Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. In Bergen führen, der die Besten halten,Der räth die Schlacht zu meiden, jener sucht sie, Der will den Feind belisten, wird bestrickt: Indeß wird arm das Land, das Feld geplündert, Der Bauer irr, wer denn sein König sey, Des Bürgers Fleiß erstirbt, und mehr und mehr Zwingt uns die Noth mit Lasten ihn zu drücken. Ginevra. Du siehst die Sache von der schlimmsten Seite. Was sprecht Ihr zu dem allen, Hofmarschall? Kay. Was sprechen? Schlagen sollten wir hinein! Schlägt man sie todt, ist alle Noth zu Ende. Artus. Gar recht, doch wie dies Wunder möglich machen? Kay. Mein Seel, das ist wohl die geringste Sorge, Ihr Kopf wird härter nicht als unsrer seyn. Und was den Druck betrift, wie Gawein sagt, Glaubt mir, mein Herr, das Volk frißt immer noch, Und viel zu viel, bei mir zu Hause seh ichs, Das Maul ist noch nicht einem eingefallen, Im Gegentheil, 's schmeckt herrlicher als je; Ich kenne Lumpen dort bei mir im Dorf, Die ärmsten, die doch fünf sechs Kindern täglich Ins Maul was stecken können. Glaubt mir nur So'n Ding von Staat, das ist so fest verschraubt, So eingekittet seit Jahrhunderten, Das bricht nicht gar so leicht, das kann man zerren Und zwacken, kneifen, bröckeln, immer hälts. Gemahnt mir die Verwaltung eben doch Zweite Abtheilung. In Bergen fuͤhren, der die Beſten halten,Der raͤth die Schlacht zu meiden, jener ſucht ſie, Der will den Feind beliſten, wird beſtrickt: Indeß wird arm das Land, das Feld gepluͤndert, Der Bauer irr, wer denn ſein Koͤnig ſey, Des Buͤrgers Fleiß erſtirbt, und mehr und mehr Zwingt uns die Noth mit Laſten ihn zu druͤcken. Ginevra. Du ſiehſt die Sache von der ſchlimmſten Seite. Was ſprecht Ihr zu dem allen, Hofmarſchall? Kay. Was ſprechen? Schlagen ſollten wir hinein! Schlaͤgt man ſie todt, iſt alle Noth zu Ende. Artus. Gar recht, doch wie dies Wunder moͤglich machen? Kay. Mein Seel, das iſt wohl die geringſte Sorge, Ihr Kopf wird haͤrter nicht als unſrer ſeyn. Und was den Druck betrift, wie Gawein ſagt, Glaubt mir, mein Herr, das Volk frißt immer noch, Und viel zu viel, bei mir zu Hauſe ſeh ichs, Das Maul iſt noch nicht einem eingefallen, Im Gegentheil, 's ſchmeckt herrlicher als je; Ich kenne Lumpen dort bei mir im Dorf, Die aͤrmſten, die doch fuͤnf ſechs Kindern taͤglich Ins Maul was ſtecken koͤnnen. Glaubt mir nur So'n Ding von Staat, das iſt ſo feſt verſchraubt, So eingekittet ſeit Jahrhunderten, Das bricht nicht gar ſo leicht, das kann man zerren Und zwacken, kneifen, broͤckeln, immer haͤlts. Gemahnt mir die Verwaltung eben doch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#GAW"> <p><pb facs="#f0495" n="486"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> In Bergen fuͤhren, der die Beſten halten,<lb/> Der raͤth die Schlacht zu meiden, jener ſucht ſie,<lb/> Der will den Feind beliſten, wird beſtrickt:<lb/> Indeß wird arm das Land, das Feld gepluͤndert,<lb/> Der Bauer irr, wer denn ſein Koͤnig ſey,<lb/> Des Buͤrgers Fleiß erſtirbt, und mehr und mehr<lb/> Zwingt uns die Noth mit Laſten ihn zu druͤcken.