Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Der Blaubart. jedem Schranke in Händen: dann würde eins nachdem andern aufgeschlossen, die Schränke thäten sich von einander, und ich holte von den schönen und seltsamen Kostbarkeiten eins nach dem andern her- vor, träte damit ans Fenster und besähe es ganz eigen, bis ich seiner überdrüßig wäre und zu einem andern eilte, und so immer fort, immer fort, ohne Ende. Anne. Und so wolltest du alt werden? dich durch ein trübes, unzusammenhängendes Leben ar- beiten? Agnes. Ich versteh dich nicht. -- Ich habe mir schon oft gedacht, wenn ich plötzlich in ein fremdes Schloß geriethe, wo mir alles neu, alles merkwürdig wäre; wie ich aus einem Zimmer in das andre eilen würde, immer ungeduldig, immer neugierig, wie ich mich nach und nach mit den Sachen und Geräthschaften bekannt machte. Hier weiß ich ja jeden Nagel auswendig. Anne. Gieb mir einmal die Laute. (singt.) Beglückt, wer an des Treuen Brust, In voller Liebe ruht, Kein Kummer naht und stört die Luft, Nur heller brennt die Glut. Kein Wechsel, kein Wanken, Zum ruhigen Glück Fliehn alle Gedanken Der Ferne zurück. Und lieber und hänger Drückt Mund sich an Mund, Der Blaubart. jedem Schranke in Haͤnden: dann wuͤrde eins nachdem andern aufgeſchloſſen, die Schraͤnke thaͤten ſich von einander, und ich holte von den ſchoͤnen und ſeltſamen Koſtbarkeiten eins nach dem andern her- vor, traͤte damit ans Fenſter und beſaͤhe es ganz eigen, bis ich ſeiner uͤberdruͤßig waͤre und zu einem andern eilte, und ſo immer fort, immer fort, ohne Ende. Anne. Und ſo wollteſt du alt werden? dich durch ein truͤbes, unzuſammenhaͤngendes Leben ar- beiten? Agnes. Ich verſteh dich nicht. — Ich habe mir ſchon oft gedacht, wenn ich ploͤtzlich in ein fremdes Schloß geriethe, wo mir alles neu, alles merkwuͤrdig waͤre; wie ich aus einem Zimmer in das andre eilen wuͤrde, immer ungeduldig, immer neugierig, wie ich mich nach und nach mit den Sachen und Geraͤthſchaften bekannt machte. Hier weiß ich ja jeden Nagel auswendig. Anne. Gieb mir einmal die Laute. (ſingt.) Begluͤckt, wer an des Treuen Bruſt, In voller Liebe ruht, Kein Kummer naht und ſtoͤrt die Luft, Nur heller brennt die Glut. Kein Wechſel, kein Wanken, Zum ruhigen Gluͤck Fliehn alle Gedanken Der Ferne zuruͤck. Und lieber und haͤnger Druͤckt Mund ſich an Mund, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#AGN"> <p><pb facs="#f0048" n="39"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Blaubart</hi>.</fw><lb/> jedem Schranke in Haͤnden: dann wuͤrde eins nach<lb/> dem andern aufgeſchloſſen, die Schraͤnke thaͤten ſich<lb/> von einander, und ich holte von den ſchoͤnen und<lb/> ſeltſamen Koſtbarkeiten eins nach dem andern her-<lb/> vor, traͤte damit ans Fenſter und beſaͤhe es ganz<lb/> eigen, bis ich ſeiner uͤberdruͤßig waͤre und zu einem<lb/> andern eilte, und ſo immer fort, immer fort,<lb/> ohne Ende.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker><hi rendition="#g">Anne</hi>.</speaker> <p>Und ſo wollteſt du alt werden? dich<lb/> durch ein truͤbes, unzuſammenhaͤngendes Leben ar-<lb/> beiten?</p> </sp><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Ich verſteh dich nicht. — Ich habe<lb/> mir ſchon oft gedacht, wenn ich ploͤtzlich in ein<lb/> fremdes Schloß geriethe, wo mir alles neu, alles<lb/> merkwuͤrdig waͤre; wie ich aus einem Zimmer in<lb/> das andre eilen wuͤrde, immer ungeduldig, immer<lb/> neugierig, wie ich mich nach und nach mit den<lb/> Sachen und Geraͤthſchaften bekannt machte. Hier<lb/> weiß ich ja jeden Nagel auswendig.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker><hi rendition="#g">Anne</hi>.</speaker> <p>Gieb mir einmal die Laute.</p> <stage>(ſingt.)</stage><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Begluͤckt, wer an des Treuen Bruſt,</l><lb/> <l>In voller Liebe ruht,</l><lb/> <l>Kein Kummer naht und ſtoͤrt die Luft,</l><lb/> <l>Nur heller brennt die Glut.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Kein Wechſel, kein Wanken,</l><lb/> <l>Zum ruhigen Gluͤck</l><lb/> <l>Fliehn alle Gedanken</l><lb/> <l>Der Ferne zuruͤck.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und lieber und haͤnger</l><lb/> <l>Druͤckt Mund ſich an Mund,</l><lb/> </lg> </lg> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0048]
Der Blaubart.
jedem Schranke in Haͤnden: dann wuͤrde eins nach
dem andern aufgeſchloſſen, die Schraͤnke thaͤten ſich
von einander, und ich holte von den ſchoͤnen und
ſeltſamen Koſtbarkeiten eins nach dem andern her-
vor, traͤte damit ans Fenſter und beſaͤhe es ganz
eigen, bis ich ſeiner uͤberdruͤßig waͤre und zu einem
andern eilte, und ſo immer fort, immer fort,
ohne Ende.
Anne. Und ſo wollteſt du alt werden? dich
durch ein truͤbes, unzuſammenhaͤngendes Leben ar-
beiten?
Agnes. Ich verſteh dich nicht. — Ich habe
mir ſchon oft gedacht, wenn ich ploͤtzlich in ein
fremdes Schloß geriethe, wo mir alles neu, alles
merkwuͤrdig waͤre; wie ich aus einem Zimmer in
das andre eilen wuͤrde, immer ungeduldig, immer
neugierig, wie ich mich nach und nach mit den
Sachen und Geraͤthſchaften bekannt machte. Hier
weiß ich ja jeden Nagel auswendig.
Anne. Gieb mir einmal die Laute. (ſingt.)
Begluͤckt, wer an des Treuen Bruſt,
In voller Liebe ruht,
Kein Kummer naht und ſtoͤrt die Luft,
Nur heller brennt die Glut.
Kein Wechſel, kein Wanken,
Zum ruhigen Gluͤck
Fliehn alle Gedanken
Der Ferne zuruͤck.
Und lieber und haͤnger
Druͤckt Mund ſich an Mund,
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