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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Zweite Abtheilung.
mer verwaister Hund darüber hergefallen ist, um
sie von neuem auszusaugen.
König. Lieber, er weiß nichts vom Hermes
Trismegistus und den Verwandlungen.
Leibarzt. So? Also könnte die Vernunft
wohl verkocht, ausgesogen und abgenutzt werden?
Und der Zweite, der eine Idee vom Ersten auf-
nähme, fände schon den Saft und das Mark nicht
mehr darin, bloß weil jener schon daran gedacht?
O seh' Eure Majestät doch nur aus dieser kleinen
Probe den ungesichteten Schwengel. Das kommt
davon, wenn ein Schwachkopf immer beim Feuer
steht und puhstet, und sich den Verstand aus dem
Gehirn heraus braten läßt, um in der Retorte
die gekrönte Jungfrau zu attrappiren.
König. Doktor, ich bitt' euch --
Reymund. Ha, ha, ha! Gekrönte Jung-
frau! Da höre die Majestät, wie der Unwissende --
ha, ha, ha! sie mit dem gekrönten Löwen verwech-
selt. Mir wird übel in Gesellschaft solches ver-
schimmelten Phantasten.
Leibarzt. Ich kann schon den Geruch von
dieser Mystik nicht ausstehn, bärbeißige Unver-
nunft!
(beide ab.)
Theodor kommt.
Theodor.. Mein König, Majestät die Kö-
niginn läßt bitten und ersuchen, an ihren Hof zu
kommen, alles ist versammelt, und ein junger
Fremder ist da, ein Graf aus Cypern, der sehr
hoch spielt, hoch spricht, hoch springt, hoch denkt
und hoch windbeutelt, er ist, wie alle sagen, ein
merkwürdiges Phänomen.

Zweite Abtheilung.
mer verwaiſter Hund daruͤber hergefallen iſt, um
ſie von neuem auszuſaugen.
Koͤnig. Lieber, er weiß nichts vom Hermes
Trismegiſtus und den Verwandlungen.
Leibarzt. So? Alſo koͤnnte die Vernunft
wohl verkocht, ausgeſogen und abgenutzt werden?
Und der Zweite, der eine Idee vom Erſten auf-
naͤhme, faͤnde ſchon den Saft und das Mark nicht
mehr darin, bloß weil jener ſchon daran gedacht?
O ſeh' Eure Majeſtaͤt doch nur aus dieſer kleinen
Probe den ungeſichteten Schwengel. Das kommt
davon, wenn ein Schwachkopf immer beim Feuer
ſteht und puhſtet, und ſich den Verſtand aus dem
Gehirn heraus braten laͤßt, um in der Retorte
die gekroͤnte Jungfrau zu attrappiren.
Koͤnig. Doktor, ich bitt' euch —
Reymund. Ha, ha, ha! Gekroͤnte Jung-
frau! Da hoͤre die Majeſtaͤt, wie der Unwiſſende —
ha, ha, ha! ſie mit dem gekroͤnten Loͤwen verwech-
ſelt. Mir wird uͤbel in Geſellſchaft ſolches ver-
ſchimmelten Phantaſten.
Leibarzt. Ich kann ſchon den Geruch von
dieſer Myſtik nicht ausſtehn, baͤrbeißige Unver-
nunft!
(beide ab.)
Theodor kommt.
Theodor.. Mein Koͤnig, Majeſtaͤt die Koͤ-
niginn laͤßt bitten und erſuchen, an ihren Hof zu
kommen, alles iſt verſammelt, und ein junger
Fremder iſt da, ein Graf aus Cypern, der ſehr
hoch ſpielt, hoch ſpricht, hoch ſpringt, hoch denkt
und hoch windbeutelt, er iſt, wie alle ſagen, ein
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[294/0304] Zweite Abtheilung. mer verwaiſter Hund daruͤber hergefallen iſt, um ſie von neuem auszuſaugen. Koͤnig. Lieber, er weiß nichts vom Hermes Trismegiſtus und den Verwandlungen. Leibarzt. So? Alſo koͤnnte die Vernunft wohl verkocht, ausgeſogen und abgenutzt werden? Und der Zweite, der eine Idee vom Erſten auf- naͤhme, faͤnde ſchon den Saft und das Mark nicht mehr darin, bloß weil jener ſchon daran gedacht? O ſeh' Eure Majeſtaͤt doch nur aus dieſer kleinen Probe den ungeſichteten Schwengel. Das kommt davon, wenn ein Schwachkopf immer beim Feuer ſteht und puhſtet, und ſich den Verſtand aus dem Gehirn heraus braten laͤßt, um in der Retorte die gekroͤnte Jungfrau zu attrappiren. Koͤnig. Doktor, ich bitt' euch — Reymund. Ha, ha, ha! Gekroͤnte Jung- frau! Da hoͤre die Majeſtaͤt, wie der Unwiſſende — ha, ha, ha! ſie mit dem gekroͤnten Loͤwen verwech- ſelt. Mir wird uͤbel in Geſellſchaft ſolches ver- ſchimmelten Phantaſten. Leibarzt. Ich kann ſchon den Geruch von dieſer Myſtik nicht ausſtehn, baͤrbeißige Unver- nunft! (beide ab.) Theodor kommt. Theodor.. Mein Koͤnig, Majeſtaͤt die Koͤ- niginn laͤßt bitten und erſuchen, an ihren Hof zu kommen, alles iſt verſammelt, und ein junger Fremder iſt da, ein Graf aus Cypern, der ſehr hoch ſpielt, hoch ſpricht, hoch ſpringt, hoch denkt und hoch windbeutelt, er iſt, wie alle ſagen, ein merkwuͤrdiges Phaͤnomen.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/304>, abgerufen am 21.11.2024.