</p> </sp><lb/> <sp who="#GIN"> <speaker><hi rendition="#g">Ginevra</hi>.</speaker><lb/> <p>Du ſiehſt die Sache von der ſchlimmſten Seite.<lb/> Was ſprecht Ihr zu dem allen, Hofmarſchall?</p> </sp><lb/> <sp who="#KAY"> <speaker><hi rendition="#g">Kay</hi>.</speaker><lb/> <p>Was ſprechen? Schlagen ſollten wir hinein!<lb/> Schlaͤgt man ſie todt, iſt alle Noth zu Ende.</p> </sp><lb/> <sp who="#ART"> <speaker><hi rendition="#g">Artus</hi>.</speaker><lb/> <p>Gar recht, doch wie dies Wunder moͤglich machen?</p> </sp><lb/> <sp who="#KAY"> <speaker><hi rendition="#g">Kay</hi>.</speaker><lb/> <p>Mein Seel, das iſt wohl die geringſte Sorge,<lb/> Ihr Kopf wird haͤrter nicht als unſrer ſeyn.<lb/> Und was den Druck betrift, wie Gawein ſagt,<lb/> Glaubt mir, mein Herr, das Volk frißt immer noch,<lb/> Und viel zu viel, bei mir zu Hauſe ſeh ichs,<lb/> Das Maul iſt noch nicht einem eingefallen,<lb/> Im Gegentheil, 's ſchmeckt herrlicher als je;<lb/> Ich kenne Lumpen dort bei mir im Dorf,<lb/> Die aͤrmſten, die doch fuͤnf ſechs Kindern taͤglich<lb/> Ins Maul was ſtecken koͤnnen. Glaubt mir nur<lb/> So'n Ding von Staat, das iſt ſo feſt verſchraubt,<lb/> So eingekittet ſeit Jahrhunderten,<lb/> Das bricht nicht gar ſo leicht, das kann man zerren<lb/> Und zwacken, kneifen, broͤckeln, immer haͤlts.<lb/> Gemahnt mir die Verwaltung eben doch<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [486/0495]
Zweite Abtheilung.
In Bergen fuͤhren, der die Beſten halten,
Der raͤth die Schlacht zu meiden, jener ſucht ſie,
Der will den Feind beliſten, wird beſtrickt:
Indeß wird arm das Land, das Feld gepluͤndert,
Der Bauer irr, wer denn ſein Koͤnig ſey,
Des Buͤrgers Fleiß erſtirbt, und mehr und mehr
Zwingt uns die Noth mit Laſten ihn zu druͤcken.
Ginevra.
Du ſiehſt die Sache von der ſchlimmſten Seite.
Was ſprecht Ihr zu dem allen, Hofmarſchall?
Kay.
Was ſprechen? Schlagen ſollten wir hinein!
Schlaͤgt man ſie todt, iſt alle Noth zu Ende.
Artus.
Gar recht, doch wie dies Wunder moͤglich machen?
Kay.
Mein Seel, das iſt wohl die geringſte Sorge,
Ihr Kopf wird haͤrter nicht als unſrer ſeyn.
Und was den Druck betrift, wie Gawein ſagt,
Glaubt mir, mein Herr, das Volk frißt immer noch,
Und viel zu viel, bei mir zu Hauſe ſeh ichs,
Das Maul iſt noch nicht einem eingefallen,
Im Gegentheil, 's ſchmeckt herrlicher als je;
Ich kenne Lumpen dort bei mir im Dorf,
Die aͤrmſten, die doch fuͤnf ſechs Kindern taͤglich
Ins Maul was ſtecken koͤnnen. Glaubt mir nur
So'n Ding von Staat, das iſt ſo feſt verſchraubt,
So eingekittet ſeit Jahrhunderten,
Das bricht nicht gar ſo leicht, das kann man zerren
Und zwacken, kneifen, broͤckeln, immer haͤlts.
Gemahnt mir die Verwaltung eben doch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |