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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Zweite Abtheilung.
wenn ich den gekrönten Löwen, und den Drachen,
und alle die Verwandlungen mit unverwandtem
Auge betrachte, wenn ich wachend und schlafend
davon träume, wie ich endlich den Stein der Wei-
sen finden will, so verlangt ihr, ich soll gar kein
Verlangen nach dem Golde haben.
Reymund. Gewiß, kein Verlangen nach
dem Golde, insofern es Gold ist, aber wohl ist ein
Verlangen nach dem Golde erlaubt, ja sogar hülfs-
thätig beim Werke, insofern Gold das Kennzeichen
ist, daß wir endlich den Geist wie die Materie be-
zwungen haben, es soll uns nichts, als ein ge-
schmückter glänzender Herold seyn, der uns aus
der Unterwelt die Bothschaft bringt, daß sie sich
mit allen ihren Mächten unserm Geist und Her-
zen unterwirft. Könnt ihr das Gold aber nicht
als Gold verachten, so wird euch die Eroberung
jener heimlichen, wunderlichen Reiche unmöglich
fallen.
König. Das sind spitzfindige, verwickelte
Sachen: ich soll wünschen und nicht wünschen,
verlangen und nicht verlangen, Gold lieben und
verachten. Das Ding, sieht man, hat ein überstu-
dirter Gelehrter ersonnen. Doch still jetzt davon,
da kommt mein ungläubiger Leibarzt.
Reymund. Dieser ist ganz mit seiner soge-
nannten Vernunft in der terrestrischen Region be-
fangen.
König. Richtig, eine Art von Gnome, oder
Kobold, so sieht er auch aus, der untersetzte Mensch.

Der Leibarzt tritt herein.
Leibarzt. Wie hat mein gnädiger König
Zweite Abtheilung.
wenn ich den gekroͤnten Loͤwen, und den Drachen,
und alle die Verwandlungen mit unverwandtem
Auge betrachte, wenn ich wachend und ſchlafend
davon traͤume, wie ich endlich den Stein der Wei-
ſen finden will, ſo verlangt ihr, ich ſoll gar kein
Verlangen nach dem Golde haben.
Reymund. Gewiß, kein Verlangen nach
dem Golde, inſofern es Gold iſt, aber wohl iſt ein
Verlangen nach dem Golde erlaubt, ja ſogar huͤlfs-
thaͤtig beim Werke, inſofern Gold das Kennzeichen
iſt, daß wir endlich den Geiſt wie die Materie be-
zwungen haben, es ſoll uns nichts, als ein ge-
ſchmuͤckter glaͤnzender Herold ſeyn, der uns aus
der Unterwelt die Bothſchaft bringt, daß ſie ſich
mit allen ihren Maͤchten unſerm Geiſt und Her-
zen unterwirft. Koͤnnt ihr das Gold aber nicht
als Gold verachten, ſo wird euch die Eroberung
jener heimlichen, wunderlichen Reiche unmoͤglich
fallen.
Koͤnig. Das ſind ſpitzfindige, verwickelte
Sachen: ich ſoll wuͤnſchen und nicht wuͤnſchen,
verlangen und nicht verlangen, Gold lieben und
verachten. Das Ding, ſieht man, hat ein uͤberſtu-
dirter Gelehrter erſonnen. Doch ſtill jetzt davon,
da kommt mein unglaͤubiger Leibarzt.
Reymund. Dieſer iſt ganz mit ſeiner ſoge-
nannten Vernunft in der terreſtriſchen Region be-
fangen.
Koͤnig. Richtig, eine Art von Gnome, oder
Kobold, ſo ſieht er auch aus, der unterſetzte Menſch.

Der Leibarzt tritt herein.
Leibarzt. Wie hat mein gnaͤdiger Koͤnig
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[292/0302] Zweite Abtheilung. wenn ich den gekroͤnten Loͤwen, und den Drachen, und alle die Verwandlungen mit unverwandtem Auge betrachte, wenn ich wachend und ſchlafend davon traͤume, wie ich endlich den Stein der Wei- ſen finden will, ſo verlangt ihr, ich ſoll gar kein Verlangen nach dem Golde haben. Reymund. Gewiß, kein Verlangen nach dem Golde, inſofern es Gold iſt, aber wohl iſt ein Verlangen nach dem Golde erlaubt, ja ſogar huͤlfs- thaͤtig beim Werke, inſofern Gold das Kennzeichen iſt, daß wir endlich den Geiſt wie die Materie be- zwungen haben, es ſoll uns nichts, als ein ge- ſchmuͤckter glaͤnzender Herold ſeyn, der uns aus der Unterwelt die Bothſchaft bringt, daß ſie ſich mit allen ihren Maͤchten unſerm Geiſt und Her- zen unterwirft. Koͤnnt ihr das Gold aber nicht als Gold verachten, ſo wird euch die Eroberung jener heimlichen, wunderlichen Reiche unmoͤglich fallen. Koͤnig. Das ſind ſpitzfindige, verwickelte Sachen: ich ſoll wuͤnſchen und nicht wuͤnſchen, verlangen und nicht verlangen, Gold lieben und verachten. Das Ding, ſieht man, hat ein uͤberſtu- dirter Gelehrter erſonnen. Doch ſtill jetzt davon, da kommt mein unglaͤubiger Leibarzt. Reymund. Dieſer iſt ganz mit ſeiner ſoge- nannten Vernunft in der terreſtriſchen Region be- fangen. Koͤnig. Richtig, eine Art von Gnome, oder Kobold, ſo ſieht er auch aus, der unterſetzte Menſch. Der Leibarzt tritt herein. Leibarzt. Wie hat mein gnaͤdiger Koͤnig

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/302>, abgerufen am 21.11.2024.