Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. samer Stille den Berg herunter gehn sollte.Plötzlich verstummte das Geräusch der Räder und Pferde, er hörte wieder Wald und Bach ohne die disharmonische Unterbrechung, und be- griff nicht, wo das Fuhrwerk geblieben seyn könne, da keine Nebenstraßen den Berg hinun- ter gingen. Als er sich wieder umsah dünkte ihm, daß etwas Weißes von der Spitze herab schwebe, er ging wieder hinauf, und bald konnte er unterscheiden, daß es ein weibliches Wesen sey. Jetzt beeilte er seine Schritte, sie kam ihm entgegen, und ein lieber Ton begrüßte ihn mit der Bitte: könnten Sie uns nicht Hülfe schaf- fen? -- Mein Gott, Adelheid! rief er aus, und wollte immer noch seinen Sinnen nicht trauen: Du hier? Woher? So allein? -- Unser Wa- gen, antwortete sie, ist dort oben zerbrochen, Walther ist dabei beschäftigt. -- Walther, der ernste, ängstliche, gewissenhafte Mann hat Dich begleitet? fragte Friedrich wieder. -- Er hat sich selbst dazu angeboten, antwortete sie. -- Die Welt dreht sich um, rief der Liebende, indem er sich dem Wagen näherte, der auf einen Gras- platz neben dem Wege hingeschoben war. Die Männer begrüßten sich, und Friedrich konnte sich immer noch nicht ganz in die Wirklichkeit seines Glückes finden, das ihm so plötzlich, so unerwar- tet nur unter etwas störenden Umständen wie vom Himmel in die Arme gefallen war, denn so oft er sich auch diesen Augenblick dargestellt, Zweite Abtheilung. ſamer Stille den Berg herunter gehn ſollte.Ploͤtzlich verſtummte das Geraͤuſch der Raͤder und Pferde, er hoͤrte wieder Wald und Bach ohne die disharmoniſche Unterbrechung, und be- griff nicht, wo das Fuhrwerk geblieben ſeyn koͤnne, da keine Nebenſtraßen den Berg hinun- ter gingen. Als er ſich wieder umſah duͤnkte ihm, daß etwas Weißes von der Spitze herab ſchwebe, er ging wieder hinauf, und bald konnte er unterſcheiden, daß es ein weibliches Weſen ſey. Jetzt beeilte er ſeine Schritte, ſie kam ihm entgegen, und ein lieber Ton begruͤßte ihn mit der Bitte: koͤnnten Sie uns nicht Huͤlfe ſchaf- fen? — Mein Gott, Adelheid! rief er aus, und wollte immer noch ſeinen Sinnen nicht trauen: Du hier? Woher? So allein? — Unſer Wa- gen, antwortete ſie, iſt dort oben zerbrochen, Walther iſt dabei beſchaͤftigt. — Walther, der ernſte, aͤngſtliche, gewiſſenhafte Mann hat Dich begleitet? fragte Friedrich wieder. — Er hat ſich ſelbſt dazu angeboten, antwortete ſie. — Die Welt dreht ſich um, rief der Liebende, indem er ſich dem Wagen naͤherte, der auf einen Gras- platz neben dem Wege hingeſchoben war. Die Maͤnner begruͤßten ſich, und Friedrich konnte ſich immer noch nicht ganz in die Wirklichkeit ſeines Gluͤckes finden, das ihm ſo ploͤtzlich, ſo unerwar- tet nur unter etwas ſtoͤrenden Umſtaͤnden wie vom Himmel in die Arme gefallen war, denn ſo oft er ſich auch dieſen Augenblick dargeſtellt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#VAL"> <p><pb facs="#f0245" n="235"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> ſamer Stille den Berg herunter gehn ſollte.