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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Semmelziege. Liebe, auch die Kinder soll-
ten die schöne Simplizität der Alten nicht fassen?
Nicht wahr, Ihr habt mich nun leicht verstanden?
Peter. Kein Wort.
Thoms. Wir sind nur arme ungelehrte
Bauernknaben.
Semmelziege. Ich seh, es sind dumme
Kröten: nun, so muß man es Euch ja wohl über-
trieben deutlich machen. -- Diese liebe, gute, mit-
leidige Frau, die euch so freundlich aufgenommen
hat, hat einen Mann, (welcher jetzt, gottlob aus-
wärts ist) der ihr gar nicht ähnlich sieht; dieser
nun, versteht Ihr, wird bald nach Hause kommen,
und da er die Eigenschaft hat, oder den Humor
und seltsamen Appetit, daß er das frische Men-
schenfleisch, vorzüglich das zarte der Kinder, gerne
genießt, so wird er ohne Zweifel Euch, wenn er
Euch hier findet, sich assimiliren wollen, oder deut-
licher, Euch aufspeisen, oder, damit Euch gar kein
Zweifel übrig bleibt, Euch mit Haut und Haar
auffressen.
Peter. Ach! -- Da fällt mir vor Schreck
das Brod aus dem Munde, -- das ist ja das
Greulichste von allen! Wir sind gut angekommen!
Matthis. Lieber doch draußen im Gewit-
ter und Regen.
Thoms. Kommt, lieben Brüder; schöne
Frau, Ihr sollt bedankt seyn, aber wir müssen gehn.
Peter. Ja wohl, denn das ist nicht unsre
Gelegenheit, uns treffen zu lassen. Wir sind
Zweite Abtheilung.
Semmelziege. Liebe, auch die Kinder ſoll-
ten die ſchoͤne Simplizitaͤt der Alten nicht faſſen?
Nicht wahr, Ihr habt mich nun leicht verſtanden?
Peter. Kein Wort.
Thoms. Wir ſind nur arme ungelehrte
Bauernknaben.
Semmelziege. Ich ſeh, es ſind dumme
Kroͤten: nun, ſo muß man es Euch ja wohl uͤber-
trieben deutlich machen. — Dieſe liebe, gute, mit-
leidige Frau, die euch ſo freundlich aufgenommen
hat, hat einen Mann, (welcher jetzt, gottlob aus-
waͤrts iſt) der ihr gar nicht aͤhnlich ſieht; dieſer
nun, verſteht Ihr, wird bald nach Hauſe kommen,
und da er die Eigenſchaft hat, oder den Humor
und ſeltſamen Appetit, daß er das friſche Men-
ſchenfleiſch, vorzuͤglich das zarte der Kinder, gerne
genießt, ſo wird er ohne Zweifel Euch, wenn er
Euch hier findet, ſich aſſimiliren wollen, oder deut-
licher, Euch aufſpeiſen, oder, damit Euch gar kein
Zweifel uͤbrig bleibt, Euch mit Haut und Haar
auffreſſen.
Peter. Ach! — Da faͤllt mir vor Schreck
das Brod aus dem Munde, — das iſt ja das
Greulichſte von allen! Wir ſind gut angekommen!
Matthis. Lieber doch draußen im Gewit-
ter und Regen.
Thoms. Kommt, lieben Bruͤder; ſchoͤne
Frau, Ihr ſollt bedankt ſeyn, aber wir muͤſſen gehn.
Peter. Ja wohl, denn das iſt nicht unſre
Gelegenheit, uns treffen zu laſſen. Wir ſind
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[500/0509] Zweite Abtheilung. Semmelziege. Liebe, auch die Kinder ſoll- ten die ſchoͤne Simplizitaͤt der Alten nicht faſſen? Nicht wahr, Ihr habt mich nun leicht verſtanden? Peter. Kein Wort. Thoms. Wir ſind nur arme ungelehrte Bauernknaben. Semmelziege. Ich ſeh, es ſind dumme Kroͤten: nun, ſo muß man es Euch ja wohl uͤber- trieben deutlich machen. — Dieſe liebe, gute, mit- leidige Frau, die euch ſo freundlich aufgenommen hat, hat einen Mann, (welcher jetzt, gottlob aus- waͤrts iſt) der ihr gar nicht aͤhnlich ſieht; dieſer nun, verſteht Ihr, wird bald nach Hauſe kommen, und da er die Eigenſchaft hat, oder den Humor und ſeltſamen Appetit, daß er das friſche Men- ſchenfleiſch, vorzuͤglich das zarte der Kinder, gerne genießt, ſo wird er ohne Zweifel Euch, wenn er Euch hier findet, ſich aſſimiliren wollen, oder deut- licher, Euch aufſpeiſen, oder, damit Euch gar kein Zweifel uͤbrig bleibt, Euch mit Haut und Haar auffreſſen. Peter. Ach! — Da faͤllt mir vor Schreck das Brod aus dem Munde, — das iſt ja das Greulichſte von allen! Wir ſind gut angekommen! Matthis. Lieber doch draußen im Gewit- ter und Regen. Thoms. Kommt, lieben Bruͤder; ſchoͤne Frau, Ihr ſollt bedankt ſeyn, aber wir muͤſſen gehn. Peter. Ja wohl, denn das iſt nicht unſre Gelegenheit, uns treffen zu laſſen. Wir ſind

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/509>, abgerufen am 27.11.2024.