Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. die Coulissen hinein sehn, und die Lampenputzerund das Gerüst der Bühne kennen lernen. Diese Anstalten können einem gebildeten Auge nur lächer- lich erscheinen, weil sie bei aller Anstrengung ver- worren und unrichtig ausfallen müssen, weil die Bühne zu viele Tiefe hat, und man es für eine Verbesserung hält, sie immer tiefer zu machen, und sich von dort heraus uns alles in falscher Perspektive entgegen bewegt. So hatte man mir in Wien den Aufzug in der Oper Blaubart viel- fältig gerühmt, und als ich dies Schauspiel dort sah waren die Zuschauer auch wirklich hoch er- freut, indeß ich diesem Aufwande von Figuren, Lichtern und Pferden keinen Anblick, vielweniger Luft abgewinnen konnte. Auf einem andern Theater dort endigte ein tragisches Ballet mit dem Ausbruch eines feuerspeienden Berges, der die Stadt verschüttete; mir schien das Ganze trotz dem Aufwande der transparen- ten Mahlerei und den rollenden Flammen nur kindisch auszufallen. Diese Dinge, welche ganz außer dem Gebiet eines Theaters liegen, kosten große Summen, die Direktion muß im- mer mehr auf die Geschmacklosigkeit des Publi- kums spekuliren, ja es dazu erziehn, um nur für diese albernen Kunststücke mit neuen Erfin- dungen derselben Art bestehn zu können. Wa- rum hat nicht jeder große Ort sein Panorama, seine optischen Buden, seine Gaukeleien, die bloß den Sinn des Auges reizen? Dann käme das Zweite Abtheilung. die Couliſſen hinein ſehn, und die Lampenputzerund das Geruͤſt der Buͤhne kennen lernen. Dieſe Anſtalten koͤnnen einem gebildeten Auge nur laͤcher- lich erſcheinen, weil ſie bei aller Anſtrengung ver- worren und unrichtig ausfallen muͤſſen, weil die Buͤhne zu viele Tiefe hat, und man es fuͤr eine Verbeſſerung haͤlt, ſie immer tiefer zu machen, und ſich von dort heraus uns alles in falſcher Perſpektive entgegen bewegt. So hatte man mir in Wien den Aufzug in der Oper Blaubart viel- faͤltig geruͤhmt, und als ich dies Schauſpiel dort ſah waren die Zuſchauer auch wirklich hoch er- freut, indeß ich dieſem Aufwande von Figuren, Lichtern und Pferden keinen Anblick, vielweniger Luft abgewinnen konnte. Auf einem andern Theater dort endigte ein tragiſches Ballet mit dem Ausbruch eines feuerſpeienden Berges, der die Stadt verſchuͤttete; mir ſchien das Ganze trotz dem Aufwande der transparen- ten Mahlerei und den rollenden Flammen nur kindiſch auszufallen. Dieſe Dinge, welche ganz außer dem Gebiet eines Theaters liegen, koſten große Summen, die Direktion muß im- mer mehr auf die Geſchmackloſigkeit des Publi- kums ſpekuliren, ja es dazu erziehn, um nur fuͤr dieſe albernen Kunſtſtuͤcke mit neuen Erfin- dungen derſelben Art beſtehn zu koͤnnen. Wa- rum hat nicht jeder große Ort ſein Panorama, ſeine optiſchen Buden, ſeine Gaukeleien, die bloß den Sinn des Auges reizen? Dann kaͤme das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0427" n="418"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> die Couliſſen hinein ſehn, und die Lampenputzer<lb/> und das Geruͤſt der Buͤhne kennen lernen. Dieſe<lb/> Anſtalten koͤnnen einem gebildeten Auge nur laͤcher-<lb/> lich erſcheinen, weil ſie bei aller Anſtrengung ver-<lb/> worren und unrichtig ausfallen muͤſſen, weil die<lb/> Buͤhne zu viele Tiefe hat, und man es fuͤr eine<lb/> Verbeſſerung haͤlt, ſie immer tiefer zu machen,<lb/> und ſich von dort heraus uns alles in falſcher<lb/> Perſpektive entgegen bewegt. So hatte man mir<lb/> in Wien den Aufzug in der Oper Blaubart viel-<lb/> faͤltig geruͤhmt, und als ich dies Schauſpiel dort<lb/> ſah waren die Zuſchauer auch wirklich hoch er-<lb/> freut, indeß ich dieſem Aufwande von Figuren,<lb/> Lichtern und Pferden keinen Anblick, vielweniger<lb/> Luft abgewinnen konnte. Auf einem andern<lb/> Theater dort endigte ein tragiſches Ballet mit<lb/> dem Ausbruch eines feuerſpeienden Berges,<lb/> der die Stadt verſchuͤttete; mir ſchien das<lb/> Ganze trotz dem Aufwande der transparen-<lb/> ten Mahlerei und den rollenden Flammen<lb/> nur kindiſch auszufallen. Dieſe Dinge, welche<lb/> ganz außer dem Gebiet eines Theaters liegen,<lb/> koſten große Summen, die Direktion muß im-<lb/> mer mehr auf die Geſchmackloſigkeit des Publi-<lb/> kums ſpekuliren, ja es dazu erziehn, um nur<lb/> fuͤr dieſe albernen Kunſtſtuͤcke mit neuen Erfin-<lb/> dungen derſelben Art beſtehn zu koͤnnen. Wa-<lb/> rum hat nicht jeder große Ort ſein Panorama,<lb/> ſeine optiſchen Buden, ſeine Gaukeleien, die bloß<lb/> den Sinn des Auges reizen? Dann kaͤme das<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [418/0427]
Zweite Abtheilung.
die Couliſſen hinein ſehn, und die Lampenputzer
und das Geruͤſt der Buͤhne kennen lernen. Dieſe
Anſtalten koͤnnen einem gebildeten Auge nur laͤcher-
lich erſcheinen, weil ſie bei aller Anſtrengung ver-
worren und unrichtig ausfallen muͤſſen, weil die
Buͤhne zu viele Tiefe hat, und man es fuͤr eine
Verbeſſerung haͤlt, ſie immer tiefer zu machen,
und ſich von dort heraus uns alles in falſcher
Perſpektive entgegen bewegt. So hatte man mir
in Wien den Aufzug in der Oper Blaubart viel-
faͤltig geruͤhmt, und als ich dies Schauſpiel dort
ſah waren die Zuſchauer auch wirklich hoch er-
freut, indeß ich dieſem Aufwande von Figuren,
Lichtern und Pferden keinen Anblick, vielweniger
Luft abgewinnen konnte. Auf einem andern
Theater dort endigte ein tragiſches Ballet mit
dem Ausbruch eines feuerſpeienden Berges,
der die Stadt verſchuͤttete; mir ſchien das
Ganze trotz dem Aufwande der transparen-
ten Mahlerei und den rollenden Flammen
nur kindiſch auszufallen. Dieſe Dinge, welche
ganz außer dem Gebiet eines Theaters liegen,
koſten große Summen, die Direktion muß im-
mer mehr auf die Geſchmackloſigkeit des Publi-
kums ſpekuliren, ja es dazu erziehn, um nur
fuͤr dieſe albernen Kunſtſtuͤcke mit neuen Erfin-
dungen derſelben Art beſtehn zu koͤnnen. Wa-
rum hat nicht jeder große Ort ſein Panorama,
ſeine optiſchen Buden, ſeine Gaukeleien, die bloß
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