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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
drohten. So gab ich der versammelten Menge
das seltsamste Schauspiel, wovon ich nichts ge-
ahndet hatte, als ich zu Pferde stieg. Endlich
wickelte man meine Hände vom Soldaten los,
und unter gegenseitigen Beschuldigungen und
Drohungen ward ich von der Wache nach dem
Zelte des Generals geführt; Graf Waltron so
wie der blaugewürgte Soldat, und mit ihnen
die neugierigsten der Zuschauer begleiteten den
Zug. Der General nahm anfangs einen hohen
Ton, und sprach von der Verletzung seiner eige-
nen Person, ja Kaiserlicher Majestät selbst, wel-
che diese Schildwacht repräsentirt habe. Ich war
indeß etwas kühler geworden, und suchte mei-
nen Richter durch eine umständliche Darstellung
der zunehmenden Unordnung, so wie der schlech-
ten Polizei der Schauspieler und ihrer abge-
schmackten Einrichtungen, eben so der unerlaub-
ten Gewaltthätigkeit des Soldaten zu gewinnen.
Da er sich aber nicht entschließen konnte, mir
Recht zu geben, und immer wieder von meute-
rischer Verletzung der Soldateska sprach, so fragte
ich mit erneuter großer Heftigkeit, welches Regi-
ment der Reichstruppen denn papierne Aufschläge
führe; indem ich dem Kläger einen solchen fal-
schen Theil sein Montur herunter riß. Der Ge-
neral, der schon gehört hatte, daß ich ein Stu-
dirender sey, mußte über meinen Eifer und diese
Frage lachen; er wandte den Rest seines Ver-
drusses auf den Grafen Waltron, den er so an-

fuhr:

Zweite Abtheilung.
drohten. So gab ich der verſammelten Menge
das ſeltſamſte Schauſpiel, wovon ich nichts ge-
ahndet hatte, als ich zu Pferde ſtieg. Endlich
wickelte man meine Haͤnde vom Soldaten los,
und unter gegenſeitigen Beſchuldigungen und
Drohungen ward ich von der Wache nach dem
Zelte des Generals gefuͤhrt; Graf Waltron ſo
wie der blaugewuͤrgte Soldat, und mit ihnen
die neugierigſten der Zuſchauer begleiteten den
Zug. Der General nahm anfangs einen hohen
Ton, und ſprach von der Verletzung ſeiner eige-
nen Perſon, ja Kaiſerlicher Majeſtaͤt ſelbſt, wel-
che dieſe Schildwacht repraͤſentirt habe. Ich war
indeß etwas kuͤhler geworden, und ſuchte mei-
nen Richter durch eine umſtaͤndliche Darſtellung
der zunehmenden Unordnung, ſo wie der ſchlech-
ten Polizei der Schauſpieler und ihrer abge-
ſchmackten Einrichtungen, eben ſo der unerlaub-
ten Gewaltthaͤtigkeit des Soldaten zu gewinnen.
Da er ſich aber nicht entſchließen konnte, mir
Recht zu geben, und immer wieder von meute-
riſcher Verletzung der Soldateska ſprach, ſo fragte
ich mit erneuter großer Heftigkeit, welches Regi-
ment der Reichstruppen denn papierne Aufſchlaͤge
fuͤhre; indem ich dem Klaͤger einen ſolchen fal-
ſchen Theil ſein Montur herunter riß. Der Ge-
neral, der ſchon gehoͤrt hatte, daß ich ein Stu-
dirender ſey, mußte uͤber meinen Eifer und dieſe
Frage lachen; er wandte den Reſt ſeines Ver-
druſſes auf den Grafen Waltron, den er ſo an-

fuhr:
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[400/0409] Zweite Abtheilung. drohten. So gab ich der verſammelten Menge das ſeltſamſte Schauſpiel, wovon ich nichts ge- ahndet hatte, als ich zu Pferde ſtieg. Endlich wickelte man meine Haͤnde vom Soldaten los, und unter gegenſeitigen Beſchuldigungen und Drohungen ward ich von der Wache nach dem Zelte des Generals gefuͤhrt; Graf Waltron ſo wie der blaugewuͤrgte Soldat, und mit ihnen die neugierigſten der Zuſchauer begleiteten den Zug. Der General nahm anfangs einen hohen Ton, und ſprach von der Verletzung ſeiner eige- nen Perſon, ja Kaiſerlicher Majeſtaͤt ſelbſt, wel- che dieſe Schildwacht repraͤſentirt habe. Ich war indeß etwas kuͤhler geworden, und ſuchte mei- nen Richter durch eine umſtaͤndliche Darſtellung der zunehmenden Unordnung, ſo wie der ſchlech- ten Polizei der Schauſpieler und ihrer abge- ſchmackten Einrichtungen, eben ſo der unerlaub- ten Gewaltthaͤtigkeit des Soldaten zu gewinnen. Da er ſich aber nicht entſchließen konnte, mir Recht zu geben, und immer wieder von meute- riſcher Verletzung der Soldateska ſprach, ſo fragte ich mit erneuter großer Heftigkeit, welches Regi- ment der Reichstruppen denn papierne Aufſchlaͤge fuͤhre; indem ich dem Klaͤger einen ſolchen fal- ſchen Theil ſein Montur herunter riß. Der Ge- neral, der ſchon gehoͤrt hatte, daß ich ein Stu- dirender ſey, mußte uͤber meinen Eifer und dieſe Frage lachen; er wandte den Reſt ſeines Ver- druſſes auf den Grafen Waltron, den er ſo an- fuhr:

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/409>, abgerufen am 22.11.2024.