Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Fortunat. Andalosia. Wo ist mein Bruder? Daniel. Da unten in der Allee nach der Meierei zu, auf seinem gewöhnlichen Spatziergange, er muß bald kommen, denn nun hat er schon seine Milch und sein Butterbrod verzehrt, und hat ihm der alte Meyer schon die Geschichte von den jun- gen Gänsen vorgetragen, und er selbst wird auch wohl schon seinen Traum von heute Nacht ausein- ander gesetzt haben, so daß er nicht lange mehr ausbleiben kann. Andalosia. Er ist gesund und froh? Daniel. Lieber Himmel, ihr kennt ja selbst unsern gnädigen Herrn: gesund, ja, und froh auch auf seine Weise. Er verlangt nicht viel von der Welt. Andalosia. Wie treibt ihr es denn nun hier? Daniel. Den einen Tag wie den andern; was Gott uns an Zeit bescheert, die verbrauchen wir denn auch mit seinem Beistande, aber das ver- sichre ich Euch, wir könnten hier eine Universität errichten, um die Langeweile im ganzen Lande gründ- lich und auf ewige Zeiten zu stiften. Ich sage manchmal: geht doch an den Hof. -- Nein. -- Macht eine kleine Reise! -- Nein. -- Ladet ein- mal Gäste. -- Nein. -- Wollt ihr denn nicht viel- leicht heirathen? -- Nein! -- Um acht Uhr Mor- gens steht der Herr auf, sein Frühstück nimmt ihm eine Stunde weg, dann zieht er sich an und wieder aus, sucht andre Kleider vor, und wechselt sie wieder mit dem Schlafrock. Eine unglaubliche Lust scheint er am Auf- und Zuknöpfen zu haben, denn ganze Stunden kann er damit hinbringen, Fortunat. Andaloſia. Wo iſt mein Bruder? Daniel. Da unten in der Allee nach der Meierei zu, auf ſeinem gewoͤhnlichen Spatziergange, er muß bald kommen, denn nun hat er ſchon ſeine Milch und ſein Butterbrod verzehrt, und hat ihm der alte Meyer ſchon die Geſchichte von den jun- gen Gaͤnſen vorgetragen, und er ſelbſt wird auch wohl ſchon ſeinen Traum von heute Nacht ausein- ander geſetzt haben, ſo daß er nicht lange mehr ausbleiben kann. Andaloſia. Er iſt geſund und froh? Daniel. Lieber Himmel, ihr kennt ja ſelbſt unſern gnaͤdigen Herrn: geſund, ja, und froh auch auf ſeine Weiſe. Er verlangt nicht viel von der Welt. Andaloſia. Wie treibt ihr es denn nun hier? Daniel. Den einen Tag wie den andern; was Gott uns an Zeit beſcheert, die verbrauchen wir denn auch mit ſeinem Beiſtande, aber das ver- ſichre ich Euch, wir koͤnnten hier eine Univerſitaͤt errichten, um die Langeweile im ganzen Lande gruͤnd- lich und auf ewige Zeiten zu ſtiften. Ich ſage manchmal: geht doch an den Hof. — Nein. — Macht eine kleine Reiſe! — Nein. — Ladet ein- mal Gaͤſte. — Nein. — Wollt ihr denn nicht viel- leicht heirathen? — Nein! — Um acht Uhr Mor- gens ſteht der Herr auf, ſein Fruͤhſtuͤck nimmt ihm eine Stunde weg, dann zieht er ſich an und wieder aus, ſucht andre Kleider vor, und wechſelt ſie wieder mit dem Schlafrock. Eine unglaubliche Luſt ſcheint er am Auf- und Zuknoͤpfen zu haben, denn ganze Stunden kann er damit hinbringen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0339" n="329"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</fw><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker> <p>Wo iſt mein Bruder?</p> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>Da unten in der Allee nach der<lb/> Meierei zu, auf ſeinem gewoͤhnlichen Spatziergange,<lb/> er muß bald kommen, denn nun hat er ſchon ſeine<lb/> Milch und ſein Butterbrod verzehrt, und hat ihm<lb/> der alte Meyer ſchon die Geſchichte von den jun-<lb/> gen Gaͤnſen vorgetragen, und er ſelbſt wird auch<lb/> wohl ſchon ſeinen Traum von heute Nacht ausein-<lb/> ander geſetzt haben, ſo daß er nicht lange mehr<lb/> ausbleiben kann.</p> </sp><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker> <p>Er iſt geſund und froh?</p> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>Lieber Himmel, ihr kennt ja ſelbſt<lb/> unſern gnaͤdigen Herrn: geſund, ja, und froh auch<lb/> auf ſeine Weiſe. 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Fortunat.
Andaloſia. Wo iſt mein Bruder?
Daniel. Da unten in der Allee nach der
Meierei zu, auf ſeinem gewoͤhnlichen Spatziergange,
er muß bald kommen, denn nun hat er ſchon ſeine
Milch und ſein Butterbrod verzehrt, und hat ihm
der alte Meyer ſchon die Geſchichte von den jun-
gen Gaͤnſen vorgetragen, und er ſelbſt wird auch
wohl ſchon ſeinen Traum von heute Nacht ausein-
ander geſetzt haben, ſo daß er nicht lange mehr
ausbleiben kann.
Andaloſia. Er iſt geſund und froh?
Daniel. Lieber Himmel, ihr kennt ja ſelbſt
unſern gnaͤdigen Herrn: geſund, ja, und froh auch
auf ſeine Weiſe. Er verlangt nicht viel von der
Welt.
Andaloſia. Wie treibt ihr es denn nun
hier?
Daniel. Den einen Tag wie den andern;
was Gott uns an Zeit beſcheert, die verbrauchen
wir denn auch mit ſeinem Beiſtande, aber das ver-
ſichre ich Euch, wir koͤnnten hier eine Univerſitaͤt
errichten, um die Langeweile im ganzen Lande gruͤnd-
lich und auf ewige Zeiten zu ſtiften. Ich ſage
manchmal: geht doch an den Hof. — Nein. —
Macht eine kleine Reiſe! — Nein. — Ladet ein-
mal Gaͤſte. — Nein. — Wollt ihr denn nicht viel-
leicht heirathen? — Nein! — Um acht Uhr Mor-
gens ſteht der Herr auf, ſein Fruͤhſtuͤck nimmt
ihm eine Stunde weg, dann zieht er ſich an und
wieder aus, ſucht andre Kleider vor, und wechſelt
ſie wieder mit dem Schlafrock. Eine unglaubliche
Luſt ſcheint er am Auf- und Zuknoͤpfen zu haben,
denn ganze Stunden kann er damit hinbringen,
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