerl, warum nicht? Schriftsteller. Ihro Majestät geruhen nur zu bemerken, daß der Mensch keinen Geschmack hat, und daß er schlechte Bücher von mir verlangt; darin kann ich ihm doch unmöglich willfahren. Skaramuz. Aber warum nicht, da es ihn doch am Ende trifft, daß er Dein Geschreibe lesen muß? Du sollst also den Geschmack haben, den er von Dir verlangt. Ich sehe wohl, du bist ein eigensinniger Bursche, gehe hin und bessere Dich. -- (Schriftsteller ab.) Leser. Ich danke für gütige Resolution. Skaramuz. Aber, Ihr Narr, braucht ja nur gar nicht zu lesen, so ist ja der Handel mit einem male aus. Leser. Nein, gnädigster König, das kann ich nicht lassen, weit eher das Tabackrauchen. Lesen ist mein einziges Vergnügen und bildet mich und klärt mich auf. Skaramuz. Versteht Ihr auch alles, was Ihr les't? Leser. Ich denke wohl, und wenn ich einmal den Weg unter meinen Füßen verliere, so denke ich immer, des Himmels Güte wird auch das wol zu meinem Besten lenken. Zweite Abtheilung. Er iſt nemlich eine Perſon, die Buͤcher in denDruck giebt, und ich bin derjenige, der ſie nachher leſen muß. Nun find' ich es ſehr natuͤrlich, daß ich zu ihm ſagen kann: ſeht, mein Herr, ſo und ſo muͤßt Ihr die Buͤcher einrichten, dann gefallen ſie mir beim Leſen. Und das will er nicht. Skaramuz. Aber, Kerl, warum nicht? Schriftſteller. Ihro Majeſtaͤt geruhen nur zu bemerken, daß der Menſch keinen Geſchmack hat, und daß er ſchlechte Buͤcher von mir verlangt; darin kann ich ihm doch unmoͤglich willfahren. Skaramuz. Aber warum nicht, da es ihn doch am Ende trifft, daß er Dein Geſchreibe leſen muß? Du ſollſt alſo den Geſchmack haben, den er von Dir verlangt. Ich ſehe wohl, du biſt ein eigenſinniger Burſche, gehe hin und beſſere Dich. — (Schriftſteller ab.) Leſer. Ich danke fuͤr guͤtige Reſolution. Skaramuz. Aber, Ihr Narr, braucht ja nur gar nicht zu leſen, ſo iſt ja der Handel mit einem male aus. Leſer. Nein, gnaͤdigſter Koͤnig, das kann ich nicht laſſen, weit eher das Tabackrauchen. Leſen iſt mein einziges Vergnuͤgen und bildet mich und klaͤrt mich auf. Skaramuz. Verſteht Ihr auch alles, was Ihr leſ't? Leſer. Ich denke wohl, und wenn ich einmal den Weg unter meinen Fuͤßen verliere, ſo denke ich immer, des Himmels Guͤte wird auch das wol zu meinem Beſten lenken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#LESER"> <p><pb facs="#f0343" n="334"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Er iſt nemlich eine Perſon, die Buͤcher in den<lb/> Druck giebt, und ich bin derjenige, der ſie nachher<lb/> leſen muß. Nun find' ich es ſehr natuͤrlich, daß<lb/> ich zu ihm ſagen kann: ſeht, mein Herr, ſo und<lb/> ſo muͤßt Ihr die Buͤcher einrichten, dann gefallen<lb/> ſie mir beim Leſen. Und das will er nicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#SKA"> <speaker><hi rendition="#g">Skaramuz</hi>.</speaker> <p>Aber, Kerl, warum nicht?</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHRIFTSTELLER"> <speaker><hi rendition="#g">Schriftſteller</hi>.</speaker> <p>Ihro Majeſtaͤt geruhen nur<lb/> zu bemerken, daß der Menſch keinen Geſchmack hat,<lb/> und daß er ſchlechte Buͤcher von mir verlangt;<lb/> darin kann ich ihm doch unmoͤglich willfahren.</p> </sp><lb/> <sp who="#SKA"> <speaker><hi rendition="#g">Skaramuz</hi>.</speaker> <p>Aber warum nicht, da es ihn<lb/> doch am Ende trifft, daß er Dein Geſchreibe leſen<lb/> muß? Du ſollſt alſo den Geſchmack haben, den er<lb/> von Dir verlangt. Ich ſehe wohl, du biſt ein<lb/> eigenſinniger Burſche, gehe hin und beſſere Dich. —</p><lb/> <stage> <hi rendition="#et">(Schriftſteller ab.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#LESER"> <speaker><hi rendition="#g">Leſer</hi>.</speaker> <p>Ich danke fuͤr guͤtige Reſolution.</p> </sp><lb/> <sp who="#SKA"> <speaker><hi rendition="#g">Skaramuz</hi>.</speaker> <p>Aber, Ihr Narr, braucht ja<lb/> nur gar nicht zu leſen, ſo iſt ja der Handel mit<lb/> einem male aus.</p> </sp><lb/> <sp who="#LESER"> <speaker><hi rendition="#g">Leſer</hi>.</speaker> <p>Nein, gnaͤdigſter Koͤnig, das kann ich<lb/> nicht laſſen, weit eher das Tabackrauchen. Leſen<lb/> iſt mein einziges Vergnuͤgen und bildet mich und<lb/> klaͤrt mich auf.</p> </sp><lb/> <sp who="#SKA"> <speaker><hi rendition="#g">Skaramuz</hi>.</speaker> <p>Verſteht Ihr auch alles, was<lb/> Ihr leſ't?</p> </sp><lb/> <sp who="#LESER"> <speaker><hi rendition="#g">Leſer</hi>.</speaker> <p>Ich denke wohl, und wenn ich einmal<lb/> den Weg unter meinen Fuͤßen verliere, ſo denke<lb/> ich immer, des Himmels Guͤte wird auch das wol<lb/> zu meinem Beſten lenken.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [334/0343]
Zweite Abtheilung.
Er iſt nemlich eine Perſon, die Buͤcher in den
Druck giebt, und ich bin derjenige, der ſie nachher
leſen muß. Nun find' ich es ſehr natuͤrlich, daß
ich zu ihm ſagen kann: ſeht, mein Herr, ſo und
ſo muͤßt Ihr die Buͤcher einrichten, dann gefallen
ſie mir beim Leſen. Und das will er nicht.
Skaramuz. Aber, Kerl, warum nicht?
Schriftſteller. Ihro Majeſtaͤt geruhen nur
zu bemerken, daß der Menſch keinen Geſchmack hat,
und daß er ſchlechte Buͤcher von mir verlangt;
darin kann ich ihm doch unmoͤglich willfahren.
Skaramuz. Aber warum nicht, da es ihn
doch am Ende trifft, daß er Dein Geſchreibe leſen
muß? Du ſollſt alſo den Geſchmack haben, den er
von Dir verlangt. Ich ſehe wohl, du biſt ein
eigenſinniger Burſche, gehe hin und beſſere Dich. —
(Schriftſteller ab.)
Leſer. Ich danke fuͤr guͤtige Reſolution.
Skaramuz. Aber, Ihr Narr, braucht ja
nur gar nicht zu leſen, ſo iſt ja der Handel mit
einem male aus.
Leſer. Nein, gnaͤdigſter Koͤnig, das kann ich
nicht laſſen, weit eher das Tabackrauchen. Leſen
iſt mein einziges Vergnuͤgen und bildet mich und
klaͤrt mich auf.
Skaramuz. Verſteht Ihr auch alles, was
Ihr leſ't?
Leſer. Ich denke wohl, und wenn ich einmal
den Weg unter meinen Fuͤßen verliere, ſo denke
ich immer, des Himmels Guͤte wird auch das wol
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