<lb/> Ploͤtzlich verſtummte das Geraͤuſch der Raͤder<lb/> und Pferde, er hoͤrte wieder Wald und Bach<lb/> ohne die disharmoniſche Unterbrechung, und be-<lb/> griff nicht, wo das Fuhrwerk geblieben ſeyn<lb/> koͤnne, da keine Nebenſtraßen den Berg hinun-<lb/> ter gingen. Als er ſich wieder umſah duͤnkte<lb/> ihm, daß etwas Weißes von der Spitze herab<lb/> ſchwebe, er ging wieder hinauf, und bald konnte<lb/> er unterſcheiden, daß es ein weibliches Weſen<lb/> ſey. Jetzt beeilte er ſeine Schritte, ſie kam ihm<lb/> entgegen, und ein lieber Ton begruͤßte ihn mit<lb/> der Bitte: koͤnnten Sie uns nicht Huͤlfe ſchaf-<lb/> fen? — Mein Gott, Adelheid! rief er aus, und<lb/> wollte immer noch ſeinen Sinnen nicht trauen:<lb/> Du hier? Woher? So allein? — Unſer Wa-<lb/> gen, antwortete ſie, iſt dort oben zerbrochen,<lb/> Walther iſt dabei beſchaͤftigt. — Walther, der<lb/> ernſte, aͤngſtliche, gewiſſenhafte Mann hat Dich<lb/> begleitet? fragte Friedrich wieder. — Er hat<lb/> ſich ſelbſt dazu angeboten, antwortete ſie. —<lb/> Die Welt dreht ſich um, rief der Liebende, indem<lb/> er ſich dem Wagen naͤherte, der auf einen Gras-<lb/> platz neben dem Wege hingeſchoben war. Die<lb/> Maͤnner begruͤßten ſich, und Friedrich konnte ſich<lb/> immer noch nicht ganz in die Wirklichkeit ſeines<lb/> Gluͤckes finden, das ihm ſo ploͤtzlich, ſo unerwar-<lb/> tet nur unter etwas ſtoͤrenden Umſtaͤnden wie<lb/> vom Himmel in die Arme gefallen war, denn ſo<lb/> oft er ſich auch dieſen Augenblick dargeſtellt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [235/0245]
Zweite Abtheilung.
ſamer Stille den Berg herunter gehn ſollte.
Ploͤtzlich verſtummte das Geraͤuſch der Raͤder
und Pferde, er hoͤrte wieder Wald und Bach
ohne die disharmoniſche Unterbrechung, und be-
griff nicht, wo das Fuhrwerk geblieben ſeyn
koͤnne, da keine Nebenſtraßen den Berg hinun-
ter gingen. Als er ſich wieder umſah duͤnkte
ihm, daß etwas Weißes von der Spitze herab
ſchwebe, er ging wieder hinauf, und bald konnte
er unterſcheiden, daß es ein weibliches Weſen
ſey. Jetzt beeilte er ſeine Schritte, ſie kam ihm
entgegen, und ein lieber Ton begruͤßte ihn mit
der Bitte: koͤnnten Sie uns nicht Huͤlfe ſchaf-
fen? — Mein Gott, Adelheid! rief er aus, und
wollte immer noch ſeinen Sinnen nicht trauen:
Du hier? Woher? So allein? — Unſer Wa-
gen, antwortete ſie, iſt dort oben zerbrochen,
Walther iſt dabei beſchaͤftigt. — Walther, der
ernſte, aͤngſtliche, gewiſſenhafte Mann hat Dich
begleitet? fragte Friedrich wieder. — Er hat
ſich ſelbſt dazu angeboten, antwortete ſie. —
Die Welt dreht ſich um, rief der Liebende, indem
er ſich dem Wagen naͤherte, der auf einen Gras-
platz neben dem Wege hingeſchoben war. Die
Maͤnner begruͤßten ſich, und Friedrich konnte ſich
immer noch nicht ganz in die Wirklichkeit ſeines
Gluͤckes finden, das ihm ſo ploͤtzlich, ſo unerwar-
tet nur unter etwas ſtoͤrenden Umſtaͤnden wie
vom Himmel in die Arme gefallen war, denn ſo
oft er ſich auch dieſen Augenblick dargeſtellt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |