Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. ein, führt vielleicht von selbst zum Weltlichen,und so allgemach zum Verwirrten. Und die Orgel? fragte Rosalie, und ihre Erfinderinn die heilige Cäcilia? Sie erinnern mich an einige Sonette, sagte Friederich, die ich Ihnen zum Beschluß noch mittheilen kann, indem ich voraus setze, daß Ih- nen die Legende im Allgemeinen bekannt ist. Er las: Die heilige Cäcilia. Es steht die holde Jungfrau im Betrachten, Wie sich Geräusch und wilde Freude mehret, Ihr Herz, Gemüth ist still in sich gekehret, Sie kann auf Freunde, Bräutigam nicht achten. Und wie die Gäste drinnen tobend lachten, Wird ihr der Geist mit Traurigkeit beschweret, Nun fühlt sie erst, was sie verliert, entbehret, Nach Gott und Christum muß ihr Busen schmachten. Es klingt die wilde Pfeife schon zum Reigen, Verwegne Klänge schrein im Uebermuthe, Es droht und lärmt das weltliche Getümmel: Da sieht ihr trunknes Auge nach dem Himmel, Ihr Herz verklärt die Tön, in ihnen steigen Gebete auf zu ihrem höchsten Gute. Warum, ihr Menschen, so spricht sie in Klagen, Daß ihr so gern dem Himmel euch entziehet? Euch ruft so Furcht als Lieb' und Lust: entfliehet! Die Töne macht ihr wild, bis sie verzagen. Zweite Abtheilung. ein, fuͤhrt vielleicht von ſelbſt zum Weltlichen,und ſo allgemach zum Verwirrten. Und die Orgel? fragte Roſalie, und ihre Erfinderinn die heilige Caͤcilia? Sie erinnern mich an einige Sonette, ſagte Friederich, die ich Ihnen zum Beſchluß noch mittheilen kann, indem ich voraus ſetze, daß Ih- nen die Legende im Allgemeinen bekannt iſt. Er las: Die heilige Caͤcilia. Es ſteht die holde Jungfrau im Betrachten, Wie ſich Geraͤuſch und wilde Freude mehret, Ihr Herz, Gemuͤth iſt ſtill in ſich gekehret, Sie kann auf Freunde, Braͤutigam nicht achten. Und wie die Gaͤſte drinnen tobend lachten, Wird ihr der Geiſt mit Traurigkeit beſchweret, Nun fuͤhlt ſie erſt, was ſie verliert, entbehret, Nach Gott und Chriſtum muß ihr Buſen ſchmachten. Es klingt die wilde Pfeife ſchon zum Reigen, Verwegne Klaͤnge ſchrein im Uebermuthe, Es droht und laͤrmt das weltliche Getuͤmmel: Da ſieht ihr trunknes Auge nach dem Himmel, Ihr Herz verklaͤrt die Toͤn, in ihnen ſteigen Gebete auf zu ihrem hoͤchſten Gute. Warum, ihr Menſchen, ſo ſpricht ſie in Klagen, Daß ihr ſo gern dem Himmel euch entziehet? Euch ruft ſo Furcht als Lieb' und Luſt: entfliehet! Die Toͤne macht ihr wild, bis ſie verzagen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#VAL"> <p><pb facs="#f0240" n="230"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> ein, fuͤhrt vielleicht von ſelbſt zum Weltlichen,<lb/> und ſo allgemach zum Verwirrten.</p><lb/> <p>Und die Orgel? fragte Roſalie, und ihre<lb/> Erfinderinn die heilige Caͤcilia?</p><lb/> <p>Sie erinnern mich an einige Sonette, ſagte<lb/> Friederich, die ich Ihnen zum Beſchluß noch<lb/> mittheilen kann, indem ich voraus ſetze, daß Ih-<lb/> nen die Legende im Allgemeinen bekannt iſt.<lb/> Er las:</p><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die heilige Caͤcilia</hi>.</hi> </head><lb/> <lg n="1"> <l>Es ſteht die holde Jungfrau im Betrachten,</l><lb/> <l>Wie ſich Geraͤuſch und wilde Freude mehret,</l><lb/> <l>Ihr Herz, Gemuͤth iſt ſtill in ſich gekehret,</l><lb/> <l>Sie kann auf Freunde, Braͤutigam nicht achten.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und wie die Gaͤſte drinnen tobend lachten,</l><lb/> <l>Wird ihr der Geiſt mit Traurigkeit beſchweret,</l><lb/> <l>Nun fuͤhlt ſie erſt, was ſie verliert, entbehret,</l><lb/> <l>Nach Gott und Chriſtum muß ihr Buſen ſchmachten.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Es klingt die wilde Pfeife ſchon zum Reigen,</l><lb/> <l>Verwegne Klaͤnge ſchrein im Uebermuthe,</l><lb/> <l>Es droht und laͤrmt das weltliche Getuͤmmel:</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Da ſieht ihr trunknes Auge nach dem Himmel,</l><lb/> <l>Ihr Herz verklaͤrt die Toͤn, in ihnen ſteigen</l><lb/> <l>Gebete auf zu ihrem hoͤchſten Gute.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg n="5"> <l>Warum, ihr Menſchen, ſo ſpricht ſie in Klagen,</l><lb/> <l>Daß ihr ſo gern dem Himmel euch entziehet?</l><lb/> <l>Euch ruft ſo Furcht als Lieb' und Luſt: entfliehet!</l><lb/> <l>Die Toͤne macht ihr wild, bis ſie verzagen.</l> </lg><lb/> </lg> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0240]
Zweite Abtheilung.
ein, fuͤhrt vielleicht von ſelbſt zum Weltlichen,
und ſo allgemach zum Verwirrten.
Und die Orgel? fragte Roſalie, und ihre
Erfinderinn die heilige Caͤcilia?
Sie erinnern mich an einige Sonette, ſagte
Friederich, die ich Ihnen zum Beſchluß noch
mittheilen kann, indem ich voraus ſetze, daß Ih-
nen die Legende im Allgemeinen bekannt iſt.
Er las:
Die heilige Caͤcilia.
Es ſteht die holde Jungfrau im Betrachten,
Wie ſich Geraͤuſch und wilde Freude mehret,
Ihr Herz, Gemuͤth iſt ſtill in ſich gekehret,
Sie kann auf Freunde, Braͤutigam nicht achten.
Und wie die Gaͤſte drinnen tobend lachten,
Wird ihr der Geiſt mit Traurigkeit beſchweret,
Nun fuͤhlt ſie erſt, was ſie verliert, entbehret,
Nach Gott und Chriſtum muß ihr Buſen ſchmachten.
Es klingt die wilde Pfeife ſchon zum Reigen,
Verwegne Klaͤnge ſchrein im Uebermuthe,
Es droht und laͤrmt das weltliche Getuͤmmel:
Da ſieht ihr trunknes Auge nach dem Himmel,
Ihr Herz verklaͤrt die Toͤn, in ihnen ſteigen
Gebete auf zu ihrem hoͤchſten Gute.
Warum, ihr Menſchen, ſo ſpricht ſie in Klagen,
Daß ihr ſo gern dem Himmel euch entziehet?
Euch ruft ſo Furcht als Lieb' und Luſt: entfliehet!
Die Toͤne macht ihr wild, bis ſie verzagen.
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