Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. wie ich mich ermuntre, find ich die drei Kleinen anmeinem Halse hängen, die mir wie Vampyren das Blut aussaugen wollen. Malwina. O Beispiel ohne Beispiel! Semmelziege. Vorige Woche haben sie einen jungen Hasen gefangen und lebendig aufge- zehrt. Malwina. Die mörderische Brut! Semmelziege. Es wimmert was draußen, es klopft an der Thür. Malwina. Wer ist da? Thoms. (draußen). O seid so barmherzig und nehmt arme verirrte Kinder auf, die im Regen und Ungewitter schon fast erfroren sind. Malwina. Kinder? Ach, die armen Wür- mer! Sie wissen nicht, wohin sie gerathen sind. Semmelziege. Ja, man imaginirt so was nicht leicht. Malwina. Ob ich sie einlasse? Semmelziege. Es ist zu ihrem Verderben, er findet sie und frißt sie auf. Malwina. Vielleicht können wir sie bis morgen vor ihm verstecken, und sie dann wieder heimlich fortschaffen. Semmelziege. Thun Sie, was Ihnen gefällt. Malwina. Es ist nur ein Glück, daß meine Kleinen schon oben schlafen, sonst wären sie wahr- lich vor denen nicht sicher. (geht.) Semmelziege. O schwer Verhängniß, wann doch wirst du enden? Der
Zweite Abtheilung. wie ich mich ermuntre, find ich die drei Kleinen anmeinem Halſe haͤngen, die mir wie Vampyren das Blut ausſaugen wollen. Malwina. O Beiſpiel ohne Beiſpiel! Semmelziege. Vorige Woche haben ſie einen jungen Haſen gefangen und lebendig aufge- zehrt. Malwina. Die moͤrderiſche Brut! Semmelziege. Es wimmert was draußen, es klopft an der Thuͤr. Malwina. Wer iſt da? Thoms. (draußen). O ſeid ſo barmherzig und nehmt arme verirrte Kinder auf, die im Regen und Ungewitter ſchon faſt erfroren ſind. Malwina. Kinder? Ach, die armen Wuͤr- mer! Sie wiſſen nicht, wohin ſie gerathen ſind. Semmelziege. Ja, man imaginirt ſo was nicht leicht. Malwina. Ob ich ſie einlaſſe? Semmelziege. Es iſt zu ihrem Verderben, er findet ſie und frißt ſie auf. Malwina. Vielleicht koͤnnen wir ſie bis morgen vor ihm verſtecken, und ſie dann wieder heimlich fortſchaffen. Semmelziege. Thun Sie, was Ihnen gefaͤllt. Malwina. Es iſt nur ein Gluͤck, daß meine Kleinen ſchon oben ſchlafen, ſonſt waͤren ſie wahr- lich vor denen nicht ſicher. (geht.) Semmelziege. O ſchwer Verhaͤngniß, wann doch wirſt du enden? Der
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Zweite Abtheilung.
wie ich mich ermuntre, find ich die drei Kleinen an
meinem Halſe haͤngen, die mir wie Vampyren das
Blut ausſaugen wollen.
Malwina. O Beiſpiel ohne Beiſpiel!
Semmelziege. Vorige Woche haben ſie
einen jungen Haſen gefangen und lebendig aufge-
zehrt.
Malwina. Die moͤrderiſche Brut!
Semmelziege. Es wimmert was draußen,
es klopft an der Thuͤr.
Malwina. Wer iſt da?
Thoms. (draußen). O ſeid ſo barmherzig und
nehmt arme verirrte Kinder auf, die im Regen
und Ungewitter ſchon faſt erfroren ſind.
Malwina. Kinder? Ach, die armen Wuͤr-
mer! Sie wiſſen nicht, wohin ſie gerathen ſind.
Semmelziege. Ja, man imaginirt ſo was
nicht leicht.
Malwina. Ob ich ſie einlaſſe?
Semmelziege. Es iſt zu ihrem Verderben,
er findet ſie und frißt ſie auf.
Malwina. Vielleicht koͤnnen wir ſie bis
morgen vor ihm verſtecken, und ſie dann wieder
heimlich fortſchaffen.
Semmelziege. Thun Sie, was Ihnen
gefaͤllt.
Malwina. Es iſt nur ein Gluͤck, daß meine
Kleinen ſchon oben ſchlafen, ſonſt waͤren ſie wahr-
lich vor denen nicht ſicher. (geht.)
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/505>, abgerufen am 27.07.2024. |